Die Staatsanwaltschaft Mainz sieht keinen Grund, wegen des kaum verhohlenen Mordaufrufs von ZDF-Mitarbeiter Jan Böhmermann gegenüber „Nazis“ (siehe hier) zu ermitteln. In einem Schreiben an einen Leser, der Strafanzeige gegen den angeblichen „Komiker“ erstattet hatte, teilt die Behörde mit: „Nach dem vorgetragenen Sachverhalt ist kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten gegeben.“
Weiter schreibt die Staatsanwaltschaft: In der Sendung „ZDF Magazin Royale“ vom 16.02.2024 mit dem Titel „Die FPÖ und ihr Volkskanzler“ hatte der Angezeigte Böhmermann nach·einem parodistischen Musikvideo das Publikum mit den Worten „Liebe 3Sat-Zuschauer*innen, bitte nicht vergessen: Nicht immer die Nazikeule rausholen, sondern vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen“ verabschiedet. Verschiedene Anzeigenerstatterinnen und Anzeigenerstatter sehen in dieser Formulierung einen Aufruf zur Tötung von Politikerinnen und Politikern der AfD und der FPÖ. Der Begriff des ‚Keulens‘ beschreibe ein Töten von Nutztieren, um die Verbreitung von Tierseuchen zu verhindern oder einzudämmen. Vor diesem Hintergrund handele es sich bei der Aussage des Angezeigten Böhmermann um einen Aufruf zu Gewalttaten, der dem Straftatbestand des §111 StGB (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten) unterfalle. Teilweise wird überdies vorgetragen, der Straftatbestand des §130 StGB (Volksverhetzung) sei erfüllt, da mit der Äußerung zum Hass aufgestachelt wird.“
All das lässt die Staatsanwaltschaft, die gegenüber dem FDP-Landesjustizminister Herbert Mertin in Mainz weisungsgebunden ist, nicht gelten. Sie findet: Eine Strafbarkeit „gemäß § 111 scheidet jedenfalls an der fehlender Ernsthaftigkeit zur Aufforderung von Straftaten aus“.
Mit anderen Worten: Böhmermann habe den Aufruf nicht ernst gemeint. Dazu schreibt die Behörde: „Die Äußerung des Angezeigten Böhmermann kann daher nicht alleine mit Blick auf die Bedeutung des Wortes ‘Keulen‘ beurteilt werden. Sie ist vielmehr im Gesamtkontext des Inhalts der Sendung „ZDF Magazin Royale“ am 16.02.2024 zu sehen.“ Vor dem Hintergrund des „Inhalts der Sendung greift eine Interpretation der Aussage als ‚Mordaufruf‘ zu kurz“.
„Darüber hinaus ist auch der Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 StGB nicht erfüllt“, findet die Staatsanwaltschaft: „Ein tatbestandliches ‚Aufstacheln zum Hass‘ im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt einen besonders qualifizierten Eingriff im Sinne einer gesteigerten, von Feindseligkeit getragenen Einwirkung auf den unverzichtbaren Persönlichkeitskern der Betroffenen oder eine schwerwiegende Form der Missachtung, die durch ein besonderes Maß an Gehässigkeit und Rohheit oder eine besonders gehässige Ausdrucksweise geprägt wird, voraus. Diese erhebliche Grenze wird hier indes mit Blick auf den Umstand, dass es sich – wie bereits ausgeführt – um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung und gerade nicht um eine anlasslose, emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen eine Personengruppe handelte, nicht überschritten.“
Hier finden Sie das gesamte Schreiben der Staatsanwaltschaft:
Ich finde die Entscheidung beachtenswert. Sie besagt im Grunde nichts anderes, als dass man unter dem Deckmantel der Satire im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ungestraft zum „Keulen“, also Töten von Andersdenkenden aufrufen darf. Und dass solche Aufrufe auch nicht das erforderliche Maß an „Gehässigkeit und Rohheit“ beinhalten, um wenigstens als Volksverhetzung geahndet zu werden. Was muss dann noch geschehen, damit dieses „erforderliche Maß“ erfüllt ist? Aufrufe zum Steinigen oder Vierteilen?
Ob die Staatsanwaltschaft bzw. das ihr gegenüber weisungsgebundene Ministerium genauso reagiert hätte, wenn ein AfD-Politiker dazu aufgefordert hätte, Grüne zu keulen?
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