Von Alexander Wallasch
Die Bundesregierung meldete am vergangenen Freitag, dass Bundeskanzler Olaf Scholz in Brüssel beim Treffen von Europäischer und Afrikanischer Union den Co-Vorsitz des Runden Tisches zum Thema „Gesundheitssysteme und Impfstoffproduktion“ übernommen hatte.
Und wie Scholz dort auftrat, erzählt viel über den Blick des Westens auf Afrika. Schon im Vorfeld nämlich forderte der Bundeskanzler eine bessere Impfstoffversorgung für Afrika. Nur elf Prozent der Afrikaner seien geimpft.
Auf Augenhöhe geht hier sicher anders. Dann nämlich hätte man Afrika fragen müssen: Wo sollen wir helfen, was wollt ihr von uns, was können wir tun?
Ist der Ruf nach einem mRNA-Impfstoff wirklich das größte Problem eines Kontinents, auf dem hunderte Millionen Menschen in Armut leben? Nein, mRNA-Impfstoffe machen nicht satt. Sie wirken nicht einmal, wie es versprochen wurde.
„Wir wollen sicherstellen, dass überall auf der Welt alle eine Chance haben, Impfungen zu bekommen“, sagte Scholz vergangenen Donnerstag in Brüssel fast trotzig.
Scholz will den Kontinent impfen, während beispielsweise die Deutsche Welle schon vor einem Monat befand: „Auch Impfungen werden es in Afrika wohl nicht richten. Nun heißt es: mit dem Virus leben lernen.“ Corona wäre in Afrika bereits auf dem Weg in die Endemie.
Angelique Coetzee, Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbandes SAMA und Entdeckerin der Omikron-Variante, sieht weitere Hürden: Problematisch sei nicht nur die Beschaffung des Impfstoffs, es fehle in Afrika auch an Logistik, personellen Ressourcen und mehr.
Im Oktober 2021 wurde berichtet, dass es in Afrika wahrscheinlich schon viel mehr Corona-Genesene gibt als angenommen. Das Virus habe die Impfteams in Afrika längst überholt.
Und während Bill Gates davon spricht, dass wir noch einmal „Glück“ gehabt hätten – er also die Corona-Apokalypse offiziell abgesagt hat, ringt Bundeskanzler Olaf Scholz wie ein zu spät gekommener Bewerber um die Jungfrau darum, Afrika mit mRNA-Impfstoffen zu beglücken.
Solche umstrittenen Mittel massenweise und ohne echte Not in den afrikanischen Kontinent zu verschiffen und dort zu verklappen, müsste in seiner ganzen Kaltschnäuzigkeit eigentlich einen Aufschrei weit über Afrika hinaus verursachen.
Biontech und Co. sind gegen Omikron wirkarm geblieben. Und wozu ein umstrittenes Mittel nach Afrika verschiffen, wenn die Gesellschaft dort einen Altersdurchschnitt von achtzehn Jahren hat? In der Europäischen Gemeinschaft liegt das Durchschnittsalter bei über vierzig Jahren.
Die Erfahrung mit den mRNA-Impfstoffen lehrt es schon: Europa ist in hohem Maß durchgeimpft und dennoch infizieren sich die Menschen unabhängig von ihrem Impfstatus. Und die Protagonisten der Impfkampagnen halten sich am letzten Strohholm fest: Geimpfte kämen weniger oft ins Krankenhaus bzw. weniger oft an die Beatmungsmaschinen.
Von allem unbeeindruckt leeren sich die Intensivstationen oder waren nie voll. Jene Intensivstationen übrigens, die während der Pandemie nicht etwa mehr geworden sind, sondern noch um tausende Plätze verknappt wurden. Ein monströses Regierungsversagen, das im Ernstfall viele Menschenleben hätte kosten können. Jedenfalls dann, wenn sich die Corona-Apokalypse nach Lauterbach über Wieler bis Drosten bestätigt hätte. Hat sie aber gottseidank nicht.
Afrika ist zum Dumping Ground nicht nur für europäische Mode und Computermüll geworden. Jetzt werden die überteuerten Bestellungen eines unzuverlässigen und zudem im jungen Afrika noch sinnloseren mRNA-Impfstoffes verschifft.
Das ist eine Schande, und es verrät viel über die tatsächliche Humanität und über eine erschreckende innere Verrohung der Antreiber dieser Impfmüllverschickungen.
Bundeskanzler Olaf Scholz war schon Kabinettsmitglied, als mRNA-Impfstoffe von der Vorgängerregierung langfristig geordert wurden. Die Impfstoffhersteller und Partner haben mit einer angedrohten Verknappung die Bundesregierung und die Europäische Gemeinschaft massiv unter Druck gesetzt und am Nasenring geführt.
Das Versagen der europäischen Führungen ist vorsätzlich. Und obszön wirkt der Versuch, dieses Totalversagen jetzt hinter einer großen humanitären Geste für Afrika zu tarnen.
Tatsächlich hat Afrika eines besonders gezeigt in dieser Pandemie: Der Kontinent mag arm sein, auch arm an Bildung. Aber arm an jungen Menschen, arm an Ressourcen, arm an Ideen ist Afrika nicht. Ja, es ist arm an mRNA-Impfstoffen. Aber das könnte sich als großer Vorteil erweisen: Waka Waka (This Time for Africa).
Die Bundespressekonferenz vom 22.2.2022:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“
Bild: Shutterstock
Text: wal
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