Trotz Kontakt zu Corona-Infizierten: Kanzler Scholz reist durch die Welt Empfohlene Corona-Maßnahmen gelten offenbar nicht für Spitzenpolitiker

Von Kai Rebmann

Der sogenannte „Mund-Nasen-Schutz“ ist in den vergangenen beiden Jahren wohl wie keine andere Corona-Maßnahme zum Symbol des Gehorsams gegenüber der staatlichen Obrigkeit geworden. „Bitte schützen Sie sich und andere“, so oder so ähnlich war und ist es immer noch aus dem Mund unserer Politiker zu hören. Auch nach dem Ende fast aller Maßnahmen werden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und seine Corona-Bande nicht müde, zu betonen, dass die zuvor verbindlich geltenden Regeln auf freiwilliger Basis und „in Eigenverantwortung“ weiter befolgt werden sollten. Das führt im Alltag zu so skurrilen Szenen, dass Menschen mit ihrem Hund Gassi gehen oder alleine im Auto sitzen und trotzdem stets eine Maske tragen. Die Politik und weite Teile der Medien haben es mit ihrem andauernden Alarmismus geschafft, auf internationaler Ebene den Begriff der „German Angst“ salonfähig zu machen, vielerorts schüttelt man im Ausland über das Verhalten deutscher Touristen nur noch den Kopf.

David
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Dabei wäre es für den deutschen Michel ein Leichtes, sich von seinen Angststörungen zu befreien, er müsste sich nur die Politiker zum Vorbild nehmen, die ihn seit zwei Jahren mit sinnbefreiten Maßnahmen und Empfehlungen gängeln. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, waren und sind es gerade die Corona-Hardliner wie etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die sich am wenigsten um die selbst aufgestellten Regeln scheren. Kaum hatte sich Söder im April 2022 mit Corona infiziert, wurde die eigentlich erst für Mai geplante Verkürzung der Quarantänezeit über Nacht vorgezogen.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wies bei dieser Gelegenheit aber ausdrücklich darauf hin, dass die Einhaltung der zuvor verpflichtenden Regelungen auch weiterhin „empfohlen“ wird. Dumm nur, dass sich Söder und Holetschek selbst nicht an diese Empfehlungen hielten. Söder war am Osterwochenende, unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Quarantäne, auf Volksfesten in Augsburg und Traunstein zu Gast, wo er jeweils ein Bad in der Menge nahm – selbstredend ohne Maske. Man will als Politiker ja ganz nah dran sein am Bürger. Ähnliche Bilder, die ihn beim Festakt „500 Jahre Fuggerei“ in Augsburg zeigen, veröffentlichte vor wenigen Wochen auch Holetschek auf Facebook. Man muss als Journalist nach Beweisen, die den Bruch der eigenen Regeln dokumentieren, also gar nicht mehr suchen, sie werden von den Politkern selbst geliefert.

Scholz hatte Kontakt zu Corona-Infizierten – und reist nach Davos und Stuttgart

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kehrte Mitte vergangener Woche von einer Afrika-Reise zurück. Unmittelbar danach wurden mehrere Mitglieder der Scholz-Delegation positiv auf Corona getestet. Eine Isolation für Kontaktpersonen ist zwar nicht mehr vorgeschrieben, vom RKI wird sie aber nach wie vor „dringend empfohlen“. Was Olaf Scholz über die Empfehlungen denkt, an die sich möglichst alle Bundesbürger halten sollen, machte der Kanzler mit seiner Reise zum Weltwirtschaftsforum in Davos (Schweiz) und nach Stuttgart zum Katholikentag deutlich. Manche sind eben doch gleicher als andere.

Das gilt selbstverständlich auch für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD). Unvergessen bleiben Steinmeiers wiederholte Diffamierungen der Teilnehmer von Demonstrationen gegen die ausufernden Corona-Maßnahmen, die sich in Sätzen wie diesem niederschlugen: „Die Verantwortungslosigkeit einiger Weniger ist ein Risiko für alle.“ Nur wenige Wochen nach dieser Aussage entstand am 22. Juli 2021 ein Foto, das Steinmeier während seines Südtirol-Urlaubs zeigt, wie er dicht an dicht mit mehreren Personen steht. Zu diesem Zeitpunkt galt in Südtirol ein Mindestabstand von einem Meter. Selbst die regierungstreuen Faktenchecker von Correctiv mussten einräumen, dass es sich bei diesem Foto um eine authentische Aufnahme handelt, vergaßen jedoch nicht zu betonen, dass sich Steinmeier ja entschuldigt habe.

In den Tagen nach der Bundestagswahl stellten sich die Mitglieder der neuen SPD-Fraktion zu einem inzwischen schon legendär gewordenen „Klassenfoto“ im Paul-Löbe-Haus auf. Bis auf eine einzige Ausnahme (Sie ahnen schon, um wen es sich dabei gehandelt haben könnte), trug niemand einen „Mund-Nasen-Schutz“, obwohl dort zu diesem Zeitpunkt eine strenge Maskenpflicht galt. Für Verstöße stand ein Bußgeld in Höhe von jeweils bis zu 5.000 Euro im Raum. Bei mehr als 200 SPD-Abgeordneten wäre da ein hübsches Sümmchen für die Staatskasse zusammengekommen. Auf eine Anzeige wurde jedoch verzichtet, da es sich nach Ansicht des damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) nur um einen „geringfügigen Verstoß“ gehandelt habe. Bei Sandra Maischberger war dagegen von einem „Superspreader-Event“ die Rede. Etwa zur selben Zeit wurden in Deutschland hunderttausende Kinder eingeschult. Auf das erste gemeinsame Klassenfoto, das eigentlich in keinem Familienalbum fehlen sollte, mussten die ABC-Schützen damals auf Geheiß aus Berlin jedoch verzichten.

Es geht auch anders

Während ranghohe Spitzenpolitiker beim Ignorieren von verpflichtend vorgeschriebenen oder lediglich „empfohlenen“ Corona-Maßnahmen ganz offensichtlich Narrenfreiheit genießen, zeigen einige Beispiele, dass es im „besten Deutschland aller Zeiten“ auch ganz anders geht. In Hessen wurde der AfD-Politiker und Landtagsabgeordnete Gerhard Schenk wegen eines im Mai 2021 begangenen Verstoßes gegen die Maskenpflicht im Frühjahr 2022 zu einem Bußgeld in Höhe von 200 Euro verurteilt. Schenk hatte ein Frühstück im Freien veranstaltet und dabei, entgegen den damals geltenden Regeln, keine Maske getragen. Vor allem hatte Schenk aber wohl das falsche Parteibuch. Der Amtsanwalt hatte sogar den doppelten Satz gefordert, da er Schenk als „Rädelsführer“ des Frühstücks ausgemacht haben wollte.

Wie pedantisch bei der Ahndung von tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Verstößen gegen die jeweils gültige Corona-Verordnung vorgegangen werden kann, wenn es sich um ein „kleines Licht“ handelt, zeigt der folgende Fall aus Hamburg, der in den vergangenen Wochen für einige mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat. Eine 87-jährige Rentnerin, die im Rollstuhl sitzt und an Demenz erkrankt ist, musste während ihres Einkaufs in einer Bäckerei dringend auf die Toilette. Da der 86-jährige Ehemann der Seniorin in der Eile aber vergessen hatte, das Kontaktformular korrekt auszufüllen, erließ ein zufällig anwesender Mitarbeiter des Ordnungsamtes zwei Bußgeldbescheide in Höhe von jeweils 187,50 Euro gegen das hochbetagte Paar. Auch wenn der Ehemann vom Amtsgericht freigesprochen und das Verfahren gegen die Ehefrau „wegen ihres Gesundheitszustandes“ eingestellt wurde, hinterlassen solche Berichte einen faden Beigeschmack.

Aber es gibt ja bekanntlich nichts Schlechtes, dem nicht auch etwas Gutes innewohnen würde. Die von unseren Politikern zur Schau gestellte Doppelmoral im Umgang mit Corona-Maßnahmen sollte dazu führen, dass sich das Volk nicht mehr länger für dumm verkaufen lässt. Auch wenn Corona im Juni 2022 für Millionen von Deutschen kaum mehr eine wahrnehmbare Rolle spielt, lassen die Zeugen Coronas um Karl Lauterbach keine Gelegenheit ungenutzt, um vor neuen Gefahren zu warnen, die das Virus im Herbst ganz sicher mit sich bringen wird. Man wird gespannt sein dürfen, ob es sich auch dann wieder um äußerst selektive Virusvarianten handeln wird, die bezüglich ihrer Infektiosität und Gefährlichkeit ganz offensichtlich zwischen ranghohen Politikern und dem gemeinen Pöbel zu unterscheiden wissen.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock
Text: kr

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