Neue Kategorie für Privilegierte? „Leicht positiv getestet“ Bundesligisten testen sich frei

Fast wie an ein Dogma klammern sich unsere Behörden und Regierende daran fest, dass jeder PCR-Test aussagekräftig ist – unabhängig vom sogenannten Ct-Wert. Dazu hatte ich im Oktober auf der Bundespressekonferenz (BPK) gefragt: „Der Ct-Wert ist bei diesem Test ja ganz entscheidend. Je höher der ist, umso geringer die Konzentration. Nun ergab eine parlamentarische Nachfrage an den Senat, dass die Berliner Landesregierung keinerlei Erkenntnisse darüber hat, welcher Ct-Wert bei diesen Tests angewendet wird und wo die Schwelle liegt. Es gibt dazu laut Senat keine einheitliche Regelung. Gibt es Pläne, das zu vereinheitlichen? Wie schätzen Sie diese Thematik ein?“

Spahns Sprecher Sebastian Gülde antwortete: „Was eine gesetzliche Vereinheitlichung des Ct-Werts angeht, liegen mir keine Kenntnisse vor.“ Das Durcheinander um die Ct-Werte ist umso problematischer, als die Frage ja für viele Menschen über Freiheit oder Hausarrest entscheidet. Und es massive Kritik aus berufenem Munde gibt: von Drosten-Partner und Test-Hersteller Olfert Landt von der Firma TIB Molbiol. Der mahnte kürzlich, dass nicht jede positiv auf das Coronavirus getestete Person ansteckend sei: „Wir wissen, dass Leute mit einer geringen Viruslast nicht infektiös sind“. Das betreffe schätzungsweise die Hälfte aller positiv getesteten Personen. Um gefährlich für Dritte zu sein, müsse man ‘100-mal mehr Viruslast in sich tragen als die Nachweisgrenze der Tests‘, so Landt. Der Experte forderte vom Robert-Koch-Institut mehr Mut: Man solle Quarantäne nur dann anordnen, wenn sie wirklich Sinn mache.

Auch diesbezüglich hakte ich beim Gesundheitsministerium nach. Die Antwort von Spahns Chef-Sprecher Hanno Kautz auf der BPK: „Man muss eine Balance finden zwischen Vorsicht, die man walten lässt, und Maßnahmen, die man trifft. Man wird sicherlich den einen oder anderen positiv getestet haben und in Quarantäne schicken, der nicht infektiös ist. Aber durch die Anamnese, die stattfindet, wenn es darum geht, wann infiziert wurde und wann man dem Virus gegenüber exponiert war, kann man eigentlich ziemlich sicher sein, dass eine große Zahl mit den PCR-Tests richtig liegt.“

Dass „eine große Zahl“ richtig liegt, ist natürlich schön. Aber damit kann eben auch eine erhebliche Zahl falsch liegen. Und es können damit viele Menschen unnötig eingesperrt sein. So wenig hier offenbar für die Gemeinsterblichen eine Lösung absehbar ist, so sehr dürfen sich Privilegierte freuen: etwa Spitzensportler. Das Team eines Basketball-Bundesligisten hatte sich am Dienstag in „häusliche Isolation“ begeben, wie der Hausarrest in Orwell´schem Stil genannt wird. Der Grund: Ein Spieler wies in einem Test ein positives Ergebnis auf. Doch anders als der gewöhnliche Bürger bekamen die Spitzensportler eine zweite Chance: Sie wurden noch einmal getestet.

Auf seiner Internetseite teilt nun das Basketball-Bundesliga-Team mit: „Die Löwen müssen nach dem schwach-positiven Testergebnis eines Löwen-Spielers auf den SARS-CoV-2 Erreger und dem als Folge dessen abgesagten Spiel gegen die Telekom Baskets Bonn nicht in Quarantäne verweilen, da gestern durchgeführte Kontroll-PCR-Tests für das komplette Team kollektiv negativ ausgefallen sind und das erste Ergebnis des betroffenen Spielers vom 28. Dezember im Nachhinein als falsch-positiv eingestuft wurde.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Nicht nur, dass es einen sofortigen Zweit-Test gab – es wird abgestuft. Während sonst fast immer nur von positiven und negativen Test-Ergebnissen die Rede ist, heißt es nun „schwach positiv“. Eine neue Kategorie für Privilegierte? Zumindest im Sprachgebrauch? Mit Chance auf schnelles „Freitesten“ durch einen wiederholten Abstrich gleich am nächsten Tag?

Kurz vor Weihnachten hatte es schon für Verwunderung gesorgt, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, einer der lautesten Vorkämpfer für einen harten Corona-Kurs, nicht in Quarantäne musste, obwohl einer seiner engsten Mitarbeiter positiv getestet wurde. Offenbar wurde hier mit anderem Maß gemessen als bei normalen Bürgern.

Das ZDF macht mitten in der Krise eine große Feier, Ministerpräsident Armin Laschet sitzt kurz nach einer Corona-Brandrede mit heruntergelassener Maske ohne Mindestabstand im Flugzeug, Regierungssprecher sitzen ohne Maske Journalisten gegenüber, die Maske tragen müssen, bei der Kanzlerin scheinen die Abstandsregeln nicht zu gelten, als sie den harten Lockdown erklärt, der Landtag in Stuttgart erklärt sein Edel-Restaurant zur Kantine, damit weiter gegessen werden kann, auch ohne Mindestabstand – all diese Beispiele zeigen, dass es um die Gerechtigkeit bei den Corona-Maßnahmen nicht so gut bestellt ist, wie man sich das als Demokrat wünschen würde.

Bereits im Oktober wurde bekannt, dass es bei Fußball-Profis viele Falsch-Tests gab. Die Betroffenen ließen sich dann aber über wiederholte Tests „freitesten“ (siehe hier). Als ich angesichts dieser vielen fehlerhaften Tests in der Bundespressekonferenz nachfragte, wie hoch die Fehlerquote bei den PCR-Tests sei (zu dem Zeitpunkt, als gerade bekannt wurde, dass in einem Augsburger Labor 58 von 60 Tests falsch waren), antwortete der Sprecher von Jens Spahn: „Wenn ein PCR-Test durchgeführt ist, dann gehen wir von einer Spezifität von annähernd hundert Prozent aus“  (siehe hier). Die Spezifität eines diagnostischen Testverfahrens ist die Wahrscheinlichkeit, dass in Wirklichkeit Gesunde auch wirklich als gesund erkannt werden. Offenbar ist das nur bei Spitzensportlern etwas anders.


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Bild: Small365/Shutterstock
Text: br


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