Therapeuten schlagen Alarm: Politik berücksichtigt Bedürfnisse von Kindern kaum Offener Brief mit knapp 300 Unterzeichnern

Von Elias Huber

Vor Kurzem schlugen Psychologen Alarm, dass Menschen massiv durch den Lockdown belastet seien. Forscher der Donau-Universität Krems berichteten etwa, dass in Österreich Schlafstörungen, depressive Symptome und Angststörungen deutlich zugenommen hätten. Laut einer Untersuchung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf sei gar jedes dritte Kind aus Deutschland psychisch verhaltensauffällig (reitschuster.de berichtete).

Nun wenden sich etwa 300 Therapeuten und Psychiater, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, in einem offenen Brief an die Bundesregierung. Darin stellen sie der Politik ein schlechtes Zeugnis aus. Bereits im Mai 2020 habe die Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung auf die Gefahren von Schulschließungen hingewiesen, schreiben sie und fahren fort: “Umso schwerer wiegt es, dass in den politischen Entscheidungen die Bedürfnisse und Rechte von Kindern und Jugendlichen kaum berücksichtigt wurden.”

Die Mediziner und Psychologen warnen, man beobachte “vermehrt Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen, Essstörungen und Substanzmissbrauch” unter den Heranwachsenden. “Zudem wird ein Anstieg von Patientinnen berichtet, die aufgrund von akuter Suizidalität/Krisen oder nach häuslicher Eskalation kinder- und jugendpsychiatrisch versorgt werden müssen”, schreiben die Unterzeichner, unter denen auch zahlreiche Universitätsprofessoren und Chefärzte sind.

Gleichzeitig steht in dem offenen Brief, der den Titel “Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen muss geschützt werden!” trägt, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie überlastet sei. Reguläre Behandlungen müssten zugunsten von Kriseninterventionen entfallen oder verschoben werden. Viele Patienten könnten “nicht ausreichend versorgt werden”.

Die Therapeuten fordern darum, Schulen und Kitas zu öffnen. Kinder sollten an pandemiegerechten Freizeitangeboten teilnehmen dürfen, etwa Sportkurse oder Jugendtreffs, die im Freien stattfinden. Außerdem solle der Staat die Jugendhilfe und Jugendämter personell verstärken.

Einer der Initiatoren des Briefs, Professor Tobias Hecker, sagte gegenüber reitschuster.de, der Brief sei am 7. Februar an die Bundeskanzlerin, alle Ministerpräsidenten und alle Bildungs-, Gesundheits- und Familienministerien auf Bundes- und Landesebene verschickt worden. Außerdem hätten die Therapeuten den Aufruf an die Ausschüsse für Gesundheit und Familien sowie die Kinderkommission des Bundestags gesendet. Bislang hätten die Organisatoren „bereits vereinzelt eine direkte Rückmeldung“ erhalten, erklärte Hecker, der die Arbeitseinheit Klinische Entwicklungspsychopathologie an der Universität Bielefeld leitet.

Probleme beobachten die Psychologen, Ärzte und Professoren in allen Altersgruppen. Eltern berichteten etwa, dass ihre Kleinkinder vermehrt Verhaltensauffälligkeiten wie Wutausbrüche, Schlafprobleme und Aggressionen zeigten. “Gegenwärtig erscheinen uns die vorgestellten Patientinnen jünger als üblicherweise”, berichten die Therapeuten über die Kleinkinder. Schulkinder, die auf eine weiterführende Schule wechselten oder eingeschult würden, litten öfter unter Schulängsten. Und bei jüngeren Adoleszenten bestehe die große Gefahr, dass sie häufiger Essstörungen entwickelten oder Internet und Medien missbräuchlich verwendeten.

P.S.: Psychologen und Psychiater im Kinder- und Jugendbereich können den offenen Brief weiterhin unterschreiben. Dazu genügt eine E-Mail mit dem Betreff “Offener Brief KJP” an [email protected]. In der Mail sollten Interessierte Namen, Wohnort, Funktion und eventuell Arbeitsstelle und Titel angeben.

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Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main.
Bild: Rittis/Shutterstock
Text: eli

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