Meine Erfahrung aus vielen Begegnungen mit Politikern von Michail Gorbatschow und Helmut Kohl über Wladimir Putin und Gerhard Schröder bis hin zu Angela Merkel und Jacques Chirac: Wenn man sie persönlich erlebt, wirken sie oft ganz anders als im Fernsehen. Putin, der so gerne den starken Mann markiert, wirkte auf mich am Anfang regelrecht schüchtern, Schröders Charisma schien wie weggeblasen, sobald die Kameras aus waren, während Gorbatschow sein Charisma auch ohne Kamera bewahrt. Merkel hingegen kann im Gespräch einen Charme entwickeln, den man ihr vor der Kamera gar nicht zutraut (Putin übrigens auch).
Aufgrund dieser Erfahrungen war ich gestern sehr gespannt darauf, den Kanzler in Wartestellung, Olaf Scholz, einmal persönlich zu erleben. Er wirkt weitaus unscheinbarer als im Fernsehen, und kleiner. Ist sein Lächeln auf den ersten Blick eher einnehmend, so verliert es diese Wirkung, ja verkehrt diese sogar fast ins Gegenteil, wenn es im Dauermodus angeschaltet ist und den Eindruck macht, es soll die Verweigerung von Antworten überstrahlen. Es wirkt dann nicht mehr wie ein sympathischer Zug, sondern eher wie eine Maske.
Auf meine beiden Fragen verweigerte der geschäftsführende Finanzminister faktisch die Antwort. Und auch auf viele andere. Besonders spannend: Die Frage von Hans Jessen von „Jung und naiv“, wie er zur Impfpflicht stehe (für die Jessen und sein Kompagnon Tilo Jung seit langem streiten), beantwortete der Minister ausweichend. Das ist insbesondere spannend vor dem Hintergrund, dass die amtierende Bundesregierung eine Impfpflicht wiederholt ausschloss. Wenn Scholz das explizit nicht tut, ist das sehr aussagekräftig.
Sehen Sie sich hier meinen Video-Kommentar mit Szenen aus der Bundespressekonferenz an. Den gesamten ersten Teil der Veranstaltung finden Sie hier.
Bild: Shutterstock
Text: br
mehr zum Thema auf reitschuster.de