Viele Zuschriften meiner Leser bewegen mich sehr. Deswegen veröffentliche ich immer wieder Beispiele und Auszüge – zuletzt eine ganze Sammlung, die mich nach meiner Sperrung durch Paypal erreichte. Ein Brief war dabei, der eine so interessante Analyse unserer heutigen Lage enthält, dass ich mir sagte: Den musst du unbedingt veröffentlichen. Der Absender war einverstanden – bat aber um Anonymität, da er als Wissenschaftler in exponierter Position tätig ist. Voilà:
Es geht mir wie Ihnen – ich weiß nicht was aus dem Land geworden ist, in dem ich mal zur Schule gegangen bin und dort mehrfach gelernt habe, dass eine freie Gesellschaft auf der unbedingten Gewaltenteilung beruht.
Dass Machteliten immer versuchen werden, ihre Macht auszubauen, immer versuchen, die Grenzen des Gesetzes zu ihren Gunsten zu verschieben, immer versuchen, die Instrumente der Unabhängigkeit zu lähmen – das sollte uns nicht verwundern. Weil das so ist, auch in gefestigten Demokratien, hatten wir gelernt, dass Machteliten durch starke institutionelle Grenzen eingehegt werden müssen, um ihren Machtdrang zu verhindern. Institutionen wie wirklich freien Journalismus (wozu natürlich auch gehört, sich davon eine wirtschaftlich nachhaltige Basis zu ermöglichen), wirklich unahbängige Gerichte, wirklich unabhängige Zentralbanken und wirklich freie politische Wahlen.
Was wir jetzt erlebt haben, ist dass diese Institutionen nicht viel wert sind, wenn sie nicht von der Zivilgesellschaft ausdrücklich verteidigt werden. Unsere Zivilgesellschaft – ich würde sogar sagen, genau unsere Generation – hat versagt, die Unabhängigkeit dieser Institutionen im gesellschaftlichen Diskurs zu verteidigen, sie von den Machteliten entschieden einzufordern – und jetzt sind sie weg, diese Unabhängigkeiten. Zu wenige hat es gejuckt als das Verfassungsgericht von einem Merkellakai besetzt wurde – und zu wenige hören zu wenn Ex-Verfassungsgerichtspräsident Papier entsetzt ist über den Zustand unserer Gerichtsbarkeit. Zuviele haben die Botschaft von Immanuel Kant vergessen: Sapere Aude.
Damit sind nun Machthabern aller Couleur die Schneisen freigeschlagen, ihre jeweiligen Machtutopien mehr oder minder gewaltsam umsetzen zu wollen. Wir werden also hin- und herpendeln von einem autoritären Psychopathen zum nächsten, einer schlimmer als der andere.
Kann man so leben? Ja. Südamerika macht es uns seit Jahrzehnten vor wie man in solchen autoritären und unsicheren Gesellschaften leben kann. Aber wirklich frei ist man nicht, wenn der Staat nur kompetent darin ist hohe Steuern zu verlangen und Wohlstand zu verhindern, sodass man sich hinter meterhohen Stacheldrahtzäunen verschanzen muss um halbwegs sicher zu sein, und nur teuerste private Schulen und private Krankenhäuser besuchen kann wenn man wirklich gebildet und behandelt sein möchte.
Wie Sie auch, habe ich mit Entsetzen verfolgt, wie unsere Gesellschaft sich durch corona-bedingte Massenhysterie die grundgesetzlichen Freiheiten hat nehmen lassen. Es ist auch ein Irrglaube dass diese Freiheiten von alleine wieder zurückkommen. Dieses Grundgesetz funktionierte wie die Jungfräulichkeit: Einmal verletzt, ist sie nicht wieder herzustellen. Das Grundgesetz hat ja keine magischen Kräfte. Es beruhte lediglich auf dem gesellschaftlichen Konsens, dass es unantastbar ist. Dass es doch antastbar ist, hat diesen Konsens leider für immer zerstört. Ab jetzt ist die Gewährung von Grundrechtsfreiheiten nur noch eine Frage der behördlichen Verordnung, nicht einmal mehr das Parlament muss gefragt werden. D.h., es gibt das Grundgesetz nicht mehr, es ist nur noch eine Erinnerung an vergangene Zeiten.
Aber noch entsetzer war ich dann, als ich mich unter denjenigen, die diesem Corona-Irrsinn trotzten, dann bei lauter Putinfreunden wiederfand. Das zeigte, dass auch viele, die wegen Corona zweifelten, keine wirklichen Freiheitsverfechter waren, sondern sich lediglich Autorität von einem anderen, nämlich Putins Lager wünschten.
Wie Sie – hoffe ich – dass es noch ausreichend große aber stille Reserven an freiheitsorientierter Zivilgesellschaftlichkeit gibt in Deutschland, auf denen wir eine freiheitliche Zukunft wieder aufbauen können, wenn die Utopisten gescheitert sind. Bis dahin wird noch viel kaputtgehen – desto wichtiger ist es aber weiterhin konstant zu bezeugen und zu dokumentieren was alles passiert ist. Das ist meine Hoffnung und Bitte an Sie, dass Sie mit Ihrem kritischen Journalismus ein Zeuge dieser zunehmend düsteren Zeit bleiben. Bitte sorgen Sie dafür, dass alles was Sie schreiben und veröffentlichen, auch für später erhalten bleibt.
Ich kämpfe an anderer Front, als Wissenschaftler für eine gesunde und nachhaltige Ernährungslage der Weltbevölkerung. Die Bedrohung durch die Utopisten ist in diesem Bereich noch schlimmer als die Zerstörung unserer Energie- und Mobiltiätsinfrastruktur, und die Zerstörung unseres monetären und juristischen Systems.
Auch wenn unsere Scholle zu schmelzen scheint, wir dürfen nicht aufgeben für die Freiheit einzustehen.
In einem zweiten Brief schreibt der Leser:
Wir glauben, dass Moskau und Peking eine Gefahr für die Menschlichkeit sind. Das sind sie auch. Aber die noch größere Gefahr sind die Utopisten unserer westlichen Demokratien die eine unvorstellbare Verwüstung anrichten, zu der weder Moskau noch Peking in der Lage sind. Unsere Utopisten sind so gefährlich weil sie einen größeren Hebel in der Hand haben. Es ist deswegen auch nicht verwunderlich warum der Rest der Welt sich vom Westen abwendet. Lieber einen schwachen Machthaber aus dem Osten akzeptieren, als unter mächtigen Utopisten aus dem Westen zu leiden.
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Text: br