Von Mario Martin
Prof. Dr. Karl Lauterbach ist ein Phänomen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Talkshowgast ist Lauterbach noch Gesundheitsminister und Wissenschaftler. Dazu betreibt Lauterbach einen der größten Twitter-Accounts Deutschlands, auch wenn vermutlich nicht alle der 882.000 Abonnenten echt sind. Den Account verwaltet Lauterbach nach eigenen Angaben ausschließlich selbst.
Twitterkönig Lauterbach
Und dort postet Lauterbach immer wieder Studien, die den von ihm bevorzugten politischen Kurs mit den nötigen wissenschaftlichen Fakten untermauern sollen. Lauterbachs Lieblinge sind der Epidemiologe Dr. Eric-Feigl Ding und der Kardiologe Dr. Eric Topol. Die beiden US-amerikanischen Wissenschaftler warnen mindestens genauso gern vor Katastrophen, wie es Lauterbach selbst tut. Wie auch Lauterbach dreht sich bei ihnen oft alles um die Inzidenz.
Wegen seiner vielen Termine bleibt Lauterbach für das Stillen seines wissenschaftlichen Durstes oftmals nur die Nacht. Daher schläft Lauterbach nach eigenen Angaben zu wenig. Nachts werden Studien gewälzt. Dabei trinkt Lauterbach gern Wein und Kaffee.
Nun ist Lauterbach allerdings ein Fehler unterlaufen. In einem kürzlich veröffentlichten Tweet zitiert Lauterbach einen anderen Account, der eine Studie gepostet hat.
Nicht nur ist die zitierte Studie noch ein sogenanntes Preprint, also noch nicht wissenschaftlich validiert (was für politische Entscheidungen doch wünschenswert wäre); die Studie lässt auch keinen logischen Schluss auf das von Lauterbach Gesagte zu.
Lauterbach möchte mit dem Tweet untermauern, eine verkürzte Zeitspanne für den Genesenenstatus sei die korrekte Entscheidung.
Dazu zitiert er einen Tweet, der behauptet, die Immunität nach Omikron-Durchbruchsinfektion wäre gering, bedingt durch den geringeren Schweregrad der Infektion. Somit wäre die Idee der Herstellung einer Herdenimmunität durch Omikron-Durchseuchung abwegig.
Lauterbach schließt sich der Einschätzung des in schlechtem Deutsch verfassten Ausgangs-Tweets an, um zu folgern:
Das hört niemand gerne, ist aber so. Die Studie unterstützt die Analyse des RKI, dass 3 Mon nach Genesung bei leichter Omicron Infektion von der Immunität nicht viel übrig bleibt. https://t.co/HzZSidWby0
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) February 4, 2022
Lauterbachs Versäumnis
Hier lässt Lauterbach die sich für einen Gesundheitsminister gebührende Sorgfalt vermissen. Scheinbar hat er nur den ursprünglichen Tweet gelesen, hatte in dieser Nacht aber keine Zeit, um die Studie auch zu prüfen. Dabei heißt es schon in der Überschrift der Studie: “Neutralisierende Immunität bei Impfstoff-Durchbruchsinfektionen mit den SARS-CoV-2 Omicron und Delta”.
Die Reduzierung des Genesenenstatus anhand einer Studie zu begründen, die ausschließlich geimpfte Menschen untersucht, ist irrational. Ebenso müssten ungeimpfte genesene Personen einbezogen werden, um belastbare Ergebnisse zu erhalten.
Die Studie belegt allerdings, dass die Antikörper bei schwer Erkrankten stärker vorhanden sind als bei Menschen, die nur eine leichte Infektion durchmachen mussten.
Da die Impfung nun mal vor schweren Verläufen schützt, sind es aber genau die relativ schweren Verläufe der Ungeimpften, die laut der Studie höhere Level an Antikörpern erzeugen.
Neutralisierende gegen schützende Antikörper
Dazu missachtet die Lauterbachsche Einschätzung den Umstand, dass der Körper nach Infektion und Impfung verschiedene Antikörper bildet, die wiederum unterschiedlich gut gegen eine Infektion bzw. Reinfektion helfen. Die natürlich gebildeten Antikörper schützen anders, da sie an dem Ort vorliegen, wo die Infektion entsteht. Nämlich auf den Schleimhäuten des Mund-Nasen-Rachenraumes.
Auf diesen Umstand wurde Prof. Dr. Lauterbach dann auch unter seinem Tweet hingewiesen:
Karl vielleicht mal den Unterschied zwischen neutralisierenden und schützenden Antikörpern lernen. Dann nachschlagen, was T-Zellen sind und vielleicht mal schauen, wieviele Genesene überhaupt schwer erkrankten.Ich weiß, du hast gerade die Zeit deines Lebens,aber es ist vorbei. pic.twitter.com/5QmktiXoAR
— EDDY (@Eddy_Bernayz) February 4, 2022
Lauterbachs Modell: Angst
Aber Lauterbach lässt nicht locker. Und er legt gleich die nächste Preprint-Studie als Begründung für den verkürzten Genesenenstatus nach. Diesmal zitiert er eine Person, die eine Studie zitiert, die beweisen soll, dass der Schutz durch die Omikron-Infektion kurzlebig ist. Dann warnt er in unvergleichlicher Manier vor der Gefährlichkeit der Infektion. So eindringlich warnt nur ein Lauterbach.
Es ist wichtig, Omicron nicht zu unterschätzen. Studien legen nahe, dass man sich relativ kurz nach der Infektion wieder anstecken kann. Ein langer Schutz wie bei Delta ist weniger wahrscheinlich. Wiederholte Infektionen sind nicht ungefährlich. https://t.co/vJwvuV4vYa
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) February 5, 2022
Allerdings lässt auch die Kritik auf diesen Tweet nicht lange auf sich warten. Twitter ist für Lauterbach kein Heimspiel mehr. Sockpuppet-Likes sind eben keine spitzfindigen Kommentare, die das eigene Modell bloßstellen.
„Long Lauterbach“ ist das eigentliche Volksleiden der Deutschen.
— Grantler (@oida_grantler) February 5, 2022
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.
Bild: Juergen Nowak / Shutterstock.comText: mm