Bestes Hilfsmittel gegen Hitze? Vorschriften! „Hitzetauglichkeit der Kleiderwahl und Körperbedeckung einschätzen"

Von Ekaterina Quehl
"
Immer wenn ich in den letzten Jahren etwas über irgendwelche Maßnahmen oder Bestimmungen las, versuchte ich, zunächst trotz deren Absurdität eine Logik dahinter zu finden. Es muss doch bestimmt einen plausiblen Hintergrund für denjenigen gegeben haben, der zu Corona-Zeiten eine Regel einführt, in Pools nur im Kreis schwimmen zu dürfen. Oder das Maskentragen im Freien nur in bestimmten Stunden oder auf manchen Straßen je nach Hausnummer vorzuschreiben. Es muss doch eine logische Erklärung geben, warum für Kinobesuche 2G Plus galt, aber für Busse 3G.

Zwar haben viele Entscheidungsträger im Nachhinein zugegeben, aus Unwissenheit mit übertriebener Vorsicht gehandelt zu haben, aber lieber ein Kreis-Schwimm-Gebot als schwimmende Teile der Bevölkerung dem Risiko auszusetzen, sich mit Covid anzustecken, wenn sie weiterhin wie gewohnt Bahnen schwimmen würden.

So auch heute, in post-pandemischen Zeiten des zurückkehrenden Klimawandels frage ich mich, warum manche rudimentären menschlichen Handlungen in Deutschland stets einem Regelwerk unterliegen müssen. Diese Frage hat mich letzte Zeit stark beschäftigt. Haben die Entscheidungsträger so wenig Vertrauen in die geistigen Fähigkeiten der Menschen, die sie gewählt haben?

Erst nachdem ich – dank des Hinweises eines Lesers – den Musterhitzeschutzplan für ambulante Psychotherapeutische Praxen auf der Seite der Landes-Psychotherapeuten-Kammer Rheinland-Pfalz las, hatte ich eine Antwort auf meine Frage. Endlich habe ich das Geheimnis dieses Landes erkannt, dachte ich.

Wobei der Hitzeschutzplan kurz nach Erscheinen dieses Artikels von der Seite verschwand. Doch siehe da – er geht weit über Rheinland-Pfalz hinaus. Er basiert auf einem „Musterhitzeschutzplan“ der Bundespsychotherapeutenkammer (nachzulesen hier).

Jetzt Neu und nur für kurze Zeit!

Schon die Überschrift machte mich neugierig: Musterhitzeschutzplan – was könnte das für ein Plan sein? Ist es eine Einbau-Anleitung für Klimaanlagen? Oder gibt es neue Erkenntnisse, wie man sich verhalten muss, wenn es zu heiß wird? Wird es in psychotherapeutischen Praxen anders warm als in anderen Häusern Deutschlands?

Der Musterhitzeschutzplan besteht aus fünf Teilen und wurde gemeinsam von der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), der „Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit“ (KLUG) e.V. und den „Psychologists/Psychotherapists for Future e.V.“ entwickelt.

„Expert*innen weisen seit Längerem darauf hin, dass den zunehmenden Hitzegefahren für Körper und Psyche nur mit effektiven Schutzkonzepten für die Sommermonate begegnet werden kann“, schreiben die Verfasser, stramm gegendert.

Auf sechs Seiten erklären sie den Mitarbeitern der psychotherapeutischen Praxen, wie sie und ihre Patienten sich verhalten müssen, wenn es zu heiß wird.

Es gibt „Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Sommer“, „Maßnahmen während der Sommermonate“, „Maßnahmen bei Warnstufe I (gefühlte Temperatur an zwei folgenden Tagen über 32 °C)“, „Maßnahmen bei Warnstufe II (gefühlte Temperatur über 38 °C)“ und Maßnahmen zur mittel- und langfristigen Anpassung.

Alle Maßnahmen unterliegen einer Struktur bzw. Organisation, es gibt einen theoretischen Teil und einen praktischen Teil, und es gibt Schulungen.

So gilt es beispielsweise, bei den vorbereitenden Maßnahmen den Musterhitzeschutzplan zu Beginn des neuen Jahres auf Aktualisierungen zu prüfen und mögliche Kühlräume zu identifizieren. Nicht dass man sich eines heißen Tages ohne diesen Hinweis in eigener Praxis auf der Suche nach einem kühleren Raum verläuft. Auch muss man Verantwortliche für das Aufschreiben der Raumtemperaturen einführen. Schließlich sollte man keinem Raumthermometer vertrauen.

Im praktischen Teil „der Maßnahmen während der Sommermonate“ sollen die „Mitarbeitenden „Patient*innen empfehlen, Aufenthaltsbereiche in der Wohnung, auf der Arbeit und in der Schule auf Hitzeexposition zu überprüfen und ggf. zum Aufenthalts- und Raumwechsel motivieren. Auch sollen sie „zu Hause eine Kühlschrankkontrolle auf verderbliche Lebensmittel mit ggf. Entsorgung empfehlen“. Ernst jetzt? Braucht es wirklich einen Rat eines Arztes oder eines medizinischen Mitarbeiters, damit Leute bei Hitze aus heißen Räumen in kalte Räume gehen? Sind wir so verblödet? 

Selbst wenn: Wenn ein Arzt oder ein medizinischer Mitarbeiter ohne einen Musterhitzeschutzplan es nicht hinbekommt, seinen Patienten zu erklären, dass sie zuhause aus einem heißen in einen kühleren Raum gehen sollen bzw. ausreichend trinken und verdorbene Lebensmittel wegwerfen, dann frage ich mich, wie sie ihre Medizinausbildung überhaupt zustande bekommen haben.

Spannend wird es im praktischen Teil bei „Maßnahmen bei Warnstufe 1“ und „Maßnahmen bei Warnstufe 2“. Denn dann sollten die Praxis-Mitarbeitenden – verzeihen Sie mir, dass ich das Gendern übernehme – „gefährdete Patient*innen proaktiv ansprechen“ und ihnen unter anderem „Möglichkeiten zur Kühlung anbieten“. Sie sollen auch die „Hitzetauglichkeit der Kleiderwahl und Körperbedeckung einschätzen und ggf. Anpassung empfehlen“. „Bei vulnerablen Patient*innen Zeichen von Hitzebelastung Mitbehandler*innen, Haus-ärzt*in und/oder Unterstützungsnetzwerk nach Schweigepflichtentbindung melden“ und bei Temperaturen über 38 Grad, also Warnstufe II – bei den Patienten „Aufenthaltswechsel in andere Haushalte (z. B. von Angehörigen) oder Einrichtungen anregen“, wenn die „Wohnsituation dies erfordert (Hitzegefährdung und Senkung der Raumtemperatur nicht möglich)“.

„Maßnahmen zur mittel- und langfristigen Anpassung“ beinhalten unter anderem „Bauliche Maßnahmen zum Hitzeschutz in der Praxis umsetzen (z. B. gute Jalousien, Lüftungsanlagen, nur notfalls Klimaanlagen), evtl. Kontaktaufnahme mit Vermieter*innen“, Ausüben von Einfluss auf die Stadtplanung (individuell und durch Berufsorganisationen)“.

Hand aufs Herz: Wenn es eines sechsseitigen Konzeptes bedarf, um medizinischen Mitarbeitern zu erklären, wie sie sich selbst und ihren Patienten gegenüber in heißen Sommermonaten verhalten sollen, dann hat die Evolution einen großen Umweg um Deutschland gemacht.

Und das muss wohl die Antwort auf die Frage sein, die ich mir so lange gestellt habe: Warum gibt es in Deutschland Regeln, Gebote, Anleitungen und Konzepte für etwas, was in anderen Ländern ein durchschnittlicher Mensch ganz allein und ohne jegliche Vorschriften hinbekommt?

Denn es handelt sich um primäre Bedürfnisse, die ich evolutionsbedingt ganz allein und ohne Vorschriften befriedigen kann. Und wenn Kinder, Alte und Kranke es selbst nicht machen können, dann weiß ich, wie ich ihnen helfen kann. Und wenn ich in einem Konzept nachschlagen muss, dass ich einem hilfebedürftigen Menschen was zu trinken geben soll, dann bin ich entweder selbst krank oder ich werde für krank gehalten.

Das ist für mich die einzige Erklärung, warum man all die Gelder, mit denen solche Musterhitzeschutzpläne gefördert werden, nicht in das investiert, was in anderen Ländern in warmen Regionen gang und gäbe ist – Klimawandel hin oder her, und was tatsächlich in Praxen, Büros und Wohnungen gegen die Hitze hilft: in Klimaanlagen. Doch sie sind politisch nicht gewollt und gar eine Sünde – im Gegensatz zu German Angst. Offenbar lohnt sich eine Investition in sie wesentlich mehr.

Meine Seite braucht Ihre Unterstützung

Wenn Sie weiter Artikel wie diesen lesen wollen, helfen Sie bitte mit! Sichern Sie kritischen, unabhängigen Journalismus, der keine GEZ-Gebühren oder Steuergelder bekommt, und keinen Milliardär als Sponsor hat. Und deswegen nur Ihnen gegenüber verpflichtet ist – den Lesern! 1000 Dank!!!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video

Pervertierung der GEZ-Zwangsgebühr: Merkels Regierungssprecherin wird neue RBB-Intendantin

YouTube player
Jetzt Neu und nur für kurze Zeit!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Ekaterina Quehl ist gebürtige St. Petersburgerin, russische Jüdin und lebt seit über 19 Jahren in Berlin. Pioniergruß, Schuluniform und Samisdat-Bücher gehörten zu ihrem Leben wie Perestroika und Lebensmittelmarken. Ihre Affinität zur deutschen Sprache hat sie bereits als Schulkind entwickelt. Aus dieser heraus weigert sie sich hartnäckig, zu gendern. Mit 27 kam sie nach einem abgeschlossenen Informatik-Studium nach Berlin und arbeitete nach ihrem zweiten Studienabschluss viele Jahre als Übersetzerin, aber auch als Grafikerin. Mittlerweile arbeitet sie für reitschuster.de.

Bild: Shutterstock

Mehr von Ekaterina Quehl auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert