Sehen Sie hier mein Video über die heutige Bundespressekonferenz.
Die Bundesregierung will offenbar ins Wasser gehen und dabei nicht nass werden: Jedenfalls klingen ihre neuen Pläne zur Impf-Auskunftspflicht im Beruf nach einem massiven Impf-Druck – gleichzeitig versichert die Regierung aber, genau diesen nicht aufbauen zu wollen. „Es ist ja jetzt geplant, dass es für bestimmte Berufsgruppen eine Auskunftspflicht bezüglich des Impfstatus geben soll. Es ist die Rede davon, dass die Beschäftigten durch die Abfrage nicht zum Impfen gedrängt werden dürfen. Wie soll das denn funktionieren?“, fragte ein Kollege heute auf der Bundespressekonferenz Sebastian Gülde, den Sprecher von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Gülde antwortete: „Ich kann mich jetzt noch nicht zu Details dieses Antrags äußern. Da bitte ich um Verständnis. Es handelt sich nicht um einen Antrag aus unserem Hause, sondern es ist ein Änderungsantrag, den die Fraktionen eingebracht haben, auf den sie sich gestern geeinigt haben und der heute in den Ausschüssen beraten wird. Dieser Änderungsantrag sieht vor, dass die Impfstatusabfrage erfolgen kann, dass diese allerdings nur genutzt wird, um arbeitsorganisatorische Abläufe innerhalb des Unternehmens zu regeln, beispielsweise Dienstpläne zu organisieren. Das ist ausschließlich damit geregelt.“
Auf diese ausweichende Antwort hin hakte der Kollege nach: „Ich stelle mir gerade einmal vor, ich bin jetzt Erzieher oder Lehrer. Ist es nicht ein bisschen lebensfremd zu glauben, dass dadurch kein Druck entsteht, sich impfen zu lassen?“
Gülde erwiderte: „Wie gesagt: Die Impfung selbst bleibt ja freiwillig. Auch arbeitsrechtliche Konsequenzen können daraus nicht drohen, wenn sich jemand entscheidet, sich nicht impfen zu lassen. Selbstverständlich bleibt weiterhin der arbeitsrechtliche Weg, wenn es dagegen Verstöße geben sollte. Aber grundsätzlich ist es so, dass diese Maßnahme allein den arbeitsorganisatorischen Abläufen dient.“
Das klingt – mit Verlaub – sehr lebensfremd. Entsprechend hakte dann auch ein weiterer Kollege nach: „Welche Folgen werden sich denn daraus ergeben, wenn festgestellt wird, dass eine Kindergartenerzieherin oder eine Krankenschwester nicht geimpft ist? Müssen sie dann damit rechnen, aus dem Dienstplan ausgetragen zu werden?“
Dazu Gülde: „Zu arbeitsorganisatorischen Abläufen in den einzelnen Einrichtungen kann ich mich hier natürlich nicht äußern. Aber grundsätzlich wird sich in sensiblen Bereichen zum Beispiel in der Altenpflege oder bei Tätigkeiten mit kleinen Kindern natürlich die Frage stellen, ob es da ein Infektionsrisiko gibt. Es muss dann in der Einrichtung abgewogen werden, ob die betreffende Person in einem anderen Bereich innerhalb der Einrichtung eingesetzt wird.“
Der Kollege hakte noch einmal nach: „Können Sie sich vorstellen, wie eine Erzieherin in einem anderen Bereich im Kindergarten eingesetzt werden soll?“
Güldes Antwort: „Wie gesagt: Ich kann jetzt hier zu arbeitsorganisatorischen Abläufen in einzelnen Einrichtungen keine Stellung nehmen.“
Das ist bemerkenswert. Zu der zentralen Frage bzw. Konsequenz einer anvisierten Neuregelung will das zuständige Ministerium keine Position beziehen – und versteckt sich dabei hinter „arbeitsorganisatorischen Abläufen“.
Ein dritter Kollege fragte: „Wie ist der Rechtsschutz bei der Impfabfrage? Geht das über die Arbeitsgerichte oder die Verwaltungsgerichte?“ Die Vorsitzende Buschow fragte in die Sprecherriege: „Können Sie dazu antworten? Das Justizministerium schüttelt den Kopf, Herr Walker. Ich hoffe, das hilft Ihnen.“ Daraufhin ergriff Spahn-Sprecher Gülde das Wort: „Wenn sich daraus Einschränkungen oder Ähnliches im Arbeitsrecht ergeben sollten, dann sind das arbeitsrechtliche Fragen, die natürlich auch von den Arbeitsgerichten zu beurteilen sind.“
„Ist es korrekt, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier noch weiter reichende Schritte zur Auskunftspflicht fordert? Welche wären das, wenn das so wäre?“, wollte eine Kollegin wissen.
Altmaiers Sprecherin Annika Einhorn antwortete: „Das ist korrekt. Herr Altmaier hat sich heute schon dazu geäußert und gesagt, dass der jetzt erreichte Schritt ein erster wichtiger Schritt ist, er aber überzeugt ist, dass weitere Schritte notwendig und erforderlich sind und er auch weiter darauf setzt, dass die Koalitionspartner hier die ablehnende Haltung, was diese weitergehenden Schritte angeht, ablegen und ändern, da es hier ja um den Gesundheitsschutz von tausenden Menschen geht, die an den Arbeitsstätten dort vor Ort arbeiten.“
Die Journalistin hakte nach: „Könnten Sie etwas konkreter sagen, was Sie mit ‚weiter reichenden Schritten‘ meinen?“
Darauf Einhorn: „Jetzt geht es ja um bestimmte Berufsgruppen, und dann wäre die Frage, wie das bei den anderen Berufsgruppen aussieht.“
Die Nachfrage: „Also darum, dass die Auskunftspflicht auch noch auf andere Berufe ausgeweitet wird?“
Darauf Einhorn: „Das ist jetzt zu klären. Der Minister ist aber der Meinung, dass man da auf jeden Fall weiter im Gespräch bleiben muss und hier weitere Schritte folgen müssten.“
Also: Verschärfung – gewünscht. Aber welche genau – unbekannt oder wird nicht verraten.
Ich stellte folgende Fragen (online): „Gibt es Zahlen darüber, wie viele Intensivpatienten wegen COVID-19 behandelt werden und wie viele wegen anderer Krankheiten auf der Intensivstation sind und positiv auf COVID-19 getestet wurden?“
Zweitens: „Auf welcher Datengrundlage beruhen die Aussagen, dass die auf Intensivstationen behandelten Menschen größtenteils ungeimpft sind? Wer registriert das?“
Spahn-Sprecher Gülde antwortete: „Zu Ihrer zweiten Frage: Im Grunde genommen geschieht diese Abfrage nach dem Impfstatus der Patienten seitens der Krankenhäuser. Das wird dann auch an die Landesbehörden und über diese dann wiederum an das RKI weitergeleitet. Insofern haben wir diese Zahlen dann tatsächlich auch verfügbar.
Zu Ihrer ersten Frage liegen mir, das muss ich ganz ehrlich gestehen, aktuell keine Zahlen vor. Meines Wissens wird aber von den Einrichtungen selbst ermittelt, ob die Leute wegen Corona in Behandlung sind oder sich dort infiziert haben.“
Ich hakte online noch einmal nach: „Werden die Zahlen dazu, ob die Patienten wegen oder mit Corona in Behandlung sind, zentral erhoben?“
Darauf Gülde: „Das müsste ich nachreichen, das weiß ich nicht.“
Bis zum späten Freitagabend war noch nichts nachgereicht. Die Anregung zu den Fragen kam vom Chefarzt einer deutschen Klinik, der sich über die offiziellen Zahlen wundert (mehr dazu hier).
Mein Fazit: Deutlich kritischere Fragen von den Kollegen als sonst – was sehr erfreulich ist.
Lesen Sie unten noch weitere Wortwechsel von der heutigen Bundespressekonferenz. In voller Länge können Sie sich die Pressekonferenz hier ansehen.
Hier sehen Sie meinen Video-Kommentar:
Text: br