BigTech Exodus Welche Alternativen gibt es zu den Riesen aus Silicon Valley?

Ein Gastbeitrag von Mario Martin

Seit Jahresbeginn überschlagen sich die Ereignisse online. BigTech löscht ungestraft millionenfach Videos, Nutzerprofile und sogar ganze Plattformen. Wir wollen einige Dienste vorstellen, die eine Alternative zu den zensurfreudigen Tech-Riesen darstellen und die sich Redefreiheit und Privatsphäre für ihre Nutzer auf die Fahnen geschrieben haben.

Was ist passiert mit dem einstmals aufregenden Internet, das noch in den 2000er Jahren für Erfindergeist und Freiheit stand? Den Big-Five (Facebook, Apple, Google, Twitter, Amazon) gelang es, das ursprünglich dezentralisierte Internet in eine oligarchisch organisierte, hierarchische Öffentlichkeit zu verwandeln, mit der sie fantastische Geldsummen verdienen und deren Zugang und Inhalte sie immer stärker kontrollieren. Man gab sich anfangs libertär, aber mit wachsendem Druck von links bröckelte die Fassade der großen Plattformen. Sie ist womöglich bereits in irreparablem Zustand.

Social Media

Die hier beschriebene Twitter-Löschung von Donald Trump ist nur ein Teil im Puzzle der durchgeführten digitalen Säuberungsaktionen von BigTech, die sich gegen Millionen von Nutzern mit unliebsamen Meinungen richtet. Am 14.1. wurden Aussagen von Twitter CEO Jack Dorsey geleaked, in denen er angibt, die Säuberungen würden sich nicht nur auf Donald Trump beschränken, sondern weit darüber hinausgehen und noch viel länger anhalten.

Der Historiker Niall Ferguson bezeichnet das Vorgehen von BigTech gegen Trump als digitalen Coup. Den Höhepunkt der Löschorgie stellt allerdings die Löschung der Twitter-Alternative Parler dar, die nach Trumps Löschung zur meist heruntergeladenen App der Welt avancierte. Die Nutzerzahlen explodierten.

Daraufhin entschieden Google und Apple, die App kurz und schmerzlos aus Play- und AppStore zu entfernen. Doch damit nicht genug: Anschließend entschied Amazon, den Dienst von der Nutzung der Amazon Cloud (AWS) auszuschließen. Somit war Parler nun auch nicht mehr über den Browser erreichbar. Die Anwendung ist seit dem 11.1. vollständig offline, bis Parler einen neuen Hoster findet. Zumindest ist Parler wieder erreichbar, mit der Ankündigung, das Problem würde bald gelöst werden. Ein schockierender Vorgang, der die Kollusion der großen Player offenlegt, die in koordinierter Manier ihre Marktmacht gegen einen zwar noch vergleichsweise kleinen, aber rasant wachsenden Konkurrenten einsetzen. Wettbewerbsrechtliche Klage gegen Amazon wurden seitens Parler bereits eingereicht. Das Vorgehen riecht nach Korruption. Hinweise auf Kollusion zwischen Amazon und Twitter gibt es bereits. Im Dezember übernahm Amazon das Hosting der Twitter Timelines, während man gleichzeitig für die Abschaltung des größten Konkurrenten sorgte. Es wird uns allen klar, wie hoch der Grad der monopolistischen Macht der großen Internetkonzerne ist, wenn diese Macht auch noch plattformübergreifend gebündelt wird, um andere Dienste koordiniert abzuschalten.

Die Zensur hat in den letzten Tagen einen Exodus von Nutzern ausgelöst. Nicht nur hin zu Parler. Alternative Dienste erleben gerade einen noch nie dagewesenen Ansturm von Nutzern, denen es bei den Platzhirschen durch den Mief der Zensur offenbar nicht mehr gefällt. Dem Anbieter Gab rennen die Nutzer die digitalen Tore ein. Dort können die Serverkapazitäten dem Ansturm nicht standhalten. Immer wieder kommt es zu Wartezeiten und Logouts wegen überlasteter Server. Gab vermeldete inzwischen, die eigene Hardware aufgerüstet zu haben. Die Ladezeiten haben sich damit wieder normalisiert.


Nach der Löschung von Trumps Twitter-Account kopierte Gab alle Trump-Tweets in einen eigenen Account. Die Tweets waren vorher archiviert worden. Ein zeitgeschichtliches Dokument, das der Öffentlichkeit auf diese Weise wieder zugänglich gemacht wird.

Eine andere Alternative ist das soziale Netzwerk Minds, das auf Blockchain-Basis betrieben wird. Der Vorteil: Hier können Server nicht von einer dritten Partei abgestellt werden, da die Daten dezentral auf vielen Computern gespeichert sind.

Instant Messaging

Nach den Daten der Bundesnetzagentur war Whatsapp im Mai 2020 der mit Abstand am meisten genutzte Messenger. Er ist es vermutlich immer noch; besonders bei älteren Semestern.

Aber auch Whatsapp-Nutzer suchen nach Alternativen zur Facebook-Tochter. Bild titelte am 13.1.: “Massenflucht aus Whatsapp – immer mehr Nutzer kehren Whatsapp den Rücken.” So berichtete der Messenger-Dienst Telegram am 12. Januar, die 500-Millionen-Nutzer-Marke überschritten zu haben. Telegram bietet viele zusätzliche Funktionen, die auf Whatsapp nicht vorhanden sind. Nutzer können Themengruppen beitreten und untereinander diskutieren. Auch reitschuster.de hat einen Kanal auf Telegram, auf dem lebhaft und vor allem unmoderiert diskutiert werden kann.

Allerdings gerät Telegram immer stärker ins Fadenkreuz des Wahrheitsministeriums und die Angriffe aus den Prestigemedien nehmen zu. Große Alternativmedien in den USA beginnen gerade auf Telegram umzusteigen. Die Kanäle wachsen rasant. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis bei Telegram die bei Parler angewandte Behandlung zum Einsatz kommt oder andere Zensurmaßnahmen ergriffen werden. Am 18.1. wird berichtet, Apple werde vor einem Bezirksgericht in den USA verklagt, Telegram aus seinem AppStore zu entfernen. Davor hatte Telegram bereits rund 150 Telegram-Gruppen gelöscht, um den Forderungen nach Zensur nachzukommen.

Auch der derzeit womöglich sicherste Messenger Signal gibt eine Zunahme von 4.200 % bei den Downloads im Vergleich zur Vorwoche zu Protokoll. Der Dienst wird durch Spendengelder finanziert, kommt ohne Werbung aus und wird von der gemeinnützigen Signal-Stiftung betrieben. Er wurde in der letzten Woche durch Elon Musk und Edward Snowden über Twitter empfohlen, woraufhin kurioserweise der Aktienkurs einer nicht mit der Signal-Stiftung in Verbindung stehenden Firma mit dem Aktienkürzel SGNL in die Höhe schoss. Der Aktienmarkt treibt (Tulpen-)Blüten.

YouTube

YouTube gehört seit 2006 zu Google. Auch hier ist die Zensurwelle nicht erst seit den letzten Tagen mit voller Wucht zu spüren. Auch reitschuster.de wurde bereits Opfer der Zensurwut von Google, als Mitte letzten Jahres ein Interview mit dem Corona-Maßnahmenkritiker Prof. Sucharit Bhakdi ohne Kommentar vom reitschuster.de-YouTube-Kanal gelöscht wurde. Das Video ist inzwischen wieder online, nachdem der Rechtsstreit über die Löschung gewonnen wurde. Dafür löschte Youtube zwei weitere Videos von Reitschuster.Viele andere YouTuber hat es bereits erwischt. Allerdings hat nicht jeder die Zeit und die Mittel, einen Rechtsstreit gegen Google zu führen. Deshalb ist auch hier die Suche nach Ausweichmöglichkeiten wichtig. Die alternativen Anbieter nehmen die von YouTube vertriebenen Nutzer mit offenen Armen auf. Zwar bietet noch kein Dienst den Funktionsumfang und die Bedienbarkeit von YouTube, aber die Dienste werden kontinuierlich besser. Zu nennen sind hier: Rumble, dlive und Bitchute. Bei den Nutzerzahlen zeichnet sich ein klares Bild, wer derzeit in der Gunst der Nutzer führt.

 

E-Mail und Cloudspeicher

Ebenfalls verstörend: das Löschen von Daten aus einer privaten Cloud-Umgebung. Wie hier nachzulesen, wurde aus dem Dienst Google Drive ein Video gelöscht, das dort zur privaten Nutzung hinterlegt wurde. Hier wird eine Grenze überschritten, die vielen Menschen zu denken geben dürfte. Google speichert übrigens auch ungefragt die Location des Nutzers in der Google Maps Timeline. Sollten Sie gerade mit ihrem Google Account angemeldet sein, probieren Sie es hier doch mal aus. Vielleicht lernen Sie noch etwas über sich. Zum Glück gibt es auch hier Alternativen: Ein E-Mail-Anbieter, der besonders viel Wert auf die Sicherung der Privatsphäre legt, ist der Schweizer Anbieter Protonmail. Dort werden alle Mails und Daten verschlüsselt. Der Dienst ist gratis und Funktionen und Design sind an Google Mail angelegt, womit bei vorheriger Gmail-Nutzung eine schnelle Orientierung möglich ist.

Eine Möglichkeit zum kollaborativen Arbeiten in der Cloud bietet der deutsche Anbieter Teamplace. Die ersten fünf Gigabyte Speicher sind gratis und Löschungen privater Daten sind bisher nicht bekannt geworden.

Browser und Suchmaschinen

Auch bei der Browsernutzung ist es möglich, die Marktführer zu umgehen. Die Browsernutzung für 2020 zeigt ein klares Bild. Fast 50 % entfällt auf Google Chrome, Firefox rangiert bei etwa 20 %.

Mozilla tat sich nach den Geschehnissen in Washington vom 6.1. besonders hervor und forderte weitere Konsequenzen, als die bloße Verbannung von Trump. Nicht das erste Mal, dass Mozilla mit absurder Cancel-Culture-Attitüde auffiel. Aber auch hier gibt es eine Ausweichmöglichkeit: Der Brave Browser bietet einen automatischen Tracking-Schutz, der Cookies und Werbebanner ohne extra Add-On blockiert. Einzelne Webseiten – wie z.B. reitschuster.de – lassen sich über das Löwen-Icon vom Werbeblocker befreien. Der Browser wirkt modern, kommt mit Dark Mode und bietet alles, was der Nutzer von Chrome und Mozilla gewöhnt ist. Durch den Werbeblocker spart Brave Arbeitsspeicher und über Alt+Shift+N öffnet sich ein privates Fenster im Tor-Modus, das den Nutzer über das dezentrale Tor-Netzwerk surfen lässt, ohne die eigene IP-Adresse preiszugeben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Brave Browser in der oben gezeigten Grafik auftaucht.

Ein anderes Bild zeigt sich bei der Nutzung von Suchmaschinen. Google besitzt mit 88 % einen gigantischen Marktanteil, gefolgt von Bing mit 6 %. Google bietet zweifellos den besten Suchalgorithmus an. Es gibt jedoch viele Suchen, die so simpel sind, dass sie auch von einer anderen Suchmaschine erledigt werden können. Hier bietet sich die Suchmaschine DuckDuckGo an. Die Suchen und IP-Adressen werden nicht gespeichert und Cookies nur sehr eingeschränkt genutzt. Der Nutzer bleibt weitestgehend anonym. Diese Woche brach die seit 12 Jahren bestehende Suchmaschine die magische Grenze von 100 Millionen täglichen Suchanfragen.

Renaissance oder Same Old

Die vorgestellten Alternativen bilden nur einen kleinen Ausschnitt der verfügbaren Alternativen ab. Nicht unerwähnt bleiben soll auch die potenzielle Umstellung des eigenen Betriebssystems auf Linux (am Rechner) oder z.B. Ubuntu (am mobilen Gerät). Ob sich die Versprechen hinsichtlich der hohen Standards beim Datenschutz und der Achtung der freien Rede bewahrheiten, wird sich zeigen. Die oben genannten Dienste können als Startpunkt dienen, mit dem eigenen digitalen Konsumverhalten ähnlich sorgfältig umzugehen, wie es z.B. in den Bereichen Nahrung und Kleidung bei vielen Menschen schon stattfindet. Letztlich trifft der Benutzer bzw. der Kunde die Entscheidung. Was wären Twitter und Facebook ohne seine Nutzer? Bleibt zu hoffen, dass die Versprechen zurück zur Achtung der Meinungsfreiheit und Privatsphäre keine leeren sind, um Nutzer wie damals durch eine libertäre Fassade auf die eigene Plattform zu locken. Im Internet sollte jede Meinung ihren Platz haben. Mag sie auch noch so abwegig sein.

John Stuart Mill schrieb: “Selbst eine Meinung, die zum Schweigen gebracht ist, verdient angehört zu werden, da die vorherrschende Meinung in einer Gesellschaft selten die komplette Wahrheit enthält. Insofern sollte jeder Mensch seine Meinung vertreten und diskutieren dürfen. […] Abgesehen davon, dass man nie sicher sein kann, dass die Meinung, die man unterdrückt, falsch ist, sollte man es sich nicht anmaßen, für die gesamte Menschheit zu entscheiden und so Unfehlbarkeit für sich zu beanspruchen.

Wir brauchen das Kreuzfeuer verschiedener Meinungen, um Wissen zu destillieren, auf dessen Basis wir unsere Handlungen ausführen. Solange das auf den großen Plattformen nicht möglich ist, sollten wir den Dienst am Dienst verweigern. Je zentralisierter das Wissen, desto schlechter die resultierenden Handlungen.

Ich empfehle Ihnen meine folgenden Social-Media-Kanäle:
Telegram: https://t.me/reitschusterde
VK: https://vk.com/reitschuster
Parler: https://www.parler.com/reitschuster (aktuell ist Parler dank Amazon offline).
gab: https://gab.com/Reitschuster

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin. Er schreibt am liebsten über Wirtschaftsgeschichte und zur Meinungsfreiheit.

Bild: Mario Martin
Text: Gast

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