Von Kai Rebmann
Wolfgang Kubicki wird von seinen Kritikern gerne dem Lager der Impfgegner zugeschrieben. Zu oft und zu deutlich hat einer der letzten FDP-Politiker, denen man ihre liberale Einstellung noch abnimmt, in den vergangenen zwei Jahren für die Freiheit zur individuellen Impfentscheidung geworben. Was dabei oft und gerne übersehen wird: Wolfgang Kubicki hat sich eigenem Bekunden zufolge selbst viermal impfen lassen, und zwar aus Überzeugung. Für viele ist es anscheinend ein offener Widerspruch, dass jemand sich aus freien Stücken für die Impfung entscheidet, sich aber gleichzeitig dafür einsetzt, dass daraus kein allgemeiner Zwang für andere resultieren darf.
Im Rahmen ihrer Serie „Corona-Debatte“ ließen die Kollegen der „Berliner Zeitung“ den Bundestags- und FDP-Vize jetzt einen Kommentar verfassen. Wolfgang Kubicki fordert darin eine umfassende Aufarbeitung der zurückliegenden Corona-Jahre und begrenzt diese nicht nur auf juristische und/oder politische Aspekte. Am wichtigsten scheint ihm die Beleuchtung der fragwürdigen Rolle zu sein, die ein Großteil der deutschen Medienlandschaft dabei gespielt hat. Denn klar ist: Ohne als Steigbügelhalter der Bundesregierung fungierende und an Hofberichterstatter erinnernde Journalisten wären ganz wesentliche Teile der strikten Corona-Maßnahmen in dieser Form kaum durchsetzbar gewesen. Zumindest nicht in einem Land wie Deutschland, das vor aller Welt Augen gerne die Muster-Demokratie mimt.
Wolfgang Kubicki illustriert den gekonnt gespielten Doppelpass zwischen Medien und Politik an einem Beispiel aus der Anfangszeit der zur „Pandemie“ erklärten Corona-Krise. Damals, im Frühjahr 2020, war noch die Große Koalition unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Amt. „Die regelmäßigen journalistischen Hintergrundgespräche von Regierungssprecher Steffen Seibert an den Tagen vor den unsäglichen Bund-Länder-Runden waren dazu da, eine öffentliche Stimmung zu erzeugen, die die politische Linie Angela Merkels stützte. Journalisten machten sich damit offenbar zu Verkündern des Regierungsnarrativs und gaben ihre demokratische Aufgabe und ihre journalistische Selbstachtung an der Garderobe des Bundespresseamtes ab.“ Viele Medienvertreter hätten sich darüber hinaus irgendwann nur noch darauf beschränkt, eine „coronapolitische Erzählung“ zu verteidigen, auf die sie sich einmal festgelegt haben, anstatt der Wahrheit weiter auf die Spur zu gehen. Der langjährige Bundestagsabgeordnete bezeichnete diese Verstrickungen als „beispielloses Versagen“, das dringend aufgearbeitet werden müsse.
Welche Rolle spielte das RKI?
Klartext redet Wolfgang Kubicki auch in Richtung des Robert Koch-Instituts und dessen Leiter Lothar Wieler, ohne diesen namentlich zu erwähnen. Dem Institut, das dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt ist, bescheinigt der FDP-Vize nicht weniger als „Unfähigkeit“. Diese Behörde werde von vielen zwar als „sakrosankt“ angesehen, sei aber bis heute nicht in der Lage, bei Hospitalisierungen zwischen „an“ und „mit“ Corona zu unterscheiden. „Wenn entweder Dilettantismus oder Methode in der miesen Kommunikation des RKI steckt, dann haben wir besonders in der Pandemie ein institutionelles Problem“, will Kubicki aber auch nicht ausschließen, dass es politisch schlicht nicht gewollt war und ist, die entsprechenden Daten zu erheben.
Und tatsächlich spielte das RKI in den Corona-Jahren eine denkbar unglückliche Rolle, um es vorsichtig zu formulieren. Unangenehme Wahrheiten, die Argumente gegen die Impfung oder die allgemeine Corona-Politik der Regierung hätten liefern können, wurden entweder verschwiegen oder allenfalls im Kleingedruckten erwähnt. Ohne dieses Wort selbst in den Mund zu nehmen bzw. auf Papier zu bringen, deutet Kubicki eine Form der „Gesinnungs-Wissenschaft“ an, mit der nicht nur das RKI viel Vertrauen in der Bevölkerung verspielt hat. Der FDP-Vize schreibt dazu: „Schon im April 2020 habe ich darauf hingewiesen, dass das RKI möglicherweise politisch motivierte Zahlen für die Corona-Politik der Bundesregierung bereitstelle.“ Kubicki nennt als Beispiel seine damalige Nachfrage im Gesundheitsministerium zu „merkwürdig ansteigenden Zahlen“ im Vorfeld der ominösen Bund-Länder-Runden, die im Übrigen zu keinem Zeitpunkt irgendeine verfassungsrechtliche Legitimation besaßen. Aus der Antwort habe sich dann ergeben, dass mit doppelten Aufrundungen ein R-Wert „erzielt“ wurde, so Kubicki, mit dem sich härtere Eingriffe in die Grundrechte rechtfertigen ließen.
Kubicki räumt auch eigene Fehler ein
Nun könnte der Verdacht naheliegen, der Jurist gefalle sich in der Rolle des Besserwissers besonders gut. Doch davon ist Wolfgang Kubicki weit entfernt. Der Liberale hat sich nachweislich seit Beginn der Impfkampagne für eine freie Impfentscheidung eingesetzt, oder zumindest fast von Anfang an. Denn Kubicki ist auch in der Lage, eigene Fehler zuzugeben und frühere Positionen zu ändern. So etwa in Bezug auf die sektorale Impfpflicht. Auch er habe zunächst die Auffassung vertreten, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht wegen eines vermeintlich relevanten Fremdschutzes „politisch gerade noch vertretbar“ gewesen sei. Diese Einschätzung bezeichnet er heute als Fehler.
Seinen Sinneswandel erklärt Kubicki insbesondere mit der zunehmenden Zahl von Berichten über Impfdurchbrüche sowie den „schlimmen Mogeleien“ einiger Bundesländer bei den offiziellen Hospitalisierungszahlen zulasten der Ungeimpften. Allen voran Bayern und Hamburg haben versucht, sich auf diese Weise ihre Zahlen schönzurechnen. Anders als noch beim RKI ging es dabei aber nicht mehr „nur“ um fachliche Inkompetenz, sondern darum, aus der Corona-Krise eine „Pandemie der Ungeimpften“ zu machen. Und so empfindet es auch Kubicki als Hohn, dass immer wieder beteuert worden sei, bei der Bewältigung der Pandemie gehe es um die „Beachtung der Wissenschaft“. Stattdessen ist sich der FDP-Vize sicher: „In der Rückschau zeigt sich immer mehr, dass viele, die meinten, im gerechten Zorn auf Menschen zeigen zu können, eher von selbstgerechter Wut getrieben waren.“
Am Ende seines Kommentars zeigt sich Kubicki davon überzeugt, dass eine Demokratie davon lebe, dass es klare Verantwortlichkeiten gebe, die ebenso klar zu benennen seien. Daher erachtet er die parlamentarische Aufarbeitung dieser „Mega-Krise“ als notwendig, um die Achtung vor unserer verfassungsmäßigen Ordnung wieder herzustellen. Dazu brauche es „mindestens eine Enquete-Kommission“, die sich dieses Themas mit der gebotenen Ruhe und Tiefe annehme. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Wunden unterschätzt werden, die durch die politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre aufgerissen worden sind.
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