Offen gestanden: Als ich die beiliegende Meldung über eine Polizeiübung in Rostock erhielt, dachte ich zuerst an eine Fälschung. „Im Rahmen einer Großübung“ werde die Polizei in der Nacht auf den 27. September am Hauptbahnhof eine Großübung abhalten, heißt es da. Und weiter kommt ein „Hinweis fur Anwohnende“ (kein Schreibfehler – dieses schrecklich klingende Wort wird inzwischen verwendet, weil man sich offenbar nicht mehr traut, das Wort „Anwohner“ zu gebrauchen):
„In der Zeit der Übung kommt es zu einem hohen Aufkommen an Einsatzfahrzeugen von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. Blaulicht und der Einsatz von Übungsmunition sind für Außenstehende wahrnehmbar. Explosions- und Schussgeräusche werden zu hören sein. Das ist Teil der Übung.“
Sehen Sie selbst:
Tatsächlich ergab ein Nachsehen im Internet unter den angegebenen Links sofort, dass das Schreiben tatsächlich echt ist. Wie die Polizei auf Presseportal.de mitteilt.
Ich habe mich gefragt, warum ich zunächst dachte, es handle sich um eine Fälschung. Wohl vor allem aus einen Grund: Weil der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam, der war, dass hier die Bekämpfung von Demonstrationen und Bürgerprotesten geübt werden könnte. Warum war das mein erster Gedanke? Weil mein Urvertrauen in den Staat und in seine Polizei seit Corona zutiefst erschüttert ist. Schlimmer noch: Es ist fast weg. Nach allem, was ich an Brutalität und Unmenschlichkeit von Seiten der Polizei erlebt habe, nachdem sie mitsamt ihrer politischen Führung in meinen Augen geradezu zielgerichtet Recht brach und politisch tätig wurde, traue ich ihr inzwischen leider sehr, sehr viel zu.
Und das als jemand, der immer große Stücke auf unsere Polizei hielt. Und auch heute noch Hochachtung vor vielen Beamten hat.
Einschränkend muss ich lediglich dazu sagen, dass meine Erfahrungen vor allem durch die Berliner Polizei geprägt sind, die in der Corona-Zeit von einem früheren SED-Mitglied geführt wurde – Andreas Geisel. Der Innenminister ließ in meinen Augen klar seine politische Sozialisierung im Sozialismus durchscheinen. Während er offen bekannte, kein Problem damit zu haben, auch mit Linksradikalen zu demonstrieren, sprach er bürgerlichen Demonstranten ihr Recht auf Versammlungsfreiheit ab. Seine Beamten behandelten sie wie Verbrecher. Selbst Rentner wurden brutalst angegangen. Ich selbst wurde attackiert und geschlagen. All das wird demonstrativ nicht verfolgt. Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Folter sprach gar von einer „Kultur der Toleranz für Polizeigewalt„. Nur weil die Medien darüber schweigen, nehmen das immer noch sehr viele Menschen entweder nicht wahr oder einfach hin.
‘Realistische Bedingungen‘
Aber zurück zu der Übung. Die Rostocker Polizei beschreibt in ihrer Presseerklärung ausführlich, bei der Übung gehe es darum, „das Vorgehen gegen terroristische Täter sowie die Rettung und Versorgung Verletzter im Zusammenspiel der zahlreichen Akteure in einer komplexen und lebensbedrohlichen Einsatzlage unter realistischen Bedingungen“ zu trainieren.
Also Entwarnung, wollte ich schreiben. Und mich entspannt zurück lehnen. Doch dann meldete sich sofort wieder der innere Bedenkenträger: Die Formulierung („sowie“) könnte man mit etwas Argwohn ja auch so interpretieren, dass auch brutale Einsätze gegen Proteste geübt werden, sagte ich sich der Bedenkenträger in mir – auch wenn natürlich alles dafür spricht, dass es sich um eine sprachliche Ungenauigkeit handelt. Aber nichts Genaues weiß man nicht, denn da steht: „Nur ein kleiner Kreis weiß, mit welchen Szenarien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bundes- und Landespolizei in der Nacht genau konfrontiert werden.“
Weiter schreibt die Polizei: „Durch die nächtliche Übungszeit sollen die Auswirkungen auf Unbeteiligte möglichst geringgehalten werden.“ Wie bitte? Sind Schussgeräusche nachts weniger störend als tagsüber? Der Text geht wie folgt weiter: „Der Ablauf der Übung kann durch die Abgabe von Schüssen mit Platzpatronen und simulierte Explosionen mit Knallkörpern zu Lärmbelästigungen rund um den Hauptbahnhof führen. Zwar werden umfangreiche Sichtschutzwände aufgebaut, aber schon die Schusssimulationen oder Schreie der Übungsteilnehmer können Reisende verunsichern.“
Vor Schmerz schreiende Bürger
Noch vor zwei Jahren hätte ich mir selbst geringste Zweifel an solchen Angaben von der Polizei nicht vorstellen können. Ich hätte sie für absurd gehalten. Heute gibt es leider solche Zweifel – auch wenn ich versuche, sie als völlig überzogen abzutun. Aber da ist diese Erinnerung an die Tritte und Schläge von Polizisten; an kreischende, vor Schmerz schreiende Bürger, die von Beamten ohne ersichtlichen Grund regelrecht malträtiert wurden.
Wie gesagt – es sind nur spontane Zweifel, die ich habe. Und ich bin mir bewusst, dass sie irrational sein mögen. Aber allein, dass diese Zweifel da sind, zeigt, wie stark unser Rechtsstaat erodiert ist. Und wie weit das Urvertrauen in die bundesdeutschen Institute beschädigt ist.