Sei der Gute und begehe Grausamkeiten Ein kleiner Diskurs über den Machiavellismus unserer Tage.

Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen

In seinem Hauptwerk über die Alleinherrschaft (Der Fürst) schrieb Machiavelli, dass Grausamkeiten nicht per se schlecht seien, solange der Fürst dadurch nicht beim Volk verhasst würde. Grausamkeiten müssen aber gut begründet und nachvollziehbar sein und der Fürst dürfe sich niemals am Hab und Gut seiner Untergebenen vergreifen. Eine Moral müsse er schon haben und sein Wort geben, das er durchaus brechen dürfe, wenn er es nicht zu oft und zu auffällig tue. Hass und Verachtung dürfe er aber niemals schüren, weil sich dies gegen ihn richten könne. Das Volk begrüße „Großmut, Kühnheit, Ernst und Kraft“.

Soweit die Empfehlungen des ersten philosophischen Schriftstellers und Politikanalysten in unseren Breiten. Aber was ist davon zu halten?

Sich in geistliche Führerschaft zu bringen, vielleicht sogar im Schutze der Kirche, sei schwierig, aber es biete dann alle Möglichkeiten einer sorglosen Machtausübung. Ein schönes Leben für den Fürsten. Die Kirche würde ihre Anführer und Verbündeten schützen, schreibt Machiavelli. Moral ist also nicht unbedingt falsch, es ist einfacher, der Gute zu sein. Aber sie ist nicht das Maß aller Dinge: Das ist die Macht.

Denn wenn das Volk das Glück verlässt, benötigt man die Macht, es ruhig zu halten. In diesem Falle seien Grausamkeiten durchaus erforderlich, um Aufstände zu verhindern, die dann noch größere Grausamkeiten zur Folge hätten.

Gründet man eine unangenehme Entscheidung, die das Volk betrifft, auf Überzeugung desselben, dann kann die Entscheidung nur solange stabil sein, wie die Überzeugung hält. Stabiler ist die Entscheidung durch Macht und ihre Unterfütterung und Fundierung durch Grausamkeiten. Denn dann ist sie unabhängig von den Überzeugungen des Volkes.

Ein guter Herrscher hält also auf Moral, handelt aber im Zweifel mit Macht und Grausamkeit, soweit diese notwendig erscheint und nicht willkürlich wirkt, auch unabhängig von der Überzeugung des Volkes. Das schafft Stabilität und Achtung für die eigenen Entscheidungen.

Auf unsere heutige Zeit übertragen könnte man es so ausdrücken: Bleib so lange demokratisch, gott- und volksgefällig, wie es möglich ist. Wenn Du aber gegen das Volk entscheiden musst, tue das mit Macht und setze die Grausamkeiten so hoch an, dass jeder Angst bekommt und jede Diskussion über Deine Entscheidung dadurch erlischt. Das wäre tatsächlich im Sinne von Machiavellis absolutistischer Herrschaftsauffassung.

 

Wer die Politik unserer Kanzlerin darin wiederfindet, ist selbst schuld. So etwas gibt es in unserer Demokratie ja nicht.

Der Machiavellismus unserer Tage hat aber noch ganz andere Aspekte, die auf den ersten Blick vollkommen neu und ungewohnt wirken.

Was Digitalisierung mit Machiavelli zu tun hat

Wie durch einen unbegreiflichen Zufall hat die Corona-Pandemie die, von der Kanzlerin immer wieder angemahnte, forcierte Digitalisierung unseres Alltages beflügelt.

Gleichzeitig gibt es eine Zensurwelle durch die großen Netzwerkbetreiber und Internetkonzerne, die wir so noch nicht hatten.

Die Forcierung der Elektromobilität geht mit zunehmend heftigen Diskussionen über mögliche Einschränkungen der individuellen Mobilität einher. Auch hier hatte die Kanzlerin schon erwähnt, dass sie zukünftig erwarte, dass der klassische Autofahrer nicht mehr selbst fahren dürfe, sondern von Systemen gesteuert werde.

Hier liegt allerdings die Macht nicht bei einem absoluten Herrscher, der das alles anordnet, sondern im System.

Die Macht hat sich gewissermaßen im System versteckt und diktiert Notwendigkeiten, die eigentlich Grausamkeiten sind. Oder wollen wir unseren Kindern tatsächlich die Sozialisation in der Schulgemeinschaft verweigern, um die Digitalisierung voranzutreiben?

Leider sieht es danach aus und die Grausamkeiten werden mit einem „da kann man nichts machen“ quittiert.

Die hohe globale Infektionsgefahr erzwingt das gerade

Wird sie es auch zukünftig erzwingen, weil an der Digitalisierung kein Weg vorbeigeht und wir vorne mitspielen wollen?

Windows 10 von Microsoft ist eigentlich schon ein alter Hut, aber eines ist trotzdem neu und das kann man nicht oft genug erwähnen. Dieses Betriebssystem kann man nicht mehr nutzen und gleichzeitig anonym bleiben. Dasselbe gilt für Google, Facebook, die meisten Browser und alle Smartphones dieser Erde.

Dafür gibt es auch gute Begründungen. Die automatische Wartung, den Schutz vor Hackerangriffen, die lückenlose Vernetzung, die Zuverlässigkeit, die diversen Nutzungsmöglichkeiten, die sich für die Kunden ergeben, und auch die Möglichkeiten der individualisierten Werbung, von der das ganze System lebt.

Schön und gut, aber eines vergessen wir immer.

Auch die systemimmanente Macht ist Macht. Sie folgt den Regeln, die Machiavelli als Erster ausführlich formuliert hat: „Tue Gutes und begehe Grausamkeiten mit Macht.“

Zensur und Kontrolle!

Dieses System nimmt uns unsere persönlichen Freiheiten scheibchenweise ab. Mit jedem Gerät, jeder neuen App bezahlen wir an der Kasse nicht nur mit Geld, sondern auch mit unserer Freiheit. Wenn wir mit Microsoft Teams und Office 365 arbeiten, können wir das nicht mehr anonym tun. Wir sind als Nutzer angemeldet und alle unsere Arbeitsleistungen, alle unsere geistigen Produkte laufen über die öffentlichen Knoten, notdürftig verschlüsselt, für Fachleute jederzeit abzugreifen und zu entschlüsseln.

Das System der Digitalisierung und eine digitale Elite bekommt so die Macht, alles, was wir tun, zu determinieren und determinieren heißt bestimmen. Sie tut Gutes und dann begeht sie Grausamkeiten.

Ein Beispiel?

Es gibt viele.

Google hat, damals gegen großen öffentlichen Widerstand, die Welt vermessen und fotografiert. Wir nennen das Google Maps und Google Earth. Wir können darüber inzwischen mitverfolgen, was unser übernächster Nachbar in seinem Garten gepflanzt hat, und ob er auf der straßenabgewandten Seite des Daches ein neues Fenster eingebaut hat. Wir können das System kostenlos nutzen und dafür bekommt Google alle unsere Daten.

Wir bekommen die Kontrolle über die Erde und Google bekommt die Kontrolle über uns

Der Konzern ist inzwischen in der Lage, mit ein paar Befehlen am Keyboard, ganze Unternehmen über Nacht vom Markt zu nehmen. Er kann unsere Existenzen auslöschen und definieren, was wir noch sagen dürfen und was nicht. Genau das tut Google mit seinen diversen Töchtern auch.

Merkel weiß das und in ihren Ankündigungen zur Digitalisierung, in welcher wir mithalten müssen (weil die Chinesen schon Vorsprung haben), klingt daher nie die Forderung nach Demokratie und Schutz der bürgerlichen Freiheiten an, und immer schürt sie Angst, dass wir global den Anschluss verlieren.

Sie arbeitet mit einer Mischung aus Beängstigung der Bevölkerung und Machtdemonstrationen für den guten Zweck. Die Grausamkeiten, die damit einhergehen, werden uns auch in Zukunft immer mehr einschüchtern.

Denn im Unterschied zu Machiavellis absolutistischem Herrscher haben wir es mit einer Macht zu tun, die sich im System eingenistet hat und dieses für sich nutzt.

Es ist gar nicht übertrieben, mit „Star Wars“ von der dunklen Seite der Macht zu sprechen. Ihr Einfluss reicht von Peking über Berlin bis Washington. Nirgendwo wird mehr Demokratie gefordert und mehr Freiheit, überall wird der Bevölkerung erklärt, dass sie zu viele Freiheiten hat und dass diese eingeschränkt werden müssen.

Die Pandemie ist nur ein Anlass, aber nicht die Ursache.

Wir sollten Machiavelli lesen!

Unsere Freiheit war noch nie so bedroht!

Währenddessen gibt es immer mehr autokratische Regierungen, die uns unsere Lust an der Freiheit nehmen wollen. Erdogan macht unsere Demokratie fast monatlich verächtlich und erreicht damit viele unserer Mitbürger. Putins Troll-Armeen geistern, für jeden „deutlich sichtbar“, der es sehen will, durch das Internet und bestreiten, dass wir überhaupt in einer Demokratie leben. Sie bestreiten, dass wir frei sind, sie bestreiten, dass unsere Regierungen Legitimität besitzen. Sie bestreiten alles, was uns von China, Russland und der Türkei, von den arabischen Diktaturen unterscheidet.

Eine permanente Gehirnwäsche in den Medien und Netzwerken, die sie zur Verfügung haben, in denen ihre Propagandisten zu uns vordringen können.

Unsere Medien versuchen sich in Gegenpropaganda und zensieren auf Teufel komm raus. Sie haben genau den falschen Weg gewählt um Demokratie und Meinungsfreiheit zu erhalten. Sie denken ebenfalls in den Kategorien des machiavellistischen Machtbegriffes.

Wie bekommt man Massen unter Kontrolle?

Stattdessen müssten sie darüber nachdenken, wie man Menschen unabhängig machen kann, sie so informieren kann, dass sie wirklich eigene Entscheidungen treffen, die nicht herbeimanipuliert sind.

Von dieser einfachen Grundüberlegung, diesem Gegenmittel gegen die Macht, sind unsere Medien meilenweit entfernt, gerade auch die öffentlich-rechtlichen Medien, die wir bezahlen.

Auch sie überlegen im Sinne Machiavellis, wie sie zu mehr Macht kommen können.

Ausweg Psychotherapie?

In der Psychotherapie hat sich in den letzten Jahrzehnten ein entscheidend wirksamer Ansatz gegen psychische Störungen durchgesetzt: Empowerment oder Ermächtigung. Das bedeutet, dass die Patienten wieder die Macht über ihr eigenes Leben übernehmen und unabhängig entscheiden lernen. Das hilft beispielsweise gegen Depression und Angsterkrankungen.

Die Leute selbst müssen die Macht über sich haben und nicht die, von denen sie geführt werden. Das ist wahrer Anti-Machiavellismus.

Gesellschaftlich treiben wir von solchen sinnvollen Ansätzen immer weiter ab in Richtung Manipulation und Gegenmanipulation wobei die Zahl der Grausamkeiten deutlich zunimmt.

Es sind ja die Guten, die das tun. Ganz im Sinne Machiavellis.

Nein, nein, bei Machiavelli gibt es keine Guten! Nur die Macht.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

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Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“.
Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.

Bild: 
Text: Gast
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