„Nur einen Tag nach einem gewalttätigen Corona-Protest in Schweinfurt sind Urteile gegen vier Demonstranten gefallen. Ein Mann muss eine Geldstrafe zahlen, die anderen Teilnehmer bekamen Freiheitsstrafen auf Bewährung.“ Das vermeldeten in dieser Form sehr viele große Zeitungen. Zwölf, acht und sechs Monate lang sind die Bewährungsstrafen (Details siehe hier).
Ein Leser schrieb diesen Kommentar:
Nur mal zum Vergleich:
Ingolstadt – Wegen sexuellem Missbrauch einer 13-Jährigen wurde ein 25-jähriger Afghane am Dienstag vom Amtsgericht Ingolstadt zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt – ausgesetzt zur Bewährung.
(Donaukurier 22.09.2020)
Das erinnerte mich an einen Artikel, den ich vor knapp zwei Jahren geschrieben habe: Kindesmissbrauch – nur noch ein Kavaliersdelikt? Er fing wie folgt an:
Ein Freund machte mich heute auf eine Meldung aufmerksam, die mich aufgerüttelt hat – allein schon die Überschrift: „Bewährungsstrafe für 19-Jährigen wegen Missbrauchs einer 10-Jährigen“. Weiter heißt es in dem Artikel der Badischen Zeitung: „Ein zur Tatzeit 19-jähriger Mann ist glimpflich um eine deutlich schwerere Strafe herumgekommen. Weil er ein umfassendes Geständnis ablegte, das Amtsgericht zudem wegen mangelnder Reife das Jugendstrafrecht anwendete und das Opfer angeblich keine psychischen Schäden davontragen habe, muss er nicht ins Gefängnis. Das Urteil: neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der junge Mann hatte ein zehnjähriges Mädchen sexuell schwer missbraucht, war zudem im Besitz von kinderpornografischen Fotos und Videos.“
Ich führte in dem Beitrag eine Fall-Chronik auf, die ich aus gegebenem Anlass weiter unten wiederhole. Bemerkenswert ist auch der Kontrast zu den Urteilen nach den schweren Krawallen beim G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg, wo es teilweise bürgerkriesähnliche Szenen gab, für die gewalttätige Linksradikale verantwortlich waren. Die Justiz fasste sie mit Samthandschuhen an. Erst drei Jahre später wurden fünf Randalierer verurteilt. Nach anderthalb Jahren Verhandlung und ca. 70 Verhandlungstagen. „Die vier jungen Männer aus dem Rhein-Main-Gebiet sowie ein weiterer Angeklagter aus Frankreich sollen unter den rund 220 schwarz Vermummten gewesen sein, die am Morgen des 7. Juli 2017 Autos und Gebäude an der Elbchaussee anzündeten, zahlreiche Scheiben einschlugen und Häuser mit Farbe beschmierten“, schreibt der „Tagesspiegel“: „Der Hauptangeklagte, ein Franzose, kommt demnach für drei Jahre in Haft. Zwei weitere Angeklagte bekamen Bewährungsstrafen von etwas über einem Jahr. Die beiden damals Jugendlichen wurden zu 20 Arbeitsstunden verurteilt.“ Auch bei den regelmäßigen, gewalttätigen Protesten aus der Linksextremen Szene in Berlin und Leipzig hält sich der Verfolgungseifer von Polizei und Justiz in Grenzen.
In einem Beitrag „Justiz mit Samthandschuhen: Fördert sie Gewalttaten, statt abzuschrecken?“ schrieb ich im Juli 2020: „Bereits im März wurde ein junger Syrer, der den damals 30-jährigen Marcus Hempel 2017 in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) mit einem heftigen Schlag tötete, zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt. Der Vater des Opfers klagte: „Das hat nichts mehr mit Recht und Gesetz zu tun“. Die Staatsanwaltschaft habe wie die Verteidiger des Angeklagten gewirkt, so der Vater. Dabei hatte der Täter laut einer Augenzeugin nach der Tat noch gelacht. Nach dem Urteil auch?“ Und weiter: Es „wurde bekannt, dass ein syrischer Asylbewerber mit einer Bewährungsstrafe davonkam, der am Heiligabend 2019 auf einer Wohltätigkeits-Veranstaltung im Gemeindeamt der sächsischen Kirchengemeinde St. Nicolai einen 51-jährigen Helfer mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hatte.“
Ein Asylbewerber aus Kamerun wiederum ist in Halberstadt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, nachdem der Widerstand gegen Polizisten geleistet und sogar Messer nach diesen geworfen hatte, bekam neun Monate Haft auf Bewährung – also drei weniger als einer der Demonstranten von Schweinfurt. Auch „King Abode“ (König Abschiebung) aus Bautzen kam mit Bewährung davon, obwohl sein Strafregister lang war: Sachbeschädigung und Beleidigung in jeweils zwei Fällen – Hausfriedensbruch in fünf Fällen – vorsätzliche Körperverletzung – gemeinschaftliche versuchte gefährliche Körperverletzung – versuchte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung – Widerstand gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen. Er prügelte sich mit zwei Brüdern in der Regionalbahn, biss einen und legte sich anschließend mit der Polizei an. Anderthalb Jahre wartete er auf sein Urteil – nicht einen Tag wie die Demonstranten – und kassierte im September 2018 acht Monate Haft. Auf Bewährung. Im Juni 2021 gab es dann wieder eine Anklage: wegen Randale im Flüchtlingsheim in Kamenz. Das Urteil: Eine Geldstrafe. Das Gericht wolle nun prüfen, ob das Verfahren wegen zu langer Dauer eingestellt werden kann, schrieb Tag24 im Juli 2021. Neuere Nachrichten waren auf die Schnelle nicht zu finden.
Bevor ich zur versprochenen Aufzählung komme, aber noch ein kurzer Hinweis, warum ich mich überhaupt auf den Vergleich einlasse – der unter normalen Bedingungen, wenn der Rechtsstaat noch gut funktionieren würde, wenig Sinn machen würde. Mein Vertrauen in Polizei und Rechtsstaat ist leider schwer erschüttert. Wiederholt habe ich in den vergangenen Jahren Polizeigewalt und Willkür bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik erlebt, wie ich sie früher in Deutschland für völlig unmöglich gehalten hätte und wie ich sie aus Russland kenne. Inzwischen hat auch die Justiz nachgeholt – etwa mit der Verurteilung des „Pianisten“ Arne Schmitt wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“, bei der das Gericht ihn gar nicht zu Wort kommen ließ und Videos ignorierte, die zeigen, dass sich Schmitt in der einschlägigen Situation ohne Widerstand abführen ließ. In anderen Fällen wurden Richter wegen „unpassender“ Urteile mit Hausdurchsuchungen oder Ermittlungen überzogen – oder man entzog ihnen einfach die Zuständigkeit, wie der Kammer des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg, das 2G in Niedersachen aussetzte.
Aber nun zu der Liste. Zur Erinnerung: einen Tag nach der Demo wurden drei Teilnehmer zu sechs, acht und zwölf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die nun folgende Liste ist völlig unvollständig. Jeder Einzelfall mag anders gelagert sein, manche Umstände besonders – aber insgesamt deckt sich der Verdacht einer Tendenz zur Milde hier doch massiv auf – ganz anders als bei den Corona-Demonstranten:
Am 12. Januar 2020 berichtete die Fuldaer Zeitung: „Wegen schweren Missbrauchs von Kindern in drei Fällen ist ein 19-Jähriger aus Steinau am Donnerstag vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Gelnhausen zu einer Strafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden.“ Interessant ist, wie die Überschrift das Thema verschleiert: „Bewährungsstrafe für 19-Jährigen – Fahrdienst vergisst, Angeklagten abzuholen.“
Im Dezember berichtete RBB: Ein „früherer Berliner Youtube-Kanal-Betreiber Junus W. ist am Freitag in Berlin zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Zwei Mal hatte er eine Jugendliche missbraucht.“ Im Dezember berichtete der Bayerische Rundfunk: „Ein Konditormeister aus Nürnberg ist von der Jugendkammer am Nürnberger Landgericht zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Der 33-Jährige hatte Auszubildende mehrfach sexuell belästigt und vergewaltigt.“
Im November, berichtete der „Zollern-Alb-Kurier“: „Vor dem Albstädter Amtsgericht wurde ein Mann wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt.“ Laut Richterin war der Mann „in der Vergangenheit zwei Mal wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern verurteilt worden.“
Im November berichtete PZ-News: „Wegen ,Augenblicksversagen´ ist ein 69-jähriger Kroate vom Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Der Angeklagte hatte den Tatvorwurf von sexuellem Missbrauch in zwei Fällen gegen eine Minderjährige eingeräumt.“
Im November berichtete der SWR: „Ein 57-jähriger Mann hat nach Auffassung des Amtsgerichts Albstadt ein Mädchen unsittlich angefasst. Der vorbestrafte Mann weigert sich, das deutsche Rechtssystem anzuerkennen. Die Anklage lautete auf sexuellen Missbrauch einer Minderjährigen. Dafür wurde der Mann zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt.“
Im September berichtete der NDR: „Vor dem Landgericht Schwerin ist ein 47-jähriger Mann zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Er soll ein minderjähriges Mädchen mehrfach missbraucht haben“: „Die Taten liegen über 15 Jahre zurück […] Er gestand auch, die Taten gefilmt und auf seinem Handy gespeichert zu haben.“
Ebenfalls im September berichtete die Süddeutsche Zeitung: „Weil er die Tochter von Freunden missbraucht hat, ist ein 55-Jähriger vom Landgericht Lüneburg zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden […] Verurteilt wurde er laut Sprecher wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen, einmal in Tateinheit mit Vergewaltigung. In fünf Fällen wurde er des einfachen sexuellen Missbrauchs für schuldig befunden.“
Die Lübecker Nachrichten berichteten im Juli: „Ein Polizist, der in seiner Freizeit eine Fußball-Mädchenmannschaft in Neustadt betreut hat, ist wegen sexuellen Missbrauchs einer 14-Jährigen verurteilt worden. Der Beamte wurde vom Dienst enthoben und auf einen anderen Posten versetzt. Der 43-Jährige erhielt sechs Monate Haft auf Bewährung und muss eine Geldstrafe von 3.000 Euro bezahlen.“
Der Westfälische Anzeiger berichtete im Februar: „Ein 72-Jähriger aus Bergkamen musste sich vor dem Amtsgericht Unna wegen sexuellen Missbrauchs einer minderjährigen Bergkamenerin verantworten […] Der Bergkamener erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr, die auf Bewährung ausgesetzt wurde.“ Obwohl die Eltern ihm gerichtlich die Annäherung an ihre lernbehinderte Tochter verboten hatten, suchte sie der 72-Jährige in der Schule auf und nahm im Keller sexuelle Handlungen an ihr vor, gegen die sie sich nicht wehren konnte.
Die Mainpost schrieb im Januar: „Dass sie erst elf Jahre alt war, wusste er. Das teilte ihm die Schülerin schon wenige Minuten nach Chatbeginn über den Online-Nachrichtendienst „WhatsApp“ mit. Auch dass Nacktbilder einer Minderjährigen kinderpornografische Schriften sind, war dem gelernten Maler und Lackierer klar. Dennoch forderte der damals 22-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt Nacktfotos von dem Kind – und bekam sie auch. Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und des Besitzes kinder- und jugendpornografischer Schriften verurteilt ihn das Amtsgericht Schweinfurt nun zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten.“
Ebenfalls im Januar berichtete der Südkurier: Ein 23-Jähriger aus dem westlichen Landkreis Waldshut wurde gestern vor dem Amtsgericht Bad Säckingen zu einer Bewährungsstrafe von elf Monaten und drei Wochen wegen schwerem sexuellen Missbrauch verurteilt.“
Die Märkische Oder-Zeitung berichtete im Dezember 2017: „Vor dem Landgericht Neuruppin ist am Dienstag ein 20-jähriger Wittstocker verurteilt worden, weil er ein zwölfjähriges Mädchen sexuell missbraucht hat. Der junge Mann zeigte sich geständig, nachdem vereinbart worden war, dass er in diesem Fall nicht gleich ins Gefängnis muss.“
Die Peiner Allgemeine berichtete im März 2017: „Wegen des Verdachts der Vergewaltigung und des schweren sexuellen Missbrauchs in zwei Fällen an seiner damaligen minderjährigen Nichte musste sich am Montag ein 59-Jähriger vor dem Hildesheimer Landgericht verantworten. Der einschlägig vorbestrafte Berufskraftfahrer gestand die Taten gleich zum Prozessbeginn. Das Urteil lautete schließlich zwei Jahre Haft, die auf drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.“
Text: br
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