Mit dem umstrittenen „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ – schon der Name ist ein Ungetüm – hat Angela Merkel massiven Druck auf die sozialen Netzwerke aufgebaut, die Inhalte auf den Plattformen zu kontrollieren. Regierungsnahe Organisationen, teilweise indirekt gepäppelt durch Staatsgelder oder Steuervorteile, agieren inzwischen als „Wahrheitswächter“ im Netz. Kritiker sprechen von einem „Outsourcen“ von Zensur: Der Staat hat sie quasi ausgelagert auf Internet-Giganten und auf sogenannte „Nicht-Regierungs-Organisationen“. Genauso geschieht das auch in zeitgenössischen Diktaturen. Die Regierenden waschen ihre Hände da auch gerne in Unschuld – und verweisen auf Dritte.
Auch mit dem angeblichen „Kampf gegen rechts“, für den jetzt mehr als eine Milliarde Steuergelder bereitgestellt werden, sollen nach Ansicht von Kritikern auf Kosten von Steuerzahlern nicht-zeitgeistkonforme Ansichten bekämpft werden – politische Agitation, finanziert durch die Staatskasse, so der Vorwurf.
Während etwa der Gouverneur des US-Bundesstaates Florida den sozialen Netzwerken per Gesetz verbieten lassen will, Politiker und Journalisten zu sperren und zu zensieren, treibt die Zensur in Deutschland wenige Monate vor der Bundestagswahl ungeahnte Blüten. Ich habe so oft darüber geschrieben, dass ich es nicht wiederholen will (die aktuellsten Beiträge auf meiner Seite können Sie hier und hier nachlesen).
Die Bundesregierung kritisiert ständig und gerne Bedrohungen der Meinungs- und Pressefreiheit in anderen Ländern. Auf Fragen nach der Bedrohung derselben im eigenen Land reagiert sie nach meiner Erfahrung stets ausweichend. Ich habe am Mittwoch Merkels Sprecherin Martina Fietz, eine frühere Focus-Kollegin von mir, noch einmal zu dem Thema gefragt, angesichts der neuesten Zuspitzung. Die Antwort kann ich als Betroffener leider nicht anders auffassen, denn als Hohn und Zynismus. Bemerkenswert finde ich auch, dass kein anderer der anwesenden Kollegen das Thema aufgriff – während am Montag in der Bundespressekonferenz groß darüber gesprochen wurde, dass wegen einer Aussage von Hans-Georg Maaßen, seines Zeichens Bundestagskandidat, die Pressefreiheit in Deutschland in Gefahr sei. Ich habe am Montag bereits schriftlich zu dem gleichen Thema nachgefragt – meine Frage wurde aber leider nicht drangenommen.
Aber bilden Sie sich selbst ein Urteil. Lesen Sie hier meinen Wortwechsel mit Merkels Sprecherin (oder sehen Sie ihn sich hier in meinem Video von der aktuellen Bundespressekonferenz an).
REITSCHUSTER: Frau Fietz, Sie betonen ja immer wieder, wie wichtig der Bundesregierung die Meinungsfreiheit ist. Nun kommt es im Internet in Deutschland zu massiven Zensurmaßnahmen. Gerade wurde ein Twitter-Konto vom früheren Vorsitzenden einer FDP-Landtagsfraktion gesperrt. Die „BILD“-Zeitung sagt, sie sehe hierfür keinen Grund. Auf Youtube werden Kanäle mit bis zu 300.000 Abonnenten gesperrt. Dann sagt man danach, die Sperrungen seien ein Versehen gewesen. Aber sie sind schon einmal zwei Wochen gesperrt. Was plant die Bundesregierung konkret, um Journalisten und Politikern zu garantieren, dass sie sich im Rahmen des Grundgesetzes frei äußern können?
FIETZ: Wir haben an dieser Stelle schon mehrfach betont, dass es nicht unsere Aufgabe ist, hier Einzelfallbewertungen vorzunehmen. Grundsätzlich ist es natürlich richtig, dass die Presse- und Meinungsfreiheit ein Grundrecht von elementarer Bedeutung ist. Dazu haben wir uns hier in verschiedenen Regierungspressekonferenzen auch schon vielfach geäußert. Grundsätzlich gilt, dass sich Onlineplattformen und andere Unternehmen bestimmte Regeln für Veröffentlichungen geben, sogenannte Community-Richtlinien. Auf welcher Grundlage ein Kanal vorübergehend oder dauerhaft gesperrt wird, müssten Sie dort erfragen.
REITSCHUSTER: Frau Fietz, Sie weichen da in meinen Augen wieder aus. In Florida hat der Gouverneur die Entscheidung getroffen, dass das ein Problem ist, das man auf staatlicher Ebene regeln muss. Der will den Organisationen das verbieten. Warum machen Sie das nicht hier in Deutschland? Warum sprechen Sie nicht darüber? Warum erörtern Sie nicht entsprechende Pläne?
FIETZ: Die Erwartungen an die Bundesregierung sind völlig fehlplatziert, weil Sie sich, wie bereits beschrieben, an die Plattformbetreiber wenden und die dortigen Beschwerde- und Meldewege nutzen müssen.
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Bild: Shutterstock
Text: br