Sehen Sie hierzu meinen aktuellen Bericht von der heutigen Bundespressekonferenz auf Youtube.
Die Bundeskanzlerin musste heute eingestehen, dass es ein Fehler war, einen harten Lockdown für die Ostertage zu fordern. Ein weiterer Höhepunkt im Versagen der Regierung in ihrer Corona-Politik. Als ich heute zur Bundespressekonferenz fuhr, ging ich davon aus, dass dies das wichtigste Thema dort sein würde. Vielleicht bin ich etwas naiv, aber anders konnte ich es mir einfach nicht vorstellen. Umso größer mein Erstaunen, dass zumindest in meiner subjektiven Wahrnehmung ein ganz anderes Thema beherrschend war: Mögliche Reisen, insbesondere nach Mallorca. Sie können die Bundespressekonferenz heute in voller Länge hier ansehen und sich selbst ein Bild machen.
Der Tenor der Fragen war eindeutig: Er ging dahin, dass die Regierung nicht streng genug gegen Reisen einschreitet und Reiserückkehrer nicht hart genug an die Kandare nimmt. Tilo Jung von „Jung und Naiv“ fragte etwa: „Wenn ich zum Beispiel auf Mallorca Urlaub mache, mich einen Tag vor dem Abflug mit der brasilianischen Variante infiziere, vor dem Abflug getestet werde, der Test negativ ist und ich dann nach Deutschland komme, kann ich hier machen, was ich will und die brasilianische Variante verbreiten, weil es hier ja keine Quarantäne gibt.“
Merkels Sprecherin Ulrike Demmer antwortete: „Ich habe auf die geltenden Regeln verwiesen.“
Jung fügte hinzu: „Dann sind die vielleicht nicht gut genug.“
Ich habe Journalismus noch so gelernt, dass die Medien eine Wächterfunktion haben. Inzwischen drängt sich mir der Verdacht auf, dass sich manche Kollegen offenbar eher in einer Wärterfunktion sehen. In meinen frühen Berufsjahren war es weitgehend Konsens unter Journalisten, dass man staatlichen Eingriffen in Freiheitsrechte sehr kritisch gegenüberstand und diese massiv hinterfragte. Heute scheint dieser Konsens dahingehend ersetzt worden zu sein, vermeintlich nicht ausreichenden Eingriffen in Freiheitsrechte sehr kritisch gegenüberzustehen und diese massiv zu hinterfragen.
Das ist ein Paradigmen-Wechsel. Früher hätte so eine Haltung als stramm rechts gegolten. Heute ist es ausgerechnet die ideologische Linke, die sich für einen autoritären Staat einsetzt, für Law and Order. Früher hätte das als ausgesprochen spießig und ultra-konservativ gegolten. Heute ist es umgekehrt. Es gilt als schick in Journalistenkreisen. Wer da nicht mitmacht, macht sich verdächtig.
Verrückte Zeiten.
Wie kam es zu diesem Wandel? Die tendenziell stets eher linke Medienlandschaft ist irgendwann geistig mit Angela Merkel verschmolzen. Spätestens seit der Flüchtlingskrise sehen viele Journalisten in ihr eine Art Erlöserin. Heute rief mich empört ein Kollege an, der in Rente ist. Er war entsetzt, dass viele Kommentare zu Merkels heutiger Entschuldigung fast schon etwas von Heiligenberichterstattung hatten, mit einer geradezu peinlichen Überhöhung der Kanzlerin. Da ist zusammengewachsen, was nicht zusammenwachsen darf: Die Regierung und ihre Kontrolleure.
Die Fixierung auf Reisen von anderen heute auf der Bundespressekonferenz ist für mich schwer erklärbar. Auf der Hand liegt die Frage, ob hier Neid eine Rolle spielen könnte. Aber beantworten kann ich diese Frage nicht.
Ebenso wenig wie die Frage, wer bei dem deutschen Sonderweg mit dem Hammer-Lockdown wen antreibt: Die Medien die Regierung oder die Regierung die Medien. Mein Erklärungsversuch: Anfangs hat die Politik die Medien losgejagt. Deren Eifer hat sich verselbständigt und geht nun teilweise zumindest den moderaten Kräften in den Regierungen zu weit. Die Eskalations-Spirale, die da entstanden ist, hat verheerende Folgen für unser Land.
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Bild: Bihlmayer Fotografie/Shutterstock
Text: br