Von Kai Rebmann
Bis zu 9.452 Spender soll Michael Ballweg unrechtmäßig um ihr Geld gebracht haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft dem Querdenken-Gründer unter anderem versuchten Betrug in ebenso vielen Fällen vor. Zudem soll Ballweg, so ein weiterer Anklagepunkt, im Jahr 2020 erzielte Gewinne nicht rechtmäßig versteuert oder mindestens zu spät versteuert haben.
Deshalb muss sich der ehemalige IT-Unternehmer seit Anfang Oktober 2024 vor dem Landgericht Stuttgart verantworten – und deshalb saß Michael Ballweg zwischen Juli 2022 und April 2023 bereits neun Monate in U-Haft. Im Gespräch mit reitschuster.de zeigten sich sowohl Michael Ballweg selbst als auch dessen Sprecherin optimistisch – Tenor: Mit jedem neuen Prozesstag werde immer klarer, dass die Staatsanwaltschaft gegen den 49-Jährigen offenbar nichts wirklich Handfestes vorzubringen habe.
Ursprünglich lautete die Anklage sogar auf vollendeten Betrug. Nachdem es der Staatsanwaltschaft aber trotz emsiger Bemühungen – mehrere tausend Querdenken-Spender waren persönlich angeschrieben worden – nicht gelungen war, auch nur einen Ballweg-Anhänger zu finden, der sich durch die vermeintliche Zweckentfremdung zumindest eines Teils der Gelder betrogen fühlte, musste der Tatvorwurf auf versuchten Betrug abgeschwächt werden.
Auf welch tönernen Füßen die Argumentationskette der Staatsanwaltschaft aufgebaut scheint, wurde schon zu Beginn des Verfahrens deutlich. Beim Prozessauftakt wunderte sich Ballweg gegenüber der NZZ: „Wenn 1,27 Millionen Euro von Spendern eingezahlt wurden und mehr als 843.000 Euro an Ausgaben für Querdenken belegt sind, wie kann ich denn dann 575.000 Euro für mich behalten haben, so wie die Anklage es darstellt?“
Querdenken-Demos bringen Verlust in sechsstelliger Höhe
Während der beiden Verhandlungstage in dieser Woche rückte zunehmend der angeklagte Vorwurf der Steuerhinterziehung in den Vordergrund. Am Dienstag wurde hierzu ein Beamter der Oberfinanzdirektion Karlsruhe in den Zeugenstand gerufen. Der Mann tauchte vor dem Landgericht Stuttgart mit einem eigenen Rechtsanwalt auf, was per se schon ein ungewöhnlicher Vorgang ist. Viel zur Sache beitragen konnte der Zeuge jedoch nicht.
Das änderte sich, als Michael Ballweg im Anschluss die Erklärung einer Steuerberatungsgesellschaft mit Datum vom 5. Oktober 2023 vorlegen konnte. In dem von seiner Steuerberaterin unterschriebenen Dokument wird Ballweg bescheinigt: „Sie haben uns mit der Erstellung Ihrer Einkommenssteuererklärungen 2020 und 2021 beauftragt und alle notwendigen Unterlagen übergeben.“
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft noch brisanter war dabei das Ergebnis: Nach Auskunft der Steuerberaterin machte Ballweg im angegebenen Zeitraum keinen Gewinn, sondern fuhr einen dicken Verlust ein. In dem Jahr wurde mit „Querdenken 711“ demnach ein Minus in Höhe von genau 25.708,77 erzielt, im Jahr darauf lag der Verlust gar bei 54.668,68 Euro. Die Staatsanwaltschaft erklärte daraufhin, von diesen Zahlen bis dato keine Kenntnis gehabt zu haben.
Ganz im Gegenteil gingen die Ermittler offenbar von Gewinnen in nicht unerheblicher Höhe aus. Auf welcher Grundlage diese Einschätzung erfolgte, blieb bis dato vollkommen unklar. Für Ralf Ludwig, einer von insgesamt vier Anwälten des Querdenken-Gründers, ist die Sache klar: „Die Unterstellung von Einnahmen und Provisionszahlungen ohne konkrete Belege zeigt, dass hier offenbar nach Gründen gesucht wurde, um Herrn Ballweg politisch zu schaden.“ Dessen Kollegin Susanne Bauknecht ergänzt: „Im Rahmen der heutigen Befragung wurde erneut deutlich, dass die steuerlichen Ermittlungen nicht aufgrund konkreter Verdachtsmomente, sondern offenbar auf Zuruf und ohne substantielle Beweise eingeleitet wurden.“
Laut Anklage soll Ballweg bei der Stadt Stuttgart ein Gewerbe unter anderem zur Durchführung von Demos, dem Verkauf von Werbeartikeln und für Eventmanagement angemeldet haben. In diesem Zusammenhang wird dem Querdenken-Gründer die versuchte Hinterziehung von 324.307 Euro Einkommenssteuer und 63.636 Euro Gewerbesteuer vorgeworfen. Darüber hinaus geht die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Ballwegs früherer IT-Firma von einer vollendeten Hinterziehung von 78.060,84 Euro Umsatzsteuer sowie versuchter Hinterziehung von 52.750,00 Euro Körperschaftssteuer und 51.685,00 Euro Gewerbesteuer aus.
Finanzbeamtin agiert als reine Befehlsempfängerin
Am gestrigen Donnerstag wurde dann deutlich, wie problematisch es ist, dass praktisch jeder Beamte in Deutschland gegenüber irgendjemandem weisungsgebunden ist. Das heißt, etwas verständlicher und gleichzeitig klarer ausgedrückt, es handelt sich mehr oder weniger um reine Befehlsempfänger.
Eine Zeugin, die zum fraglichen Zeitpunkt noch beim Finanzamt Stuttgart I arbeitete und dort unter anderem für Michael Ballweg zuständig war, musste einräumen, eine beantragte Fristverlängerung über den 31. August 2022 hinaus nicht gewährt zu haben. Dies sei nach Rücksprache mit der Steuerfahndung erfolgt, wie die Frau erklärte. Dabei wäre es ihre Pflicht gewesen, über den Antrag auf Fristverlängerung auf Grundlage der ihr vorliegenden Erkenntnisse nach eigenem Ermessen zu entscheiden.
Die Beamtin war rein formal zwar nicht gegenüber dem auf diesen Fall angesetzten Fahnder weisungsgebunden, dieser aber wiederum einem Vorgesetzten, der irgendwo hinter einem noch größeren Schreibtisch sitzt. Der Verdacht der politischen Einflussnahme erscheint in diesem Fall also nicht ganz abwegig.
Zur Erinnerung: Ende August 2022 saß Ballweg bereits in U-Haft und seine steuerlichen Unterlagen waren zu diesem Zeitpunkt bereits beschlagnahmt worden. Davon erlangte die als Zeugin geladene Beamtin des Finanzamtes Stuttgart I spätestens im Oktober 2022 Kenntnis und hätte die beantragte Fristverlängerung dann auch rückwirkend noch gewähren können, wenn nicht sogar müssen. Sie tat es nicht, weil sie der Vorgabe der Steuerfahndung blindlings folgte.
Anwalt sieht Steuerstrafverfahren als hinfällig
Ballweg konnte seine Steuererklärung weder selbst abgeben noch abgeben lassen. Dieses vermeintliche, jedenfalls von der Staatsanwaltschaft Stuttgart so vorgeworfene „Versäumnis“ wurde dann mit der oben zitierten Erklärung vom 5. Oktober 2023 nachgeholt.
Rechtsanwalt Ludwig erklärte hierzu am Donnerstag: „Damit ist klar, dass die Strafanklage der Staatsanwaltschaft in sich zusammenbricht. Denn die Staatsanwaltschaft wirft Michael Ballweg ja versuchte Steuerhinterziehung wegen verspäteter Abgabe und vollendete Steuerhinterziehung in Bezug auf die Umsatzsteuern vor, weil eben am 31.08. diese Erklärungen nicht abgegeben waren. Aber mit der Aussage der Zeugin heute ist klar, dass die Nichtabgabe von Michael Ballweg nicht pflichtwidrig war und dass die Frage der Pflichtwidrigkeit, die eine Voraussetzung ist für das Einleiten des Strafverfahrens, überhaupt nicht geprüft worden ist durch die zuständige Sachbearbeiterin. Und das ist erstmal eine gute Nachricht für uns, weil damit das Steuerstrafverfahren an sich hinfällig ist.“
Der Fall Michael Ballweg zeigt leider einmal mehr, wie schnell und einfach Menschen mit der „falschen“ Gesinnung – oder auch einfach nur einer politisch nicht korrekten Meinung – im „besten Deutschland aller Zeiten“ hinter Gittern landen können. Für einen Staat, der sich gerne als Muster-Demokratie und funktionierenden Rechtsstaat versteht, ist das mehr als nur ein Armutszeugnis; es erinnert vielmehr an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte!
„Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“
sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Bei uns ist es wohl eher ein guter Anwalt – und der kostet Geld. Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber hat mich gerade angezeigt, weil ich es gewagt habe, ihre Amtsführung zu kritisieren. Es geht um mehr als nur diesen Fall. Es geht um das Recht, Kritik an den Mächtigen zu üben, ohne kriminalisiert zu werden. Helfen Sie mir, dieses wichtige Recht zu verteidigen! Jeder Beitrag – ob groß oder klein – macht einen Unterschied. Zusammen können wir dafür sorgen, dass unabhängiger Journalismus stark bleibt und nicht verstummt. Unterstützen Sie meine Arbeit:
1000 Dank!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich:
Über diesen LinkÜber den Umweg SendOw geht aktuell auch eine Unterstützung via Paypal – über diesen Link.
Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71 oder BE43 9672 1582 8501
BITCOIN-Empfängerschlüssel auf Anfrage
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
Meine neuesten Videos und Livestreams
Merz – die finale Selbstkastration und Unterwerfung der „Opposition“ unter die rot-grüne Agenda
Der Schein-Schöngeist dechiffriert: Habecks Küchentisch-PR – ein Soufflé, das in sich zusammenfällt
Scholz-PK für Sie dechiffriert: Wie der Kanzler lügt und sich mit Taschenspielertricks durchmogelt
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Screenshot Video querdenken-711.de / Kopp-VerlagBitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de