Wie uns die Medien in Sachen Wahlrechtsreform hinter die Fichte führen Manipulation durch Schwerpunkt-Setzung. Und „Talking Points“?

Eigentlich sollte man sich über nichts mehr wundern in Deutschland. Und doch passiert es einem immer wieder. Wie der Spiegel seine Leser für dumm verkauft, ist einfach faszinierend. Karlsruhe winkte eine Wahlrechtsreform durch, nach der gewählte Direktmandate künftig keine Garantie mehr haben, auch in den Bundestag einzuziehen (siehe hier meinen Text dazu). Das macht die Abgeordneten noch abhängiger von ihren Partei-Oberen, ist eine Ohrfeige für die Wähler und eine Pervertierung der Demokratie. Und wie verkauft das Hamburger Magazin das? Voilà:

„Tatsächlich ändert sich durch das neue Wahlrecht für den Wähler selbst eigentlich nichts.“

Wie dann weiter unten die neue Verhöhnung demokratischer Grundsätze verharmlost wird, ist verblüffend – und kann in die Propaganda-Lehrbücher aufgenommen werden:

„Gewinnt eine Partei in einem Land mehr Wahlkreise, als ihr Sitze über Zweitstimmen zustehen, ziehen nur die Kandidaten mit den besten prozentualen Ergebnissen in ihren Wahlkreisen ein. Wer als Wahlkreissieger nicht dazu gehört, kommt auf eine Warteliste und kann in den Bundestag einziehen, wenn ein anderer Abgeordneter seiner Partei ausscheidet. Das klingt inkonsequenter, als es ist, darauf weist das Urteil ausdrücklich hin: Auch bisher hatte nicht jeder Wahlkreis einen Vertreter im Bundestag; schied ein direkt gewählter Abgeordneter aus, rückte ein Listenkandidat derselben Partei nach, der nicht aus demselben Wahlkreis kommen musste. Damit hat das Gericht die eigentliche Wahlrechtsreform bestätigt.“

Damit steht der Spiegel nicht alleine.

Ähnlich verharmlosend berichtet auch das gebührenfinanzierte „ZDFheute“ – und versteckt den Skandal im Kleingedruckten: „Der Bundestag wird kleiner. Mit der Reform der Ampel wird die Größe des Bundestags auf 630 festgeschrieben – und zwar über das Instrument der sogenannten Zweitstimmendeckung. Demnach ziehen Wahlkreiskandidaten nicht mehr automatisch in den Bundestag, wenn sie die Mehrheit der Erststimmen gewinnen, sondern nur dann, wenn ihre Partei über die Zweitstimme ein ausreichendes Sitzkontingent erhält. Es ist also möglich, dass Kandidaten trotz Sieg im Wahlkreis nicht ins Parlament kommen“.

Ich habe keinen einzigen Bericht in einem großen Medium gefunden, bei dem der in meinen Augen schockierendste Aspekt des ganzen Urteils – die Aufhebung der Grundlogik der Demokratie, dass ein Sieg in einem Wahlkreis auch zu einem Direkteinzug ins Parlament führen muss, das Hauptthema ist.

Die Berichterstattung konzentrierte sich stattdessen eher auf die allgemeinen Auswirkungen der Reform und die politischen Reaktionen darauf. Das Ganze ist ein Hütchenspiel: Formal wurde das Thema Direktmandate erwähnt, schlichte Gemüter können deshalb beschwichtigen: wurde doch nicht verschwiegen. Ja, aber im Kleingedruckten versteckt und heruntergespielt. Und das ist heute der große Bruder der Lüge.

Die Causa zeigt, wie die Medien Themen ganz nach ihrer Agenda herunterspielen und verharmlosen. Besonders gespenstisch ist, dass dies querbeet passiert, wie im Gleichschritt, von unsichtbarer Hand synchronisiert. Geradezu so, als würde irgendjemand „Talking Points“ verteilen – also vorgefertigte Argumente und Aussagen beziehungsweise Schwerpunkt-Setzungen, die dann von Redaktionen übernommen werden. Auch bei anderen Themen fällt die Synchronität auf, die teilweise bis in die Wortwahl reicht – etwa, wenn es um dem US-Wahlkampf geht.

Statt als Kontrolleure der Mächtigen agieren die meisten – nicht alle – großen Medien als deren brave Büttel. Und verraten diejenigen, deren Interessen sie eigentlich wahren sollten: ihre Leser und Zuschauer.

Das liegt nicht nur an ihrer ideologischen Verblendung. Sondern auch an einem Konstruktionsfehler: Solange die Politik etwa den öffentlich-rechtlichen Anstalten ihren Platz an der Sonne durch Zwangsgebühren garantiert, sind die Mitarbeiter dort nicht ihren Zuschauern gegenüber verpflichtet – sondern eben den Politikern. Weil auch die Zeitungsverlage zunehmend Leser verlieren und immer mehr auf Staatsgeld schielen – auch in Form von Werbeanzeigen der Regierung – ist dort dasselbe Phänomen zu beobachten.

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