Ein Gastbeitrag von Manfred Schwarz
Wieder machten in Hamburg am Samstag tausende Menschen ihrem Ärger wegen der staatlichen Corona-Maßnahmen Luft. Auf sogar zwei Demonstrationen protestierten Corona-Maßnahmenkritiker und Gegner der allgemeinen Impfpflicht.
Eine Demo mit mehreren hundert Protestlern bewegte sich auf einem Rundkurs durch den Ortsteil Barmbek. Ein weitaus größerer Protestzug – mit wohl bis zu 8.000 Menschen – zog über Kilometer mitten durch die City: von der Hamburger Straße bis zum Hauptbahnhof (St. Georg) und von dort über den Steindamm zurück zum Ernst-Deutsch-Theater.
Die Demos standen unter den Mottos: „Solidarisch aus der Corona-Krise“ und „Gegen Ausgrenzung, Spaltung und Zwang“. Viele der Demonstranten trugen Schilder und Plakate. Da standen zum Beispiel die Slogans zu lesen: „Nein zur Impfpflicht“ oder „Mein Risiko – mein Körper – meine Entscheidung“.
Barmbeker Rundkurs
Auf dem Barmbeker Rundkurs gab es auch eine Gegendemonstration – allerdings mit nur rund 50, zumeist prononciert links positionierten Menschen. Über die berichtete der NDR freilich ziemlich ausführlich.
Dass aus diesen Reihen auch verbotswidrig einzelne Feuerwerkskörper auf die friedlichen Corona-Demonstranten geworfen wurden, verschwieg der ARD-Sender.
Dafür zitierte der öffentlich-rechtliche Sender die „Barmbeker Initiative gegen Rechts“. Die habe kritisiert, „dass die Gegnerinnen und Gegner der Corona-Politik sich nicht eindeutig von mitlaufenden Rechten und Faschisten distanzierten“. „Wer mit Nazis marschiert, hat wirklich nichts kapiert“, habe ein Linken-Sprecher gesagt.
Dass in Wirklichkeit Sprecher auf den Lautsprecher-Wagen aus den Reihen der eigentlichen Corona-Demo unmissverständlich immer wieder gerufen haben „Nazis raus!“, fiel beim NDR ebenfalls ganz einfach unter den Tisch.
„Rechte“ und „Faschisten“ wurden nicht gesehen
Auch auf der Haupt-Demonstration in der City vermochten Beobachter keine Personen auszumachen, die man als Rechtsextreme oder gar als Faschisten hätte bezeichnen können. Im Gegenteil: Auf der Innenstadt-Demo trugen Demonstranten sogar antifaschistische Fahnen, auf denen das Hakenkreuz-Emblem demonstrativ durchgestrichen war.
Hier riefen Sprecher auf größeren Transportfahrzeugen per Mikro immer wieder: „Wir sind das Volk!“ Sehr häufig hieß es laut und deutlich, dass man „friedlich“ sei und dem „gesunden Menschenverstand“ folgen wolle. Und schier endlos wurde skandiert: „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung!“
Und immer wieder forderten Ordner mit Megaphonen dazu auf, die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten und Masken zu tragen. Daran wurde sich auch durchweg gehalten. Die Demonstranten bewegten sich in vielen einzelnen, deutlich voneinander getrennten Blöcken.
Nur in krassen Ausnahmefällen haben Bereitschaftspolizisten die Papiere einzelner Personen kontrolliert, die anscheinend in eher auffälliger Weise ohne Maske aufgetreten waren. Festgenommen und abtransportiert wurde allem Anschein nach aber niemand.
Auf einige Medien ist kein Verlass
Dass die Bild-Zeitung (Hamburg-Ausgabe), die sich sonst meist bemüht, am Puls der Zeit zu sein, und die taz-Nord bis zum späten Samstagabend auf jeden Nachrichtenartikel über die Groß-Demos verzichteten, verdeutlicht, dass die Medien des Mainstreams diese Corona-Protestaktionen am liebsten totschweigen wollen.
Die Hamburger Morgenpost brachte das Kunststück fertig, zwar über die Barmbeker Demonstration zu berichten, die viel wichtigere City-Demo aber zu verschweigen.
Nur das Hamburger Abendblatt und die Welt (Hamburger Ausgabe) brachten bald Nachrichtenartikel, die sich größtenteils am realen Demonstrationsgeschehen orientierten. Ob die Aussage des Abendblatts stimmt, in der City-Demo habe es eine Gruppe von 50 „Rechten“ gegeben, lässt sich nicht überprüfen.
Wahr ist natürlich, dass die Organisatoren von Demonstrationen – welcher Art auch immer – es flächendeckend nicht verhindern können, dass sich unter die Demonstranten auch solche Personen mischen, die man gar nicht haben will.
Jung und Alt
Die Hamburger Bereitschaftspolizei – verstärkt durch Einheiten der Bundespolizei und durch die Polizei-Motorradstaffel der Hansestadt – hatte in der Regel nicht viel zu tun. Die Beamten gaben sich betont gelassen und hielten sich fast immer sehr zurück. Abgesehen davon, dass die Demo-Straßen von der Polizei sehr sorgfältig weiträumig für den Straßenverkehr abgesperrt waren.
Als der Demonstrations-Hauptzug mit tausenden von Menschen durch die Lange Reihe in St. Georg zog, haben sich wohl viele Anwohner verwundert die Augen gerieben. Über diese Straße, die unter Homosexuellen zumindest in Norddeutschland sehr bekannt ist, ziehen sonst alljährlich nur die vielen Teilnehmer der Christopher-Street-Day-Demonstration (CSD).
Als die gewaltigen Demo-Schlangen in St. Georg über den in großen Teilen von Türken und Arabern bevölkerten Steindamm zogen, glaubten sicherlich viele der türkischen und arabischen Passanten – vis-à-vis der großen „Centrum-Moschee Hamburg“ (türkisch: Merkez Camii) – kaum ihren Augen zu trauen: Vermutlich hatten die islamischen Menschen noch nie eine so große Protestaktion gesehen, auf der Bürger, die „schon länger in Deutschland leben“, ihren Unmut lautstark zu äußern wagten.
Viele der Migranten auf den Trottoirs beobachteten den endlosen Zug zwar zurückhaltend, aber doch ein wenig neugierig; Viele machten Handy-Fotos. Was sie letztlich von den Maßnahmenkritikern halten, war nicht klar zu erkennen. Im Demo-Zug selbst hat es offenbar migrantische Protestler nur in ganz wenigen Ausnahmefällen gegeben.
Auffällig: Von Jung bis Alt war auf den Straßen alles vertreten. Diese Protest-Demonstrationen, die von der „Versammlungsbehörde“ der Hamburger Polizei offiziell genehmigt worden waren, sind für die Organisatoren wiederum zu einem großen Erfolg geworden. Demnächst sind neue Demos geplant.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Manfred W. Schwarz ist Politologe, er war einige Jahre Medienreferent. Heute schreibt der Publizist zu Themen der Politik und der Medien insbesondere für verschiedene Internet-Portale.
Bild: PrivatText: Gast