Überfall auf die Ukraine bei „Talk im Hangar-7“ „Krieg geht nicht. Schluss. Punkt. Aus. Amen.“

Von Alexander Wallasch

Putin führt Krieg gegen die Ukraine. Darüber wird am Donnerstagabend bei Talk im Hanger-7 bei Servus TV aus Salzburg diskutiert. Und schon von der Gästeauswahl her verspricht diese Sendung noch einmal ein echtes Highlight zu werden – jedenfalls im Vergleich zu Talkshows im deutschen Zwangsgebührenfernsehen.

Im Exil beim österreichischen Privatsender des Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz durften die beiden „Shootingstars“ der alternativen deutschen Medien gleichzeitig in einer Talkrunde ein Thema besprechen. Eingeladen waren nämlich Roland Tichy (Tichys Einblick) und Boris Reitschuster (Reitschuster.de).

Boris Reitschuster kennt Putin persönlich. Er war lange sechzehn Jahre für den Focus in Moskau und berichtete für das Magazin gewissermaßen aus dem Rachen des Bären.

Reitschuster hat den Deutschen daheim mit seinen Bestsellern Russland nähergebracht und ihnen erzählt, wie Putin tickt. Roland Tichy ist der Wirtschaftsfachmann, er kann der Runde erklären, was der Krieg in der Ukraine wirtschaftlich für diese Länder, für Europa und für die Welt bedeutet.

Weitere Gäste beim – das darf vorab verraten werden – exzellent agierenden Moderator Michael Fleischhacker sind die Wiener Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik, die mit ihrem Wissen um China einen weiteren interessanten Scheinwerfer auf das Geschehen in der Ukraine lenken kann.

Ebenfalls mit in der Runde – platziert zwischen der Flugzeug- und Rennwagen-Sammlung des Getränke-Milliardärs – sitzt der österreichische Historiker Andreas Mölzer, der mit einem gewissen Verständnis für Putin eingeladen war, sowie der adlige Unternehmer Gregor Razumovsky, der sehr gute Kontakte in die Ukraine aber auch nach Russland vorweisen kann.

Andreas Mölzer gesteht gleich zu Beginn ein, mit dem Angriff Russlands nicht gerechnet zu haben, er hätte noch vor wenigen Tagen bessere Argumente im Sinne des Kremls gehabt: „Das zu verteidigen, das zu rechtfertigen, fällt mir also wirklich schwer“, sagt er mit Blick auf den Einmarsch in die Ukraine.

Fleischhacker hat also schon von Beginn an eine wichtige Position in der Runde verloren und bittet Mölzer deshalb darum, wenigstens jene Argumente zu hören, welche dieser vor einer Invasion ins Feld geführt hätte.

Mölzer – er war lange Jahre EU-Parlamentarier – verweist auf eine gewisse Legitimität einer Großmachtpolitik und ein bestimmtes Schutzmachtgefühl der russischen Regierung für etwa zwanzig Millionen Russen, die im angrenzenden Ausland leben würden. Der Historiker betont aber, dass er diesen Angriff Russland auf die Ukraine in der Runde in keiner Weise verteidigen möchte.

Für Andreas Mölzer waren Macron und Scholz als mächtigste Repräsentanten der EU auf Friedensmission in Moskau leider als „Kasperl“ unterwegs. Roland Tichy nimmt den „Kasperl“ direkt auf und überträgt ihn auf den Zustand der Bundeswehr, die hätten wahrscheinlich „nicht einmal den Diesel, um bis in die Ukraine zu kommen“.

Finanzieren Deutsche den Ukraine-Überfall?

Und weil es so schön war, bezeichnet der Journalist die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in ihrem Job als „völlige Pflaume“. Ihre Vorgängerin Kramp-Karrenbauer hätte den Job nur des Geldes wegen gemacht, weil sie als CDU-Vorsitzende abgelöst wurde. An deren Vorgängerin Ursula von der Leyen wiederum erinnert sich Tichy nur deshalb, weil diese Panzer schwangerengerecht umgebaut hätte: „Die Vorstellung, dass wir Schwangere in Panzern auf Russen loslassen, das ist ja nicht einmal Cabaret“, so Tichy.

Deutschland finanziere den Krieg in der Ukraine, so Roland Tichy, weil wir Gas kaufen würden in Höhe des russischen Verteidigungshaushalts. Deutsches Geld fließe so in die Kriegsmaschine von Putin. Aber kann man das nicht auch jedem anderen Land vorwerfen, das mit Russland im Geschäft ist?

„Wir Deutschen finanzieren Putins Überfall auf die Ukraine“, schlussfolgert Tichy. Allerdings sind intakte Handelsbeziehungen auch wesentlicher Baustein bilateraler Beziehungen, also des Friedens – ein Drahtseilakt.

„Wir finanzieren den Überfall“, wiederholt Tichy noch einmal. Erstaunlich dazu heute früh eine Meldung bei Tichys Einblick. Facebook nämlich hätte den vielgelesenen Account von Roland Tichy gesperrt, „um unseren Lesern die kritische Berichterstattung über Putins Krieg vorzuenthalten“. Aber ist Facebook jetzt im Verbund mit den Russen?

Gregor Razumovsky, der einem alten ukrainischen Hochadel entstammt, erzählt von der großen Enttäuschung der Ukrainer von Europa. Die Enttäuschung wäre schon vor dem Einmarsch der Russen groß gewesen. Razumovsky warnt davor, dass sich die Ukraine zukünftig andere Partner suchen kann, man hätte längst beste Verhältnisse zur Türkei und in den Nahen Osten aufgebaut.

Boris Reitschuster fühlt sich als halber Russe und als Ukrainer. Er hat Freunde in beiden Ländern. Gerade noch hätte er mit Odessa telefoniert, mit verängstigten Menschen, die von russischen Bomben erzählen. Der Russlandkenner erzählt: „Ich musste heute heulen, das bewegt mich unglaublich.“

Reitschuster fragt fast empört, warum denn niemand über die Sicherheitsinteressen der Ukrainer reden würde. Das Land hätte als erstes Land der Welt auf seine Atomwaffen verzichtet. Im Gegenzug gab es das Angebot Russlands, die territoriale Integrität der Ukraine zu sichern.

Sind fehlende Waffenlieferungen 'unterlassene Hilfeleistung'?

Dass Deutschland keine Waffen an die Ukraine geliefert und Estland sogar daran gehindert hätte, grenzt für Reitschuster an „unterlassene Hilfeleistung“. Deutschland hätte die Ukraine alleine gelassen, so der erfolgreiche Gründer eines alternativen Mediums.

Frau Weigelin-Schwiedrzik verweist darauf, dass sich Putin eigentlich die Amerikaner als Gesprächspartner gewünscht hätte, Macron und Scholz wären da von Anfang an im Hintertreffen gewesen. Weigelin-Schwiedrzik sieht dem gegenüber aber noch keine echte Allianz zwischen China und Russland.

Boris Reitschuster ist der Meinung, dass die Sanktionen gegen Russland im Vorfeld des Überfalls nicht hart genug waren. Putin wäre wohl zu dem Schluss gekommen: „Da kann ja überhaupt nicht passieren.“ Der Journalist kritisiert scharf, dass der amerikanische Präsident ausdrücklich militärische Aktionen ausschließt, „aber das sagt man doch nicht, das ist doch Teil des Pokerspiels“, da fehle die Kunst eines Ronald Reagans. Putin hätte wohl verstanden: „So günstig kriege ich die Ukraine nie wieder.“

Roland Tichy widerspricht, Sanktionen würden nichts bringen. Russland wäre kaum verschuldet, es könne Schulden aufnehmen. Und weiter: Merkel hätte Putin den Weg in den Westen gepflastert mit deutschen Steuergeldern. Tichys große Merkelkritik aus den Jahren nach der Zuwanderung spiegelt sich hier wider. Zuvor hatte er auch schon Friedrich Merz abgewatscht, der hatte sich einst geweigert, eine Auszeichnung von Tichy anzunehmen.

Reitschuster und Tichy sind sich weitestgehend einig, dass Russland nicht im selben Maße auf das Geschäft mit dem Gas angewiesen ist wie Deutschland, Reitschuster hatte es im Gespräch mit der russischen Führung sogar bestätigt bekommen, erzählt er. Nun hatte Tichy allerdings eingangs angemahnt, Deutschland finanziere den Überfall. Ein Widerspruch?

Die beiden deutschen Gründer der neuen Alternativen Medien dominieren hier tatsächlich die Runde. Und beide Blogmacher haben sich mit ihrer Haltung zu Putin einem Teil ihrer Leser gegenüber in einer Gegenposition wiedergefunden.

Historiker Andreas Mölzer hofft, dass dieser „Superblitzkrieg“ in drei Tagen vorbei ist, damit wenigstens das große Blutvergießen ausbleibt. Und er glaubt, der Nato-Beitritt des Baltikums sei segensreich für diese Länder gewesen, was Tichy wiederum „verharmlosend“ findet.

Verharmlosung allerdings ist ein Pfeil im Köcher, den man insbesondere als Deutscher nicht zu schnell ausspielen sollte. Entsprechend harsch die Reaktion von Mölzer – der alte Talkshow-Hase in Tichy hatte wohl gespürt, dass das Einvernehmen in der Runde für den Moment wenig unterhaltend war.

Wäre die Ukraine unter Trump nicht im Krieg?

Reitschuster sähe Putin gerne an einen Lügendetektor angeschlossen, dann würde man mit Erschrecken feststellen, dass der Präsident tatsächlich glaubt, die Nato könnte Russland angreifen, was der Journalist aber für ausgeschlossen hält. Das wäre ein irrationales Moment, welches der Westen an Putin unterschätzen würde.

Roland Tichy vergleicht Putin mit Hilter: Der sei nicht nur irre, auf der Handelsebene wäre Hitler sogar sehr rational gewesen.

Reitschuster glaubt, dass es diesen Angriff der Russen auf die Ukraine mit einem Donald Trump auf der Weltbühne wohl nicht gegeben hätte, „Trump war ein bisschen wie Putin, der konnte auf den Tisch hauen, da wusste man, was kommt. Und ich glaube, Putin hat Trump geachtet, der wusste, der ist stark.“

Weigelin-Schwiedrzik bittet die Herren in der Runde zwischendurch – „einen Moment meine Herren“ –, ihre verbalen Kriegsspielchen mal etwas runterzufahren, womit sie sich prompt einen Angriff von Tichy einfängt, der es sich verbietet, hier als Kriegstreiber dargestellt zu werden: „Ich finde es eine Zumutung, mir zu unterstellen, ich würde die Ukraine bombardieren wollen.“ Huch, da sind die Zuschauer, die in der späten Stunde schon weggepennt waren, gleich wieder hochgeschreckt.

Roland Tichy ergänzt, dass wir in Zukunft leider ein „paar hässliche Dinge“ machen müssten. So müsste die Bundeswehr die Technik neu lernen, wie man eine Waffe abfeuert. Ihm wäre es in den letzten Tagen erst aufgefallen, wie viele Putin-Versteher es in Deutschland gibt.

Nein, es sollen die Linken und die Sozis sein, die Putin verehren, dazu würden Schröder, Merkel und andere gehören. Aber auch die Grünen, die es einfach nicht „raffen“ würden. Aber vor allem seien auch „sehr viele normale Menschen abhandengekommen, die bisher für das westliche System standen“.

Und da findet Tichy den Bogen zum eigenen Leser wieder, der immer sofort als Nazi beschimpft werden würde, wenn er beispielsweise etwas gegen Einwanderung oder Genderismus sagen würde. Immer mehr Leute würden sagen: „Das ist nicht mehr mein Staat.“

Schon die Spaltungspolitik unter Merkel hätte die inneren Bindungskräfte der Gesellschaft erodieren lassen, trauert Roland Tichy zu Recht. Aber wäre die Haltung zu Russland wirklich eine andere, wenn der Deutsche immer nur weiter in so einer Bonner Demokratieblase gelebt hätte?

Eine Mitschuld der USA unterm Teppich belassen

Was hier in dieser Runde ganz deutlich zu kurz gekommen ist, ist die Rolle der Vereinigten Staaten hin zum Krieg in der Ukraine. Und das ist leider auch die größte Schwäche einer ansonsten spannenden wie unterhaltenden Sendung auf Servus TV mit einem glänzenden Moderator Fleischhacker.

Die USA haben sich in der jüngeren Geschichte schwer blutbefleckt und ganze Völker in tiefes Elend gestellt – von Indochina bis Südamerika und in jüngerer Zeit rüber zu hunderttausenden toten Kindern, Müttern, Frauen und Alten in ihren Kriegen im Nahen Osten, im Irak und in Afghanistan.

Dieser blutrote Elefant steht auch mitten im Hangar-7. Jeder sieht ihn, aber der Bär mit dem frisch blutverschmierten Maul soll es nun gewesen sein, der hatte aber sein eigenes Opfer gefunden.

Boris Reitschuster hat das letzte Wort, angesprochen auf die Gefahr eines Überfalls Russlands auf das Baltikum: „Ich würde nach diesem Tag nichts mehr ausschließen. Ich finde es ganz wichtig, dass wir aufhören uns selbst anzulügen.“ Vielen würde aktuell der Schneid fehlen, eine eher Putin-freundliche Haltung zu revidieren.

Er kann es nur schwer ertragen, dass hier massiv Stimmung betrieben wird in Deutschland, teilweise würde eins zu eins Putins Propaganda weitergegeben. Für Reitschuster ist das fast schon Komplizenschaft: „Krieg geht nicht. Schluss. Punkt. Aus. Amen.“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: Screenshot ServusTV Talk im Hangar 7, 24.02.2020
Text: wal

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