Von Kai Rebmann
Die Liste der zensierten Bücher und Filme, die heutzutage angeblich niemandem mehr zugemutet werden können – und wenn, dann nur mit Warnhinweisen – ist lang und wird jeden Tag länger. Meistens geht es dabei jedoch um vermeintlich rassistische Inhalte, die „damals wie heute falsch“ seien. Zuletzt gab es in Baden-Württemberg helle Aufregung um Wolfgang Koeppens „Tauben im Gras“ aufgrund der darin enthaltenen „N-Wörter“. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) versuchte sich als Schlichter und fragte, was dann zum Schluss aus der Bibel werde.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und kommt jetzt aus den USA, genauer gesagt aus Utah. Im Davis County, einem wenige Kilometer nördlich der Hauptstadt Salt Lake City gelegenen Bezirk, soll die Bibel ab sofort aus dem Unterricht verbannt werden. Davon betroffen sind alle Schulen unterhalb der Highschool, die von Kindern und Jugendlichen im Alter unter 16 bzw. 17 Jahren besucht werden.
Es ist wohl kaum Zufall, dass die Entscheidung ausgerechnet zu einer Zeit gefällt wurde, in der der Kulturkrieg auch und gerade in den USA besonders heftig tobt. Florida und einige weitere konservativ regierte Bundesstaaten hatten den Woken zuletzt den Fehdehandschuh hingeworfen und unter anderem der ungehinderten Verbreitung des Transgender-Hypes an ihren Schulen einen Riegel vorgeschoben.
Kommission hält Bibel für unbedenklich
Ist das Bibel-Verbot in einem Teil des Mormonen-Staats jetzt also nur so etwas wie ein Kniefall vor dem woken Zeitgeist? Es sieht ganz danach aus. Denn: Eine von der Schulbehörde eigens eingesetzte Kommission kam nach „Durchsicht der Bibel“ zu dem Ergebnis, dass deren Inhalte für Schüler zwar unbedenklich seien, wie der „Salt Lake City Tribune“ (SLCT) berichtet, aber auch „keinen ernsthaften Wert für Minderjährige“ hätten. Deshalb soll die Heilige Schrift jetzt aus den Schulen verbannt werden.
Zur Vorgeschichte: Im vergangenen Jahr trat in Utah ein Gesetz in Kraft, wonach Bücher mit „pornografischen und unanständigen Inhalten“ als Lehrmittel an Schulen aus dem Verkehr gezogen werden können – oder eben, wenn sie „keinen ernsthaften Wert für Minderjährige“ haben. Die Entscheidung darüber, was (zu) „pornografisch und unanständig“ ist oder wie „wertvoll“ ein Buch ist, liegt bei den Bezirken selbst; im Falle des Davis County offenbar bei der erwähnten Kommission der Schulbehörde.
Natürlich handelt es sich dabei um eine sehr wachsweiche Formulierung, die alles oder nichts bedeuten kann. Das sahen offensichtlich auch einige Eltern so, die in einem Beschwerdebrief argwöhnten: „Jetzt können wir alle Bücher verbieten und müssen sie nicht einmal mehr lesen.“ Es fehle jetzt nur noch, dass die Bibel verboten werde, denn schließlich sei das Buch, so zitiert der SLCT aus dem Brief, „eines der sexgeladendsten Bücher überhaupt.“
Die Bibel sei voll von Inzest, Masturbation, sexuellen Handlungen mit Tieren, Prostitution, Genitalverstümmelung, Oralverkehr, Vergewaltigung und dergleichen mehr. Dass die genannten Akte im Buch der Bücher aber in aller Regel scharf verurteilt werden, scheint für die kulturellen Inquisitoren der Neuzeit dabei schon keine Rolle mehr zu spielen.
Aus Spaß wurde ernst
Kurios: Art und Aufmachung des Berichts im SLCT legen die Vermutung nahe, dass die Frage, warum die Bibel an den Schulen in Utah noch nicht verboten sei, mit einem eher ironisch gemeinten Unterton gestellt wurde. Ein weiterer Beleg dafür, dass man heutzutage auch mit sarkastischen Vorschlägen sehr vorsichtig sein sollte.
Denn irgendwo sitzt immer ein woker Kulturkrieger, der sich dann mit der Hand auf die Stirn schlägt und sich fragt, warum er da nicht schon selbst darauf gekommen ist. So wie es jetzt augenscheinlich auch bei der Schulbehörde im Davis County in Utah der Fall gewesen ist.
Der Abgeordnete Ken Ivory (Republikaner), aus dessen Feder das umstrittene Gesetz stammt, nahm die Klage mit Humor, da er die Schule ohnehin als falschen Ort für das Bibel-Studium ansieht. Er bezeichnete gegen SLCT die Heilige Schrift als „Herausforderung für junge Leser“ und diese sollten im Idealfall „im Heim und am Herd, im Kreis der Familie“ über die Bibel unterrichtet werden – wohlwissend, dass eine solche Äußerung nur in einem ultrakonservativen Bundesstaat wie Utah möglich ist.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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