Von Sönke Paulsen
Ein hochgerüstetes Volk von 23 Millionen Chinesen auf Taiwan lässt sich nicht mit der Krim vergleichen. Im Angriffsfall könnte Taiwan 2,5 Millionen Soldaten aktivieren, denn dort besteht die allgemeine Wehrpflicht für Männer ab achtzehn Jahren. Man sollte sich jedoch nicht täuschen. China hat inzwischen die militärischen Mittel, in einem Blitzangriff die Hauptinsel einzunehmen oder wahlweise das Land mit einer Salamitaktik, mit immer neuen Überfällen auf die Inselgruppe, zu zermürben.
So viel ist sicher: Die Volksrepublik China will die Wiedervereinigung mit der Republik China, der sie diplomatisch gesehen längst den Rang abgelaufen hat. Es wäre, wie auf der Krim, eine gewaltsame Wiedervereinigung, denn die Taiwanesen wollen frei bleiben und sich nicht dem Druck aus China beugen, wie die Präsidentin Tsai Ing-wen gerade betonte.
Allerdings gibt es kein einziges Militärbündnis, auch nicht mit den USA, das Taiwan effektiv schützt. Die Partnerschaft mit Washington bezieht sich in erster Linie auf Waffenlieferungen gegen viel Geld, welches das hochentwickelte Industrieland für seine Sicherheit aufbringt. Dennoch beträgt der Verteidigungsetat des Landes weniger als ein Zehntel der Militärausgaben Pekings. Taiwan ist ohne Zweifel eine bedrohte Demokratie. Xi Jinping kann es sich offensichtlich leisten, schwerste Drohungen und Provokationen in Richtung Taipeh zu schicken und den Luftraum des Landes permanent zu verletzen. Die Weltgemeinschaft hält den Mund.
“A silenced world, controlled by Beijing?” So wünschen es sich die chinesischen Kommunisten und so bekommen sie es derzeit. Auch von der EU.
Das dürfte uns alle in eine schwierige Zukunft führen. Denn China ist dabei, sogar Länder in Mittelamerika und Südamerika unter Druck zu setzten, ihre Beziehungen zu Taiwan abzubrechen. Das funktioniert vor allem über Kredite chinesischer Banken.
Wenn Mächte zukünftig so agieren können wie die Volksrepublik China, bekommen wir ein schweres, globales Problem mit der Demokratie. 1,4 Milliarden Chinesen sind eine Hausnummer, die das drittgrößte Land der Erde nicht gerade harmloser erscheinen lassen. Der wachsende chinesische Autoritarismus und immer schärfer vorgetragene imperiale Ansprüche können schlecht ignoriert werden. Taiwan könnte zu einem Prestigeprojekt der chinesischen KP werden und zugleich zu einem Präzedenzfall, wie weit Peking mit seinen Annexionsgelüsten gehen kann.
Es hilft da wenig, wenn wir in der EU die Strategie Merkels, in Peking kleinlaut aufzutreten, weiter verfolgen. Wir müssen den Machthabern in Peking, die eben nicht demokratisch gewählt sind und keine demokratischen Ziele verfolgen, wie sich auch in Hongkong gezeigt hat, deutlich machen, dass sie hier mit ihren Vorstellungen weder erwünscht sind, noch toleriert werden. Notfalls müssen wir in Europa auf die chinesische Wirtschaftsmacht, die hier viel aufkauft und noch mehr aufkaufen will, verzichten. Die deutsche Industriepolitik in China wird bald nicht mehr funktionieren, wenn wir nicht zu einem Büttel der Kommunisten in Peking werden wollen.
Das könnte schmerzhaft werden und ebenso alternativlos. Es gibt zu viele Regionen, nicht nur in Asien, die China sich einverleiben möchte. Sein Seidenstraßenprojekt reicht geografisch bis in das Kernland der EU. Kasachstan, das auf dieser Strecke liegt, wird schon kräftig manipuliert und unter Druck gesetzt, man könnte sogar sagen, dass die Republik von den Chinesen infiltriert wird.
Wir können nicht einfach weiter reden. Die Volksrepublik China muss isoliert werden – und zwar in erster Linie wirtschaftlich! Denn das Land bezieht seine unverschämte Stärke aus der Unterstützung der Weltgemeinschaft.
Das muss aufhören!
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: Paul McKinnon/ShutterstockText: Gast