Winterstarre und Koma-Saufen Geschichten zum Schmunzeln – Mein Krisen-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Ich möchte Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà:

Sie glauben, einen Winterschlaf gibt es nur im Tierreich? Weit gefehlt! Seit 2005 fällt auch Russland alle Jahre wieder in eine Art Winterstarre, die böse Zungen auch als Alkohol-Koma bezeichnen. Auslöser des winterlichen Schlummers ist nicht etwa die eisige Kälte in Russland, sondern ein neues Gesetz, das kein Geringerer als Wladimir Putin unterschrieb. Er erklärte die ersten neun Tage eines jeden neuen Jahres zu Feiertagen – auf dass seine Untertanen sich auf das Kräftigste erholen können (auch wenn die besagten bösen Zungen dagegenhalten, es sei Putin im Wesentlichen um die Oberen Zehntausend im Lande gegangen, die ihren Neujahrsurlaub in den Alpen jetzt endlich ohne Erklärungsnot oder falsche Krankheitsatteste antreten können).

Wie für die Deutschen Heiligabend ist für die Russen Neujahr das wichtigste Fest im Jahr. Das orthodoxe Weihnachten am 7. Januar ist nach 70 Jahren Kommunismus eher eine Fußnote im neuntägigen Feiertagsmarathon. Vom 1. bis 9. Januar geht kaum noch etwas in Russland: Die wichtigsten Läden und Geschäfte sind zwar geöffnet, doch ansonsten wirkt das Land wie im Schlummer, das Arbeitsleben steht still, statt der ewigen Staus bieten Moskaus Straßen gähnende Leere, und in der Metro kann man selbst zur Stoßzeit die Ellenbogen frei bewegen. Wer es sich leisten kann – laut Umfragen drei Prozent der Russen – verbringt die „Neujahrsferien“ irgendwo im Süden beim Skifahren oder in Äquatornähe beim Sonnenbaden.

Zwei Wochen Langeweile

Zurück bleiben die weniger Betuchten – und mit ihnen auch eine Vielzahl von Problemen. „Wie in einem U-Boot müssen sie die Feiertage verbringen – in einer engen Wohnung mit ihren Verwandten und Freunden, vor denen sie nirgendwo hin weglaufen können. Die Menschen sind gezwungen zu fast zwei Wochen Langeweile ohne Arbeit, sie kommen um vor Nichtstun und lenken sich ab durch Streit und Skandal mit ihrer besseren Hälfte“, klagt die Internet-Zeitung newsru.com. Nicht ganz zu Unrecht: In jeder dritten russischen Familie führen die neun arbeitsfreien Tage zu ernsthaften Konflikten und Ehekrisen, wie die Moskauer Zeitung „Nowye Iswestija“ unter Berufung auf die Standesämter berichtet. Jeder fünfte Neujahrs-Krach führe gar zur Scheidung.

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Dabei wäre es ungerecht, die ganze Schuld auf die Neujahrsferien zu führen: Seinen Lauf nimmt das Unheil nach Ansicht von Fachleuten schon bei den obligatorischen Neujahrsfeiern in den Betrieben. „Die Menschen freuen sich, noch eine Etappe ihres Lebens erfolgreich überstanden zu haben. Das gibt ihnen Kraft und Energie, die sich nicht selten im Sexuellen entlädt, vor allem bei der Jugend“, glaubt der Medizin-Professor und Sexologe Alexander Polejew.

 Neben Untreue bringen demnach auch deplatzierte Neujahrs-Geschenke den ehelichen Frieden ins Wanken. Vor allem Frauen erwarten demzufolge oft das ganz besondere Etwas unter dem Neujahrsbaum – und sind dann bitter enttäuscht, wenn Väterchen Frost alias Ehegatte dort nur ein 08/15-Geschenk deponiert hat. Männern indes sind die Geschenke ihrer besseren Hälfte oft zu üppig – wie die Moskauer Hausfrau Jekaterina Tschischowa erfahren musste, als sie ihrem Gatten einen teuren MP3-Spieler bescherte – der statt Freude nur Schreck über das entstandene Loch im Familien-Budget empfand. Der entsetzte Aufschrei „Wie konntest Du nur unser sauer verdientes Geld ausgeben für so etwas“ habe schon den Anfang vom Ende vieler Ehen bedeutet, berichtet die Psychologin Tatjana Kurepina.

Pizzamesser statt Ring

Gefährlich sind auch allzu nützliche Geschenke. Nach zwei Jahren in wilder Ehe erwartete etwa die Studentin Olga Lobasowa von ihrem Auserwählten ein romantisches Präsent bis hin zum Ehering. Stattdessen gab es zur Bescherung ein Pizzamesser – mit dem Hinweis, dass alle ihre Messer zu Hause unscharf seien. Obwohl er für das Geschenk viel Geld ausgegeben hatte und er nur das Beste wollte, wie der Auserwählte beteuerte, blieb er nicht mehr lange derselbe – Olga gab ihm den Laufpass.

Noch mehr als falsche Geschenke und Untreue fürchten die meisten russischen Frauen an Neujahr indes eine andere Gefahr für das Familienleben: den Alkohol. Die Versuchung beginnt damit, dass Hochprozentiges zu den traditionellen Geschenken gehört. Für viele Russen ist das der Auftakt zu einer mehrtägigen Sauforgie: „Wenn einem Freunde einen besonders edlen Tropfen verehren, gilt es als Sünde, den nicht zu probieren. Und man hat ja viele freie Tage, das heißt, man kann den Rausch in Ruhe ausschlafen“, erklärt Wjatscheslaw Morosow, Leiter des Zentrums „Nüchternheit und Familie“, die Motive für das Koma-Saufen: „Im Januar und Anfang Februar kommen dreimal so viele Patienten zu uns wie im Rest des Jahres.“

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Die ‚Bescherung‘ komme oft ausgerechnet zum orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Januar“, berichten die Ärzte: Nach sechs bis sieben Tagen am Alkohol-Tropf wird der Trinker nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich für seine Umgebung. Eine sogenannte „Alkohol-Psychose“ tritt ein – mit Halluzinationen, Verhaltensstörungen und Angstattacken. Die traurige Folge: viele im Rausch begangene Straftaten – bis hin zu Todesfällen.

Blutend im Keller

Übermäßige Liebe zum Alkohol ist nach einer Studie des Allrussischen Meinungsforschungszentrums Ursache für 51 Prozent der Scheidungen. Wie bei Ludmila und Dmitrij Konowalow. Die beiden ließen sich kurz nach Neujahr 2007 scheiden: Ludmila musste die Silvesternacht im Keller ihres Mietshauses verbringen. Kurz vor dem Jahreswechsel war Dmitrij so betrunken, dass er seine Frau mit der Faust ins Gesicht und in den Bauch schlug. Danach schnitt er sie mit einem Messer in die Brust und ins Gesicht. Als Ludmila wieder zu Bewusstsein kam, lag sie im Keller. Sie blutete stark, konnte aber nicht gehen und Hilfe suchen, weil die Kellertür zugesperrt war. Die Rettung kam ausgerechnet von der Schwiegermutter: Ihr Sohn hatte ihr offenbart, dass er seine Frau mit dem Messer attackiert und danach in den Keller gesperrt hatte.

Manche Russinnen greifen angesichts solcher Not zu riskanten Methoden, um ihre Gatten an Neujahr nüchtern zu halten. Vergangenes Jahr mischten einige Frauen in Jekaterinburg im Ural in die Gläser ihrer Männer eine Tinktur zur Entlausung und zur Heilung von Verdauungsbeschwerden von Hornvieh. Das Mittel führt auch in geringen Dosen zu Brechreiz, schon ein Teelöffel lässt den Blutdruck lebensgefährlich stark fallen. Die zehn betroffenen Männer blieben denn auch in der Tat nüchtern – mussten Neujahr aber im Krankenhaus feiern, wo die Ärzte ihnen mit viel Mühe und Glück das Leben retteten.

Nach dem wirklich unangenehmen „Job“ mit dem Lauterbach-Interview bin ich Ihnen für ein Schmerzensgeld besonders dankbar – und verspreche dafür, auch beim nächstem Mal wieder in den sauren Apfel zu beißen und wachsam an dem gefährlichen Minister dran zu bleiben! Aktuell ist (wieder) eine Unterstützung via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Bild: Tequiero/Shutterstocvk

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