Von Kai Rebmann
In der Ukraine tobt ein Krieg, der kurz vor der Eskalation steht. Der Alltag von Millionen Deutschen wird durch die Rekord-Inflation immer teurer und für viele wohl bald unbezahlbar. Mitteleuropa befindet sich inmitten der schwersten Energiekrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, deren Ende und Folgen noch nicht absehbar sind. Und was machen Teile von Politik und Medien? Sie überziehen die Bürger seit Wochen mit infantilen und hanebüchenen Vorschlägen zum Energiesparen, Anlegen von Vorräten und ähnlichen Augenwischereien. Soll damit von den wirklich drängenden und weitaus wichtigeren Problemen und vor allem den dafür Verantwortlichen abgelenkt werden? Eines der jüngsten Beispiele ist ein Artikel in der „Schwäbischen Zeitung“, der der Frage nachgeht, ob, wie oft und gegebenenfalls auf welche Art und Weise die Dienstfahrzeuge der Minister in Baden-Württemberg und Bayern gewaschen werden.
Zunächst erfährt der Leser, dass sowohl Winfried Kretschmann (Grüne) als auch Markus Söder (CSU) echte Patrioten sind. Kretschmann lässt sich demnach in einer Mercedes Benz S-Klasse (Modell EQS) chauffieren, die das amtliche Kennzeichen S-HC 6570-E trägt. Wie es sich für einen ordentlichen Grünen gehört, ist der Ministerpräsident also in einem E-Auto unterwegs. So ganz und gar nicht zur vorgegebenen Parteilinie passen die weiteren Koordinaten der Luxus-Karosse. Der Daimler ist 2585 Kilogramm schwer und galoppiert mit 520 Pferdestärken über die Straßen im Südwesten. Immerhin: Den Angaben zufolge soll die S-Klasse in Sindelfingen CO2-neutral hergestellt worden sein. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kommt dagegen selbstredend nur ein BMW in die Garage.
Kalte Dusche für den Kretschmann-Mercedes
Man kann von der grün-schwarzen Politik im Ländle ja halten, was man will, aber eines muss man dem Ministerpräsidenten lassen – er ist konsequent. Winfried Kretschmann, der den Baden-Württembergern unlängst die Vorzüge des Waschlappens aufgezeigt hat, münzt die Körper- offenbar eins zu eins auf die Autohygiene um. Öffentliche Waschstraßen an Tankstellen werden für die ministeriale S-Klasse nur „gelegentlich“ genutzt, wie ein Sprecher auf Anfrage der „Schwäbischen Allgemeinen“ mitteilt. Stattdessen heißt es aus dem Staatsministerium: „Die Fahrer der Hausspitze waschen die Dienstwagen selbst, heißes Wasser kommt dabei nicht zum Einsatz.“ Und weiter: „Alle sind angehalten, die Dienstfahrzeuge so wenig wie möglich zu waschen.“
Jedoch scheint es in Stuttgart durchaus unterschiedliche Ansichten zur richtigen Autowäsche zu geben. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) rät ausdrücklich davon ab, selbst Hand anzulegen und meint: „Das Waschen eines Autos in einer Waschanlage benötigt aufgrund der optimierten Systeme der Anlagen deutlich weniger Wasser als ein händisches Waschen des Fahrzeugs.“ Dabei sei jedoch darauf zu achten, dass nur solche Anlagen angesteuert werden, die mit dem „Blauen Engel“ gekennzeichnet sind. Und für all jene, die die Pflege ihres Autos partout keiner Waschstraße überlassen wollen, hat das Landwirtschaftsministerium dann wieder einen dieser unbezahlbaren Geheimtipps auf Lager: „Bei einer händischen Wäsche des Autos ist zu empfehlen, Eimer und Schwamm zu verwenden und sparsam mit dem Wasser umzugehen.“ Danke Stuttgart, da wäre wohl kaum jemand von selbst drauf gekommen.
Ministerin entblößt ihren Chef ungewollt
Einen wieder anderen Weg geht offenbar Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), die sich bei der Autopflege strikt am Kalender orientiert. Dem Bericht zufolge sieht der Dienstwagen der Grünen eine Waschstraße alle ein bis zwei Monate von innen. Schließlich hat die „Schwäbische Zeitung“ dann doch noch ein Kabinettsmitglied gefunden, das bei diesem Thema ganz pragmatisch vorgeht und dasselbe tut wie wohl auch ein Großteil der Bürger. Ein Sprecher von Justizministerin Marion Gentges (CDU) teilte mit: „Die Reinigungshäufigkeit ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie etwa der Anzahl der gefahrenen Kilometer, der Wetter- und Straßenlage sowie die Anzahl der auswärtigen Termine.“
Herrlich, wie man mit einem einzigen Satz das oberlehrerhafte Getue von Kretschmann und Co. entlarven und ad absurdum führen kann. Bezeichnend auch, dass man in der Staatskanzlei in München – offenbar ganz im Gegensatz zu Stuttgart – angesichts der aktuellen Gemengelage keine Zeit hat, sich detailliert mit derartigen Anfragen auseinanderzusetzen. Die „Schwäbische Zeitung“ konnte in Bayern lediglich einen aus einem einzigen Satz bestehenden O-Ton einfangen. Regierungssprecher Anton Preis sagte dazu: „Die Dienstwagen der Staatsverwaltung werden gereinigt, wenn es notwendig ist und dann immer dem Bedarf entsprechend.“
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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