Von Sönke Paulsen
Den Warschauer Pakt haben die Polen nie besonders gemocht. Nach dem „Prager Frühling“ war Polen das erste Land, das sich erfolgreich gegen die sowjetische Einflussnahme zur Wehr gesetzt hat und eigene Akzente durchsetzen konnte.
Die Solidarność konnte der Kreml nicht mehr abschaffen und so wurde aus dieser Gewerkschaftsbewegung der Anfang vom Ende der Sowjetunion. Einige Jahre später fiel die Mauer auch in Deutschland.
Die Deutschen haben die Polen auch nicht sehr gemocht. Denn sie waren diejenigen, die ihnen ein zerteiltes Land und die Fremdherrschaft Stalins eingetragen haben.
Die EU mögen die Polen bedingt. Allerdings führen viele dort ihren rasanten wirtschaftlichen Aufschwung auf den eigenen Fleiß und nicht auf Brüssel zurück. Dennoch stehen sie zum europäischen Binnenmarkt. Nur der Versuch, das Land politisch mit der EU gleichzuschalten, wird, analog zur Sowjetzeit, als Einflussnahme von außen, als EU-Imperialismus wahrgenommen. Verträge hin, Verträge her.
Diese Einflussnahme findet auch heute nach einem Urteil des polnischen Verfassungsgerichtes statt, das lediglich feststellte, dass die polnische Verfassung teilweise mit Rechtssetzungen aus Brüssel nicht vereinbar sei, ohne ein Wort darüber zu verlieren, was nun zu ändern sei. Die Mitgliedschaft in der EU oder die eigene Verfassung, die, in diesem Falle, für das Gericht Vorrang hatte.
Von einer mäßig großen Demonstration wurde in den deutschen Medien heute einseitig und eifrig berichtet. Führte sie doch der ehemalige Wahlamerikaner, Neokonservative und Ex-Ratsvorsitzende Donald Tusk an. Das Gespenst des „Polexit“ wurde an die Wand gemalt und es ist sogar denkbar. Denn Brüssel steht, vor allem auf deutsche Weisung hin, mit der polnischen Regierung schon seit Jahren auf Kriegsfuß. Der Versuch, die Konservativen in Polen wegzubekommen, ist dabei nicht zu übersehen.
Argumentiert wird heute auch in deutschen Medien, dass über achtzig Prozent der Polen in der EU bleiben möchten. Das ist richtig. Aber über sechzig Prozent der Polen unterstützen den konservativen und nationalen Kurs ihrer Regierung. Wie passt das zusammen?
Wenn Brüssel weiterhin Druck macht, die gesellschaftlichen Normen der europäischen Meinungsführer Deutschland und Frankreich zu übernehmen, die sich übrigens gerade rasant verändern und diese Länder ohnegleichen spalten, würde ein großer Teil der Polen es begrüßen, auf eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit zurückzugehen.
Brüssel wäre praktisch gezwungen, die Verträge auf Wunsch Polens zu ändern, wenn es eine politische Austrittswelle aus der EU verhindern wollte. Denn hinter Polen stehen die VISEGRAD-Staaten, zu denen beispielsweise auch Ungarn und Tschechien gehören. Alle diese Länder haben von den politischen Vorgaben aus Brüssel die Nase voll. Es besteht für die EU auch die Gefahr eines neuen Staatenbündnisses zusammen mit Großbritannien, dem Polen sehr zugewandt ist, gerade auch wirtschaftlich!
So ist das heutige Verfassungsgerichtsurteil schon fast ein Symbol für den Widerstandswillen der Polen gegen Brüssel und die kleinere Demonstration von Donald Tusk wirkt beinahe nebensächlich. Einen „Polexit“ kann sich Brüssel einfach nicht leisten. Es muss auf die PiS-Regierung in Warschau zugehen. Zumal auch deutsche Verfassungsrichter die übergriffigen, europäischen Rechtsnormen immer wieder kritisieren.
Die EU muss politisch kürzertreten, sonst kann sie bald einpacken!
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: SpandowStockPhoto/ShutterstockText: Gast