Von Alexander Wallasch
Besser spät als nie? Könnte man wohlwollend denken, wenn man sich Äußerungen von Wolfgang Kubicki (FDP) zum Pandemiemanagement in den letzten Wochen genauer anschaut. Allerdings sind die Verletzungen bei vielen Corona-Maßnahmenkritikern mittlerweile so schwerwiegend, dass es auch für den Vize-Bundestagspräsidenten an der Zeit wäre, hier einmal eine Entschuldigung zu äußern.
Warum? Weil hier der Mut und das ungebrochene Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie deutlich größer war als beim FDP-Politiker. Nicht zu vergessen: Wolfgang Kubickis Partei hat die Ampel ermöglicht, in welcher der Spalter Karl Lauterbach wie selbstverständlich seinen Platz gefunden hat neben weiteren Pandemietreibern.
Bevor es also daran geht, sich auf die Seite der Kritiker zu schlagen, würde es auch einem Wolfgang Kubicki gut zu Gesicht stehen, diesen Menschen gegenüber anzuerkennen, was ihnen vom politisch-medialen Komplex widerfahren ist, in dem auch Kubicki seine Rolle spielt, und welchen Diffamierungen diese Leute seit Jahren ausgesetzt waren und noch sind.
Nichtsdestotrotz soll gewürdigt werden, was der FDP-Vize hier neuerdings für scharfe Töne anschlägt – auch in Richtung seines Parteichefs im Amt des Finanzministers. Christian Lindner ist selbstzufrieden in seinem tiefen Sessel in der Berliner Wilhelmstraße versunken, nichts mehr von ihm zu hören, die Grünen haben die Regierung übernommen und sich im geliebten Corona-Regime eingerichtet.
Wolfgang Kubicki hat sich in dieser Zeit unentbehrlich gemacht. Wo die Motivation für sein plötzliches Aufbegehren gegen die eigenen Reihen herrührt, bleibt teilweise im Dunkeln. Aber seine anhaltend scharfe Kritik der Corona-Maßnahmen hat Gewicht. An ihr richten sich viele auf, die in den letzten zwei Jahren als Schwurbler, Leugner oder gar Nazis beleidigt wurden mit dem Ziel, diese Menschen mundtot zu machen.
Am gestrigen Mittwoch schrieb Wolfgang Kubicki via Facebook:
Es war immer das verfassungsrechtlich begründete Ziel der Corona-Maßnahmen, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Es ist schon aus rechtlichen Erwägungen mindestens zweifelhaft, zu einem Zeitpunkt, an dem dieser Überlastungszustand offensichtlich nicht mehr droht, das politische Ziel plötzlich zu ändern. Wer die Begründung für massive Grundrechtseinschränkungen nach eigenem Gutdünken einfach zu ändern meint, der muss sich die Frage stellen lassen, ob er keinen Normalzustand, sondern einen langanhaltenden Notstand will. Spätestens nach dem Omikron-Höhepunkt, der in der kommenden Woche erwartet wird, muss nicht nur über Lockerungen gesprochen werden, sondern über eine Rücknahme der Maßnahmen überhaupt. Denn eine verfassungsrechtlich tragfähige Basis für Grundrechtseinschränkungen gibt es spätestens jetzt nicht mehr. WK
Und heute früh legte der liberale Rechtsanwalt noch einmal nach:
Es ist nämlich mit Händen zu greifen, dass sich das ‚Team Vorsicht‘ so sehr in die Möglichkeit des politischen Alleinverfügungsmodus verliebt hat – der die Grundrechte zuteilen möchte und deshalb über allen rechtlichen Dingen schwebt –, dass die Überlegung der Beendigung sämtlicher pandemiepolitischen Einschränkungen dort mittlerweile zu einer undenkbaren Frivolität geworden ist.
Bei aller Kubicki-Kritik zu Beginn dieses Artikels soll auf einen Hoffnungsschimmer hingewiesen werden: Möglicherweise nämlich wirkt die Kehrtwende von Kubicki schon bis tief hinein in die Ampelregierung und in die Union, welche ursprünglich unter Angela Merkel das Corona-Regime installiert hatte. Aus diesen Kreisen nämlich kommt jetzt der Vorwurf, der Bundesgesundheitsminister sei ein „Angstminister“. Kubickis Haltung gewinnt also auch in den etablierten Kreisen Zuspruch.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“
Bild: shutterstock
Text: wal
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