Ramelow macht mobil gegen Lockdown – aber nicht der Thüringer Vize-Weltmeister im Interview

Als ich erfahren habe, dass Vize-Fußballweltmeister Carsten Ramelow meine Seite liest, kam mir die Idee, ihn um ein Interview zu bitten. Er hat gleich zugesagt. Lesen Sie hier seine Einschätzung der aktuellen Corona-Politik (und am Ende noch einen bewegenden menschlichen Moment):

Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

Ich verfolge die Lage seit dem Frühjahr sehr aufmerksam. Inzwischen hat sich da viel aufgestaut. Wir sind ja alle betroffen. Ich auch. Mittlerweile wird man sauer über die Maßnahmen. Das Verständnis ließ schon vor Monaten sehr stark nach. Aber jetzt wird das Ganze sogar noch verlängert und verschärft. Ich sehe, wie die Menschen leiden. Mein Schwiegervater hat Demenz und ist tagsüber in einem Pflegeheim, der ist betroffen, meine Tochter auch; sie hatte Probleme mit dem Masken-Tragen, bekam ständig Kopfschmerzen und Schwindel in der Schule, musste sich nach der Schule übergeben. Das war für uns alle eine schlimme Zeit. Dabei war sie zuvor immer gesund. Ich finde, da ist jetzt eine Grenze erreicht: So geht es nicht mehr weiter.

Aber die Befürworter des Lockdowns sagen, er ist alternativlos. Müssen wir da nicht durch?

Mittlerweile sind die Fakten eindeutig, die man selbst recherchieren kann. Es gibt einige gute Studien, die zeigen, dass der Lockdown wirkungslos ist.

Aber die Regierung wird doch ihre Gründe haben?

Man wundert sich über das Expertenteam der Regierung. Da durchaus anerkannte Experten ja anderer Meinung sind. Aber das findet keine Beachtung. Was mich als Bürger stört: Dass in dieser schlimmen Situation ständig Angst und Panik verbreitet wird. Ich würde erwarten, dass eine starke Regierung in so einer Lage Hoffnung und Zuversicht verbreitet.

Aber ist es nicht so, dass eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hinter diesen Maßnahmen steht?

Das wird uns offiziell so suggeriert. Aber wenn man sich in seinem privaten Umfeld austauscht, sind die Meinungen doch inzwischen sehr, sehr kritisch. Die Leute sind sehr skeptisch. Aber die meisten trauen sich nicht, öffentlich darüber zu reden.

Sie sind ein bekannter Fußballer. Tauschen Sie sich auch mit Kollegen aus über das Thema?

Dass ist eher schwierig. Ich kann mit dem ein oder anderen meiner Ex-Kollegen darüber reden, aber da ist Zurückhaltung angesagt. Weil auch da die Meinungen sehr unterschiedlich sind. In meinem Umfeld ist es so, dass Menschen aus dem Osten Deutschlands nach meiner persönlichen Erfahrung bei diesem Thema kritischer sind.

Thomas Berthold, der genauso wie Sie in der Nationalmannschaft gespielt hat, wurde massiv angegriffen wegen seiner Kritik an den Corona-Maßnahmen. Haben Sie als Vize-Weltmeister nicht Angst, dass es Ihnen genauso geht?

Nein, ich habe keine Angst! Es ist erschreckend, dass man sich in der heutigen Zeit nicht mehr kritisch äußern darf, ohne gleich zensiert oder angefeindet zu werden. Aber ich möchte mich deshalb als  Bürger nicht scheuen, meine Meinung zu sagen. Ich finde es jetzt wichtig, Solidarität zu zeigen und Zusammenhalt. Wir, die Menschen in Deutschland, dürfen, auch wenn die Meinungen unterschiedlich sind, uns nicht auseinander dividieren lassen. Es ist wichtig, das sich jeder ein eigenes Bild macht. Und man offen miteinander redet.

Sind Sie Querdenker?

Ich bin Skeptiker. Nicht nur bei Corona. Was die Querdenker angeht, habe ich mich im Herbst nach all den negativen Berichten in den Medien entschlossen, mir ein eigenes Bild zu machen. Und ich kann nur sagen: Wie die Demonstrationen in den Medien dargestellt werden, trifft überhaupt nicht zu. Ich habe dort die Mitte der Gesellschaft angetroffen und war angetan von der tollen Atmosphäre, und ich hatte tolle Gespräche. Als ich danach die Medienberichte gesehen habe, hatte ich den Eindruck, ich war auf einer anderen Veranstaltung. Das ist für mich aber nichts Neues: Denn auch in meiner Zeit in der Bundesliga und in der Nationalmannschaft musste ich harte Kritik seitens der Medien einstecken.

Was sind konkret Ihre Forderungen und Wünsche an die Politik?

Das Wichtigste für mich wäre, dass alle Maßnahmen wirklich wissenschaftlich fundiert sind. Denn im Moment habe ich den Eindruck, dass die Regierung vor allem auf eine Seite in der Wissenschaft hört: diejenigen, die für harte Maßnahmen sind. Ich persönlich stufe Corona als grippeähnliche Krankheit ein – wobei ja auch eine Grippe einen schweren Verlauf nehmen kann. Ich halte die Maßnahmen so einfach für unverhältnismäßig. Ich will selbst entscheiden für mich, ob ich eine Maske trage oder nicht. Ich will mich frei bewegen und frei über mein Leben entscheiden.

Das Gegenargument der Befürworter der Maßnahmen ist aber, dass dies Leben gefährden würde?

Da sind aber renommierte Wissenschaftler anderer Meinung. Nehmen wir die Studie von Ioannidis, dem Stanford-Professor, und seinen Kollegen, die nachweisen, dass der Lockdown nicht hilft. Warum wird darüber kaum gesprochen und berichtet? Nehmen Sie das Beispiel Schweden, das auch Ioannidis aufführt: Das hat ja nachweislich einen richtigen Weg eingeschlagen. Aber es findet keine Beachtung bei uns. Ich finde, all das sollte uns zum Nachdenken anregen. Die Studie und der schwedische Weg zeigen uns, dass es eben doch eine Alternative gibt. Die Todesrate in Schweden ist geringer als in vielen Ländern, in denen es einen harten Lockdown gibt.

Haben Sie vor, sich schnell impfen zu lassen?

Ein ganz klares Nein. Ich bin kein Impfgegner. Aber gegen Corona werden meine Familie und ich uns nicht impfen lassen.

Warum?

Weil zu viel Druck aufgebaut wird und weil es keine Langzeitstudie gibt. Das fehlt mir besonders. Wie will man in einem Jahr genau wissen, was für langfristige Nebenwirkungen auftreten können und die Wirksamkeit ist aktuell auch noch unklar. In fünf bis acht Jahren können wir nochmal über das Thema Impfung reden.

Sie waren Vize-Weltmeister 2002 in Japan und Korea. Sind Sie heute noch im Fußballbereich aktiv?

Ich bin noch in der Spielergewerkschaft VDV. Ich bin nach meiner Fußball-Zeit unternehmerisch tätig geworden. Mit meiner Firma bin ich darauf spezialisiert, Werbeflächen zu vermarkten.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Mitspielern von 2002?

Nur vereinzelt. Es ist aber schön, wenn man sich bei Benefizspielen wiedertrifft und über die alten Zeiten redet.

Schauen Sie noch jeden Samstag Fußball?

Selten. Ich verfolge noch das Geschehen, aber nicht mehr mit der Begeisterung von früher.

Ich habe gerade ein Video veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie in Berlin Polizisten Kindern das Fußballspielen verbieten, während umgekehrt die Bundesliga weiterspielt. Ist das gerecht?

Ich verstehe, dass die Bundesliga weiterlaufen muss. Aber für die Kinder ist es unverständlich, dass sie gleichzeitig nicht auf den Bolzplatz dürfen. Da sind wir wieder bei der Verhältnismäßigkeit. Ich muss ganz ehrlich sagen: So sehr ich mich freue, dass meine Kollegen weiter spielen dürfen, so sehr tut es mir für die Kinder in der Seele weh.

Aber Sie sind im Gegensatz zu vielen anderen Fußballern ein politisch interessierter Mensch?

Aufgrund der aktuellen Situation durchaus. So bin ich auch auf Ihre Seite aufmerksam geworden, die ich gerne lese, weil ich da gut informiert werde. Das würde ich mir übrigens auch vom Mainstream wünschen!

PS: Die Welt ist ein Dorf. Als einer meiner Korrektoren dieses Interview bekam, schrieb er mir sofort: „Carsten Ramelow war Ende der 90er bei uns in der Ecke mit Leverkusen im Trainingslager (Grünberg in Hessen). Ich war mit meiner Fußball-D-Jugend-Mannschaft dort zum Staunen. Christoph Daum hat damals sein Okay gegeben, dass Carsten sich ein paar Minuten Zeit für meine Jungs nimmt. Daraus wurde eine gute Stunde, eine Verspätung beim Mittagessen (teuer für ihn) und 20 gnadenlos begeisterte Jungs – und mit mir ein überglücklicher Trainer und Leverkusen-Fan, der damals schon wusste, dass der Ramelow mehr ist, als nur ein toller Kicker. Calle war für mich ganz klar der Kopf der Leverkusener Mannschaft, die damals im Champions-League-Finale stand. Stets ruhig, sachlich und vorausschauend in seiner Spielweise. Ein Mensch mit Charakter, von dem ein ganzes Team profitierte. Klasse, dass er heute den Mut aufbringt, derart offen über seine Sicht zu den Corona-Maßnahmen zu sprechen!“

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Bild: privat
Text: red

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