Von Kai Rebmann
Zumindest die groben Züge der klassischen Ernährungspyramide kennt wohl jeder. Das Modell soll Verbrauchern mit einfachsten Mitteln erklären, welche Art der Ernährung von Experten empfohlen wird. Um Klimafragen ging es dabei nicht, im Vordergrund stand alleine die menschliche Gesundheit – bis jetzt!
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, hat in einer aktuellen Veröffentlichung ihre bisherigen Empfehlungen radikal angepasst. Statt maximal 600 Gramm Fleisch oder Wurst pro Woche sollen die Deutschen ihren Konsum auf die Hälfte reduzieren. Das Frühstücksei soll es nur noch höchstens einmal pro Woche geben, der Verzehr von Milchprodukten von bisher drei auf maximal noch zwei Portionen pro Tag gesenkt werden.
Kühe werden zur Umweltsau gemacht
Die dadurch entstehenden Lücken auf dem Speiseplan sollen in erster Linie durch Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen gefüllt werden. Vor allem rotes Fleisch, zum Beispiel Rind, Schwein oder Lamm, wird zunehmend kritisch gesehen, und das nicht (mehr) nur, weil es im Verdacht steht, Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu begünstigen.
Auch wenn das neue Modell von der DGE nicht so genannt wird – zumindest nicht offiziell – ist klar ersichtlich, dass aus der bisherigen Ernährungspyramide längst eine „Klima-Pyramide“ geworden ist. Drei Viertel pflanzliche und maximal noch ein Viertel tierische Lebensmittel, so lautet die neue Losung und DGE-Präsident Dr. Bernhard Watzl begründet: „Wenn wir uns gesund ernähren und gleichzeitig die Umwelt schonen wollen, müssen wir unsere Ernährung jetzt ändern.“
Damit das möglichst schon in den Köpfen unserer Kinder verankert wird, leistet auch die AOK ihren Beitrag. In einer aktuellen Ausgabe des hauseigenen Magazins „Jolinchen“ fragt die Krankenkasse auf der Titelseite: „Heuschrecke gefällig?“
Im Innenteil des Heftchens wird dann vor allem die Kuh zur Umweltsau gemacht. Natürlich darf dabei auch ein altbekanntes Narrativ nicht fehlen: „Rinder rülpsen und pupsen Methan in die Atmosphäre. Das ist für das Klima zehn- bis zwanzigmal schlimmer als CO₂. Insgesamt setzt die Tierhaltung sogar mehr Treibhausgase frei als der Verkehr.“
Die AOK bleibt also sehr im Ungefähren, etwa wenn sie schreibt, dass Methan „zehn- bis zwanzigmal schlimmer“ sei als CO₂ – eine recht große Spannweite, die die Frage aufwirft, auf welcher Basis diese Annahme beruht. Als Ausweg aus dem vermeintlichen Dilemma schlägt die selbsternannte Gesundheitskasse den Kindern deshalb vor: „Für die Umwelt wäre es gut, wenn wir anstatt Fleisch Insekten essen würden: Sie brauchen weniger Wasser, Futter und Platz. Gegen Massentierhaltung haben Maden auch nichts. Und obendrein enthalten die kleinen Krabbler viel gesundes Eiweiß.“
„Insekten zum Abendessen“
Dass die Umerziehung auf dem Speiseplan unserer Kinder aber nicht ganz einfach werden dürfte, schwant den Machern des AOK-Comics dann doch noch. In der Kurzgeschichte „Insekten zum Abendessen“ suchen Jolinchen und sein Freund, der Fuchs, im Garten nach etwas Essbarem – aber nicht im Gemüsebeet, zunächst jedenfalls nicht. Als Vorspeise empfiehlt der Fuchs einen Regenwurm, zum Hauptgang sollen es dann allerlei Krabbeltiere sein.
Nach einigen von reichlicher Skepsis geprägten Diskussionen entscheiden sich die beiden dann doch für eine Pilz-Bolognese und Karotten, für welches die AOK das Rezept in dem vorliegenden Heft freundlicherweise gleich mitliefert.
Die Absicht dahinter erscheint klar: Mit der Politik der kleinen Schritte sollen Kinder langsam an das „Essen der Zukunft“ herangeführt werden – und Fleisch soll dabei ganz offensichtlich keine Rolle mehr spielen.
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