Spahn mogelt bei Inzidenzen… ...und findet völligen Ausschluss von Nicht-Geimpften und Nicht-Genesenen "ganz klugen Weg"

Sehen Sie hier die Bundespressekonferenz mit Spahn und Wieler in voller Länge. Die Regierungssprecher-PK von heute finden Sie hier.

Am Freitag habe ich hier darüber geschrieben, wie in Mecklenburg-Vorpommern mit Angaben zur Inzidenz die Menschen in die Irre geführt werden. Umso erstaunter war ich heute, als gerade eben Bundesgesundheitsminister Jens Spahn genau diese Irreführung wiederholte. Auf der Bundespressekonferenz sagte der Minister, Deutschland habe eine „Pandemie der Ungeimpften“, die Inzidenzen seien „10-, 12-, 14-mal so hoch bei den Ungeimpften wie bei den Geimpften“. Ich halte das für Bauernfängerei, weil Geimpfte aufgrund der geltenden 3G-Regeln kaum getestet werden, Ungeimpfte dagegen ständig — sie brauchen einen Test für alltägliche Dinge. Insofern ist ein Vergleich der Inzidenzen in meinen Augen nichts anderes als ein Hütchenspiel — wie mir auch ein Mediziner bestätigte.

Ich habe daraufhin auf der Bundespressekonferenz online folgende Frage gestellt: „Sie sagen, die Inzidenzen bei den Umgeimpften sind mehrmals so hoch wie bei Geimpften. Führen Sie die Öffentlichkeit damit nicht in die Irre, weil Geimpfte kaum geprüft werden und deshalb zwangsläufig die Inzidenz bei ihnen weitaus geringer ist?“ Die Antwort von RKI-Chef Lothar Wieler: „Fakt ist, dass nach wie vor im Vordergrund steht, dass solche Personen geimpft werden, die Krankheitssymptome haben, und es werden Personen geimpft… „ – Spahn unterbricht Wieler: „Getestet“ – „Entschuldigung, getestet werden, die Krankheitssymptome haben, das ist nach wie vor noch der wichtigste Indikator für die Testung, und es gibt natürlich verschiedene Testungen, wenn man beispielsweise eine Veranstaltung besucht, und im öffentlichen Raum ist, das heißt also, diese große Verzerrung, dahingehend, dass die bewusst nicht getestet würden, die findet nicht statt“. Spahn ergänzte: „An einer Stelle ist es unbestechlich, das ist die Intensivstation. Eine klarere Impfempfehlung geht kaum.“

Die Aussage von Wieler ist m. E. in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Mir erschließt sich nicht, dass mehr Menschen mit Krankheitssymptomen getestet werden sollen, als solche, die den Test für den Restaurantbesuch, das Fitness-Studio, den Flug, die Bahnfahrt etc. benötigen. Außerdem schließt es nur aus, dass eine „große Verzerrung“ dadurch herbeigeführt würde, dass Geimpfte „bewußt nicht getestet werden“. Nicht ausgeschlossen hat Wieler damit, dass es diese „große Verzerrung“ gibt – man könnte seine Worte sogar dahingehend interpretieren, dass er diese indirekt zugibt. Und auch Spahn rettete sich in das Thema Intensivstationen, ohne direkt auf meine Frage einzugehen – und auch seine Antwort könnte man als indirekte Bestätigung meines Vorwurfs werten. Für mich wirkte die Reaktion offen gestanden so, als sei da jemand bei – diplomatisch ausgedrückt – einem heftigen Widerspruch ertappt worden.

Ein Journalist fragte Spahn, ob es „einen Zusammenhang zwischen Impfquote in bestimmten Regionen und Wahlverhalten, besonders AfD, gibt“. Spahn antwortet, er wolle da keine Spekulationen. Schlägt dann aber doch den Bogen: Es gebe Verschwörungsideologien und -mythen, die dann wieder im Zusammenhang mit Partei-Präferenzen stünden.

Ein weiterer Journalist regte an, dass bestimmte Einrichtungen wie Pflegeheime die Impfquote veröffentlichen müssten. Die Frage wirkte für Spahn sehr willkommen. Er sagte, so eine Veröffentlichung könne sinnvoll sein. Und es sei schwer erklärbar, ja würde ihn wütend machen, wenn er ein Angehöriger wäre, und wüsste, dass sein Verwandter erkrankt, weil eine umgeimpfte Pflegekraft jemand angesteckt hat. Bei solchen Aussagen stellt sich für mich die Frage, ob man da nicht allmählich in den Bereich der Volksverhetzung kommt – vielleicht nicht im juristischen Sinne, aber doch in dem Sinne, dass hier der Minister massiv Hetze gegen Ungeimpfte betreibt. Umso erstaunlicher, dass er kurz darauf sagte: „Aufgrund der Krise gibt es viele Spannungen im Land und das Thema Impfungen führt zu weiteren Spannungen. Mir ist wichtig, dass daraus nicht Spaltungen werden.“ Das ist erstaunlich. Erst massiv Öl ins Feuer gießen und dann das Feuer beklagen und sagen, man dürfe es nicht anheizen. Für mich klingt das noch kognitiver Dissonanz. 

Ein anderer Journalist fragte den anwesenden Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland: „Warum nicht einfach im Einzelhandel 2G? Wer nicht geimpft ist, kann doch einfach bequem von Zuhause bestellen.“ Der Mann aus der Wirtschaft sagte, das sei nicht praktikabel. Erstaunlich, wie stark Journalisten die Regierung und die Wirtschaft zu mehr Einschränkungen auffordern, statt Einschränkungen kritisch zu hinterfragen.

Eine Journalistin bedauerte, dass es noch keine Impfstoffe für unter Zwölfjährige gebe, und fragte, warum die Entwicklung und Zulassung so lange dauere. Wieler antwortete wahrheitsgemäß, dass die Krankheitslast bei Kindern nicht so groß sei. Man könne aber nicht ausschließen, dass etwas geschehe. Bislang seien es aber nur Einzelfälle, in denen Kinder verstorben seien. Diese offene und ehrliche Aussage ist umso erstaunlicher, da derselbe Wieler in derselben Bundespressekonferenz wenige Minuten zuvor mit der Gesundheit von Kindern die Impfkampgange begründete: Mit dem Impfen betreibe man den „Schutz derjenigen, die sich nicht impfen lassen können, hohe Impfquoten schützen die Kinder mit und verhindern dort schwere Fälle“. Dass solche Fälle bei Kindern äußert selten sind, sagte er dabei noch nicht – erst später räumte er das auf die entsprechende Nachfrage ein. In meinen Augen eine Quadratur der Logik. Erstaunlich, dass sie so wenigen Menschen auffällt. Ein Impfstoff für Kinder sei im nächsten Jahr zu erwarten, so Wieler: „Wir müssen den Schutz der Kinder in den Vordergrund stellen!“

Eine Kollegin fragte: „Halten sie es für richtig, dass Beschäftigte keine Lohnfortzahlung mehr bekommen, wenn sie vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt werden, diese aber durch eine Impfung hätten vermeiden können?“ Spahn sagte, er könne das sehr gut nachvollziehen, da ja Steuerzahler die Lohnfortzahlung finanzieren müssten für jemanden, der sich hätte impfen lassen können.

KiK-Geschäftsführer Zahn

In seinem Einführungs-Statement sagte Spahn unter anderem, es fehlte an Gelegenheit zum Impfen an diversen Orten – etwa auch am Spielplatz. Das ist kein Verschreiben, es ist auch kein Scherz, der Minister hat das tatsächlich so gesagt. Auch schon vor der Bundespressekonferenz. Wie er sich Impfungen am Spielplatz vorstellt, bleibt wohl sein Geheimnis. Lange erklärte der Minister die geplante Impf-Aktions-Woche, die am kommenden Montag starten soll. Unterstützung bekommt die Regierung dabei von der Wirtschaft – auch schon auf der Bundespressekonferenz: Gemeinsam mit Spahn und RKI-Chef Lothar Wieler traten da auf: Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Deutschland (HDE) sowie Patrick Zahn, Geschäftsführer KiK Textilien und Non-Food GmbH. Wirtschaft und Politik arbeiten also beim Impfen Hand in Hand. Motto der Impf-Aktion der Wirtschaft: „Leben statt Lockdown, lass Dich Impfen.“ Der KiK-Chef klagte über den Einfluss der Impfgegner. 

Tilo Jung fragte: „Warum bietet KiK nicht zum Beispiel zehn Prozent Rabatt für Geimpfte an, wenn Sie es ernst meinen?“ Der KiK-Chef antwortete beflissen, es gebe bereits Geschenke für Geimpfte: „Wir haben ein wirtschaftliches Interesse, dass es eine hohe Impfquote gibt, aber wir haben auch ein ganz hohes persönliches Interesse.“

„Wir haben die Chance, uns raus aus der Pandemie zu impfen“, so Spahn. Dafür müsse man aber noch weitere Menschen überzeugen. „Nutzen Sie die Chance, lassen Sie sich impfen.“ Spahn sagte: „Deutschland wird seinem guten Ruf als Logistikweltmeister gerecht.“ Für mich klang das zunächst wie Ironie, weil die Impfkampagne ja in Deutschland sehr stockend losging und die Bundesrepublik zum Objekt für Spott in anderen Ländern wurde. 

„Ich werde häufig gefragt: Kommt wieder ein Lockdown?“, sagte Spahn. Das sei die falsche Frage: „Wir haben das Mittel in der Hand, uns wieder in die Normalität zu impfen.“ Dabei sei man auch schon ein ganzes Stück vorangekommen, so der Minister. Bei der Impfaktion nächste Woche soll es nun darum gehen, noch mehr Menschen zu überzeugen. 

Auf eine Journalistenfrage „Wie schnell soll es 2G geben?“ antwortete der Minister: „Es gibt Fälle, wo Veranstalter wie der 1. FC Köln oder Restaurants sagen, wir machen 2G, weil das nochmal mehr Schutz ist, und das ist auch okay.“ Er bezeichnete 2G auch als „ganz klugen Weg“. Damit macht er faktisch Reklame dafür, Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene von bestimmten Bereichen des sozialen Lebens völlig auszuschließen.

Arbeitgeber haben etwa an den Schulen das Recht, bei denjenigen, die mit Schülern arbeiten, nach dem Impfstatus zu fragen, sagte der Minister. Sie könnten dann Nicht-Geimpften entsprechende Auflagen machen oder organisatorische Schritte unternehmen. 

„Impfen ist eine persönliche, freie Entscheidung, und das soll es auch bleiben“, sagte Spahn. Ich fasse das als Hohn auf – da der Staat die Ungeimpften massiv unter Druck setzt, ja man fast von Erpressung zum Impfen durch den Staat sprechen könnte. Das Impfen sei „auch eine Entscheidung, die andere betrifft“, so Spahn: Sie entscheide, „wie sicher wir gemeinsam durch den Herbst und den Winter kommen“. Über 90 bis 95 Prozent der Covid-Patienten auf Intensivstationen seien ungeimpft. „Die Zahl der Ungeimpften ist noch zu groß, es drohe eine Belastung beziehungsweise Überlastung eine Gesundheitswesen“, warnt Spahn.

Das Risiko, dass Geimpfte wegen Covid-19 ins Krankenhaus müssen, sei zehn Mal geringer als bei Ungeimpften, sagte Spahn. RKI-Chef Wieler berichtete,  durch das Impfen seien 77.000 Krankenhausaufenthalte und 20.000 Fälle auf Intensivstationen sowie 28.000 Todesfälle und 700.000 Infektionsfälle verhindert worden. Wie genau er zu diesen Zahlen kommt, verriet er nicht. Er sagte: „Das ist ein großartiger Erfolg der Impfung. Wir schützen mit der Impfung auch andere, wir zeigen Solidarität.“

Wieler sagte, die Intensivbettenbelegung habe sich in den vergangenen Wochen fast verdoppelt. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Die vierte Welle kann im Herbst einen fulminanten Verlauf nehmen“, so Wieler. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten habe sich in den letzten beiden Wochen beinahe verdoppelt. Das liege daran, dass der Großteil der Betroffenen nicht geimpft sei. Er ruft auf: „Alle Menschen über 12 sollten sich impfen lassen.“ Aktuell sind laut DIVI 1.348 Patienten mit oder wegen Covid-19 auf Intensivstationen.

Spahn sagte, noch nie in der Menschheitsgeschichte sei eine Impfung so schnell vorhanden gewesen wie heute. Dass dies auch Fragen nach der Prüfung der Impfstoffe gerade im Hinblick auf Langzeitfolgen aufwirft, verschwieg Spahn. Bemerkenswert auch, wie Wieler die Ständige Impfkommission lobte – just nachdem diese bei der Frage der Impfung von 12- bis 18-Jährigen dem Druck der Politik nachgegeben hat und eine Empfehlung aussprach, nachdem sie diese vorher verweigert hatte.

Auf die Frage, was er für Pläne für die Zeit nach dem 26. September habe, antwortete Spahn ausweichend: Er gehe davon aus, dass die Pandemie auch am 26. September um 18 Uhr nicht zu Ende sein werde, und deshalb werde er „sich am 27. September wie gewohnt“ um seine „Arbeit als Bundesgesundheitsminister kümmern“. 

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Bild: Boris Reitschuster/Archiv
Text: br

 

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