Demokratie-Nachhilfe für Schüler – weil sie „falsch“ gewählt haben "Ein Resultat, das wir nicht einfach so hinnehmen wollen"

Von Kai Rebmann

Die Anne-Frank-Schule in Eschwege und Wanfried (Hessen) versteht sich den eigenen Worten zufolge als Einrichtung, die für „Respekt, Toleranz und demokratische Werte“ steht. Also war es für die Verantwortlichen naheliegend, mit ihren Schülern anlässlich der EU-Wahl eine sogenannte Juniorwahl durchzuführen. Und siehe da, die Direktion wurde von dem Ergebnis offenbar auf dem völlig falschen Fuß erwischt:

Die CDU lag mit 26,7 Prozent hauchdünn vor der AfD (25,7 Prozent) und der SPD (19,9 Prozent). Erst mit einigem Abstand landeten Die Partei (4,2 Prozent) und die Linke (3,7 Prozent) auf den weiteren Plätzen. Alle weiteren Parteien („Sonstige“) kamen zusammen auf 19,9 Prozent. Von 464 Wahlberechtigten nahmen 391 Schüler teil, was einer Beteiligung von 84,27 Prozent entspricht.

Betreutes Denken soll mehr Demokratie-Verständnis bringen

Gelebte Demokratie an einer Schule in Deutschland und damit alles gut? Mitnichten, denn die Schulleitung spricht plötzlich von einem Resultat, „das wir nicht einfach so hinnehmen wollen“. Erste Sofort-Maßnahmen wurden offenbar auch schon eingeleitet. Via Facebook versichert die Schule, dass man bereits „mit unseren Schülerinnen und Schülern über die Ergebnisse gesprochen“ habe. In diesem Zusammenhang seien auch „die Bedeutung demokratischer Werte und Prozesse noch einmal analysiert und diskutiert worden“.

Demnach hat es also schon in der Vergangenheit eine wie auch immer geartete „Demokratie-Nachhilfe“ gegeben, wenn die Direktion jetzt betont, dass man mit den Schülern „noch einmal“ darüber sprechen wolle bzw. damit bereits begonnen habe. Umso frustrierender muss es für die Macher der Juniorwahl in Eschwege und Wanfried sein, wenn die Schüler dann trotzdem – oder gerade deswegen? – ihr Kreuz nicht da machen, wo sie gefälligst sollen.

In einer „eigens angesetzten Dienstversammlung“ hat das politisch überaus korrekte Kollegium der Anne-Frank-Schule gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Elternbeirats über weitere Schritte als Reaktion auf den ungeheuerlichen Ausgang der Juniorwahl beraten. Ziel sei es, „die politische Bildung an unserer Schule so (zu) gestalten, dass unsere Schülerinnen und Schüler ein tieferes Verständnis für die Bedeutung und Errungenschaften unserer Demokratie entwickeln“.

Scheinbar ohne es selbst zu merken, reden die selbsternannten Hüter der Demokratie den Zuständen das Wort, die man in autoritären bis totalitären Systemen erwarten würde. Auch die Machthaber in der DDR hielten sich für lupenreine Demokraten, zumindest taten sie nach außen hin so. Ein Pamphlet wie jenes, das die AFS in den Tagen nach der EU-Wahl veröffentlicht hat, hätte in ziemlich genau diesem Wortlaut auch im Ministerium für Staatssicherheit verfasst werden können.

Politische Diskussionen mit handverlesenen Rednern?

Weiter heißt es darin: „Geplant sind eine stärkere Ausrichtung des Lernens auf die Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, neue Projekte, Aktionen und Workshops sowie regelmäßige Diskussionsforen mit Politikerinnen und Politikern.“ Außerdem wolle man „noch intensiver mit externen politischen Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten“.

Nur wirklich sehr böse Zungen werden jetzt einwenden wollen, dass zu „Diskussionsforen“ in einer Demokratie auch und gerade Politiker der Opposition gehören. Ob es zu solchen Einladungen in Eschwege und Wanfried kommen wird? Es scheint Gründe zu geben, um daran berechtigte Zweifel zu haben.

Denn abschließend unterstreicht die Direktion noch einmal: „Wir möchten gerade als Anne-Frank-Schule, Europaschule und Courageschule Haltung zeigen. Wir setzen uns dafür ein, dass Respekt, Toleranz und demokratische Werte erkannt, gelebt und geschätzt werden – nicht nur an unserer Schule, sondern in der gesamten Gesellschaft.“

Im Klartext: Die „demokratischen Werte erkannt“ hat nach Ansicht der Schulleitung nur, wer auch in der Lage und willens ist, sein Kreuz an der „richtigen“ Stelle zu machen – und sei es „nur“ bei einer Juniorwahl an der eigenen Schule.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Mo Photography Berlin, Symbolbild

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