EU lässt Hausgrille und Getreideschimmelkäfer als Lebensmittel zu Vegetarisch, aber nicht vegan

Von Kai Rebmann

Jetzt kommt das Dschungelcamp als Brettspiel für zu Hause! Während sich die D-Promis für das voyeuristische Publikum bei RTL im australischen Outback häuslich einrichten, revolutioniert die EU-Kommission den Speiseplan ihrer Untertanen. Oder sie versucht es zumindest. Nach dem Mehlwurm und der Europäischen Wanderheuschrecke sollen seit Anfang dieses Jahres nun auch die Hausgrille und der Getreideschimmelkäfer für den menschlichen Verzehr geeignet sein. Wenn Sie demnächst auf der Zutatenliste also Begriffe wie „Acheta domesticus“ oder „Alphitopius diaperinus“ lesen, so handelt es sich dabei weder um Geschmacksverstärker noch um Konservierungs- oder Farbstoffe.

Man ahnt natürlich sofort, woher der Wind weht: Der Mensch konsumiert zu viel Fleisch und befeuert damit die vermeintliche Klima-Apokalypse. Es geht daher um die Suche nach alternativen Proteinquellen. Und was eignet sich da besser als Insekten? Schließlich bringt es die Hausgrille auf 68 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm Lebendgewicht. Der Getreideschimmelkäfer kann da zwar nicht ganz mithalten, liefert aber immerhin 57 Gramm des essentiellen Baustoffs für humane Zellen. Apropos Lebendgewicht: Insekten gelten laut dem Portal „Eat Small“ zwar als vegetarisches Lebensmittel, vertragen sich aber nicht mit einer veganen Ernährungsweise. Warum das so sein soll, weiß wohl nur der Wind.

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Die aktuelle Novelle der EU-Lebensmittelverordnung geht im Fall der Hausgrille auf einen Antrag der Cricket One Co. Ltd. zurück, einem in Vietnam ansässigen Unternehmen. Darin heißt es: „Der Antrag betraf die Verwendung von teilweise entfettetem Pulver aus ganzem Acheta domesticus (Hausgrille) in Mehrkornbrot und -brötchen, Cracker und Brotstangen, Getreideriegel, Vormischungen für Backwaren, Kekse, Erzeugnisse aus Teigwaren (trocken), gefüllte Erzeugnisse aus Teigwaren (trocken), Soßen, Kartoffelerzeugnisse, Gerichte auf Basis von Hülsenfrüchten und Gemüse, Pizzen, Gerichte auf Basis von Teigwaren, Molkenpulver, Fleischanalogen, Suppen und Suppenkonzentraten oder -pulver, Snacks auf Maismehlbasis, bierähnliche Getränke, Schokoladenerzeugnisse, Nüsse und Ölsaaten, Snacks außer Chips und Fleischzubereitungen.“

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Ja, richtig gelesen: Vorerst müssen sich die Feinschmecker in der EU im Falle der Hausgrille mit der Darreichung in Pulverform begnügen. Damit steht die Acheta domesticus deutlich hinter der Europäischen Wanderheuschrecke zurück. Diese darf laut EU-Kommission „in Pulverform, getrocknet oder gefroren“ serviert werden. Sie eignet sich laut Brüssel als Snack oder ergänzende Zutat zu anderen Lebensmitteln. Aber auch zur Art und Weise der Produktion des proteinreichen Hausgrillen-Pulvers gibt es seitens der EU sehr klare Vorgaben. Nach dem Willen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist hierzu ein Prozess vorgesehen, der „eine 24-stündige Fastenzeit für die Insekten umfasst, bevor sie eingefroren, gewaschen, thermisch verarbeitet, entölt und schließlich in getrocknetes Pulver umgewandelt werden.“ Selbst jedem Grünen dieser Welt sollte spätestens an dieser Stelle der Appetit auf Insekten-Food gründlich vergehen, oder?

Deutlich mehr Flexibilität auf dem Speiseplan bietet dagegen der „Glänzendschwarze Getreideschimmelkäfer“. Dieser Sechsbeiner, der laut einer bekannten Online-Enzyklopädie als „gefürchteter Schädling in der Geflügelproduktion“ gilt, darf ab sofort nicht nur als Pulver in Lebensmitteln verarbeitet werden, sondern ebenso in gefrorener, pastenartiger und getrockneter Form. Zu verdanken haben wir das dem französischen Unternehmen Ynsect NL B. V., das einen entsprechenden Antrag in Brüssel gestellt hat. Die EU-Kommission hat jetzt die Verarbeitung in folgenden Lebensmitteln genehmigt: Getreideriegel, Brot und Brötchen, verarbeitetes Getreide und Frühstückscerealien, Porridge, Vormischungen (trocken) für Backwaren, getrocknete Erzeugnisse aus Teigwaren, gefüllte Erzeugnisse aus Teigwaren, Molkenpulver, Suppen, Gerichte auf Getreide-, Teigwarenbasis, Gerichte auf Pizzabasis, Nudeln, Snacks außer Chips.

Die EFSA betont zwar, dass der Verzehr von Insekten „kein Risiko für die menschliche Gesundheit“ darstelle, was in dieser verallgemeinernden Form aber nicht stimmt. Daher müssen insektenhaltige Lebensmittel mit einem Warnhinweis versehen werden, der darüber informiert, dass Verbraucher, die eine Allergie gegen Hausmilben oder Krebstiere haben, mit entsprechenden Reaktionen rechnen müssen. Diese Etiketten müssen in „unmittelbarer Nähe zur Zutatenliste“ angebracht werden.

Grillen oder Grillen? Italien wehrt sich gegen Ernährungsdiktatur

Während in Deutschland Insekten auf dem Speiseplan oder Essen aus dem 3D-Drucker längst sogar schon in Grundschulen propagiert werden, gibt es für alle Freunde des guten Geschmacks zumindest noch etwas Hoffnung. In Italien formiert sich massiver Widerstand gegen die Pläne aus Brüssel. Ein Sprecher des Landwirtschaftsverbandes Coldiretti sagte dazu: „Die große Mehrheit der Italiener würde niemals Insekten auf den Tisch bringen, da sie in der nationalen Esskultur als Fremdkörper gelten.“ Und auch der stellvertretende Premierminister Matteo Salvini ergreift deutlich Partei für das Grillen von Fleisch: „Snacks mit Grillen? Nein danke! Wenn in Europa jemand Insekten essen will, dann soll er es tun, für meine Kinder bevorzuge ich ursprüngliche Lebensmittel aus unserer Erde.“

Es tut gerade in diesem Zusammenhang gut, dass es noch Länder und Regierungen gibt, die für so etwas wie eine „nationale Esskultur“ einstehen – und denen es eben nicht egal ist, was auf den Tisch kommt. Gerade vor dem Hintergrund, dass „Insektenmehl“ künftig vor allem in Back- und Getreideerzeugnissen verarbeitet werden darf, müssten eigentlich auch in Deutschland alle Alarmglocken schrillen. Andererseits erstaunt es nicht wirklich, dass sich weder der Landwirtschafts- und Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) noch ein sonstiges Mitglied der Bundesregierung dazu bemüßigt gefühlt hat, sich an prominenter Stelle zu der Brüsseler Novelle des Lebensmittelrechts zu äußern. Schweigen bedeutet bekanntlich Zustimmung.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shuttserstock

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