Ampel-Koalition schafft 758 weitere Beamtenstellen „Die Bundesministerien haben keinen objektiven Personalbedarf“

Von Kai Rebmann

Dass loyale Parteifreunde kurz vor Ende einer Legislaturperiode noch mit lukrativen Stellen belohnt werden, nicht selten mit Beamtenstatus, gilt in der deutschen Politik leider schon länger als gängige Praxis. Der Volksmund bezeichnet die Schaffung solcher Versorgungsposten als „Operation Abendsonne“. So wurden während der letzten Legislaturperiode von Angela Merkel (CDU) in den Bundesministerien über 2.500 neue Stellen geschaffen. Allein im Wahljahr 2021 wurden 200 sogenannte B-Stellen (Gehalt ab 7.200 Euro) neu besetzt, die letzten davon im Oktober 2021, also nach der Bundestagswahl. Kam Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) während seiner Regierungszeit noch mit 48 Staatssekretären aus, standen am Ende der Ära Merkel 71 Staatssekretäre auf der Gehaltsliste der Bundesregierung. Nicht zuletzt leistet sich Deutschland mit 736 Abgeordneten nach China das weltweit zweitgrößte Parlament.

Politiker der Grünen und FDP, damals noch in der Opposition, haben die „Operation Abendsonne“ der Großen Koalition unter Angela Merkel im vergangenen Jahr noch heftig kritisiert. Otto Fricke, Haushaltspolitiker der FDP sagte im Report Mainz dazu: „Der Kern meines Verdachtes ist, man versucht, langjährige, möglicherweise auch gut qualifizierte, aber langjährige SPD-Getreue erst im Justizministerium in Position zu bringen und zur Beförderung. Und als man merkt, dass es da schwieriger ist, weil Rechtsförmlichkeit da noch stärker ist, geht man dann auf einmal hin und macht das im Frauen-, Familie-, Jugend-, Senioren-Ministerium und versucht, sie dort in Position zu bringen. Und nicht wegen der Qualifikation, sondern wegen der, ich sage das mal vorsichtig, parteipolitischen Loyalität.“ Ähnlich klang es bei Sven-Christian Kindler (Grüne): „Die Große Koalition ist sehr großzügig, häufig zu sich selbst. Viele neue Spitzenstellen gehen eben häufig an Bewerberinnen und Bewerber von Union und SPD. Also, da spielt das Parteibuch leider eine zu große Rolle bei der Besetzung.“

Kaum haben Grüne und FDP die Seiten gewechselt und zusammen mit der SPD eine Ampel-Koalition unter der Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gebildet, melden die Bundesministerien gleich zu Beginn ihrer Amtszeit einen enormen Bedarf an zusätzlichem Personal an. Mit dem Bundesministerium für Wohnen, Städteentwicklung und Bauwesen wurde sogar gleich ein neues Ressort geschaffen, für das Bauministerin Klara Geywitz (SPD) laut dem Haushaltsplan für das Jahr 2022 insgesamt 104 neue Planstellen vorsieht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) benötigt demzufolge 103 zusätzliche Mitarbeiter, während Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Bedarf für 101 weitere Beamte sieht. Insgesamt sollen in den kommenden Wochen und Monaten bis zu 758 neue Beamte ihre Arbeit in den Bundesministerien aufnehmen, wodurch dem Steuerzahler Mehrkosten in Höhe von rund 60 Millionen Euro entstehen werden.

Bund der Steuerzahler und Opposition kritisieren 'gigantischen Aufwuchs'

Experten wie Prof. René Geißler von der TH Wildau oder Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, finden deutliche Worte für die Pläne der Ampel. „Die Bundesministerien haben keinen objektiven Personalbedarf. Es sind politische Behörden, die nicht besser funktionieren, wenn sie mehr Personal haben. Im Gegenteil. Sie werden noch größer, noch mehr Hierarchien, noch mehr Referate, die letztlich im Alltag gar keine Rolle spielen. Von daher ist es hochgradig dysfunktional.“, erklärt Geißler in der ARD seine Bedenken. Holznagel erinnert die Ampel-Koalition an ihre Wahlversprechen und ihre Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler, wenn er sagt: „Unterm Strich sehen wir einen gigantischen Aufwuchs. Insofern hält die Regierung nicht, was sie verspricht, nämlich Prioritäten setzen und sparsam sein.“

Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der AfD, greift insbesondere die FDP an und kritisiert die in diesem Zusammenhang offengelegte Doppelmoral der Liberalen: „Die Altparteien machen sich den Staat zur Beute! Was die FDP als Opposition gefordert und versprochen hatte, ist nun in der Regierung nichts mehr wert. So zeigt sich, dass die aktuelle Bundesregierung keinen Deut besser ist als die letzte: Statt der dringend notwendigen Einsparungen werden mehr und mehr teure Beamtenposten in den Ministerien geschaffen. Offenbar nutzt insbesondere die FDP ihre absehbar kurze Zeit in der Regierung, ihr Klientel unterzubringen. Das ist schäbig und durchschaubar.“

Aushöhlung des Prinzips der Bestenauslese, Rücktritt nach Beförderungs-Affäre

Der Gesetzgeber schreibt bei der Besetzung öffentlicher Ämter eigentlich das Prinzip der Bestenauslese vor. Das gilt von der Besetzung der Ministerposten über die Staatssekretäre bis hin zum Leiter der Führerscheinstelle in einem beliebigen Landkreis. Im Grundgesetz heißt es dazu: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ (Artikel 33 Absatz 2 GG) Dieser Grundsatz wurde von Kanzler Scholz schon bei der Besetzung seines Kabinetts ganz bewusst und in sträflicher Weise ignoriert und scheint auch einige Dienstebenen darunter nicht immer die größte Rolle zu spielen.

Im Zuge der „Operation Abendsonne“ packte ein Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums im Report Mainz aus. „Ein Vertrauter der Hausleitung sollte unbedingt ins Beamtenverhältnis befördert werden. Doch sechzehn weitere Bewerber hatten bessere interne Beurteilungen. Um nicht gegen das Beamtenrecht zu verstoßen, wurden einfach alle siebzehn auf einmal übernommen. Jetzt nennen ihn viele im Ministerium hinter vorgehaltener Hand Nummer Siebzehn“, so der Insider. Auch Prof. Dr. Jan Schnellenbach von der TU Brandenburg betonte damals, dass es gerade vor Wahlen keine objektiven Gründe gäbe, im größeren Umfang neue Stellen zu schaffen: „Aber genau das sieht man. Und wenn man dann Motivforschung betreibt, dann spricht einiges dafür, dass es tatsächlich dieses Versorgungsmotiv und das politisch strategische Motiv sind, die hier dahinterstecken.“

Manche Politiker übertreiben es dann aber doch etwas zu sehr. Ein Beispiel hierfür ist Ulrike Höfken (Grüne), die im November 2020 als Landesumweltministerin von Rheinland-Pfalz zurücktreten musste. Wenige Monate vor der Landtagswahl war der politische Druck auf Höfken und ihren Staatssekretär Thomas Griese (Grüne), der ebenfalls seinen Hut nehmen musste, zu stark geworden. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hatte der Beförderungspraxis im Landesumweltministerium kurz zuvor bescheinigt, von „Willkür geprägt“ zu sein. Eine Regierungsrätin aus dem Umweltministerium hatte sich bei der anstehenden Beförderung von der Besoldungsgruppe A13 auf A14 übergangen gefühlt und war deshalb vor das OVG gezogen. Die Richter in Koblenz bezeichneten das bei Beförderungen innerhalb des Landesumweltministeriums angewandte Verfahren in ihrer Urteilsbegründung als „grob rechtswidrig“, „intransparent“ und „letztlich willkürlich“. Nachfolgerin von Ulrike Höfken als Umweltministerin von Rheinland-Pfalz wurde damals übrigens, wohl ganz dem Prinzip der Bestenauslese folgend, eine gewisse Anne Spiegel (Grüne).

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock
Text: kr

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