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Was ist nur mit Deutschlands Politikern los? Ja, ich weiß, man darf so eine Frage nicht stellen, sonst ist man sofort „Populist“. Aber ganz ehrlich: Kommt man um diese Frage herum, wenn man die neueste Nachricht liest? Der neue CSU-Generalsekretär Stephan Mayer, früher Staatssekretär im Bundesinnenministerium und Mitglied es deutschen Bundestags, hat sich offenbar etwas erlaubt, was eher an einen Gangsterfilm erinnert als an die Vorstellung, die anständige Menschen früher von Politik hatten. Mayer soll den „Bunte“-Reporter Manfred Otzelberger einen Tag vor Veröffentlichung eines Berichts massiv bedroht haben. Wörtlich sagte der CSU-Mann laut FOL am Telefon: „Ich werde Sie vernichten. Ich werde Sie ausfindig machen, ich verfolge Sie bis ans Ende Ihres Lebens. Ich verlange 200.000 Euro Schmerzensgeld, die müssen Sie mir noch heute überweisen.“ Weiter drohte Mayer mit der Zerstörung des Burda-Verlages, „Mehrere Zeugen waren anwesend, als der Journalist von Mayer mit einer Lawine von Androhungen und Vorwürfen überschüttete“, schreibt FOL.
Vernichtungsphantasien und Drohungen, eine „Verfolgung bis ans Lebensende“ und faktische Nötigung mitten aus dem Herzen einer der etablierten Parteien und des Bundestages. Wo bitte leben wir? Was für eine Verrohung ist das? Da klingt jemand, der im Dezember noch der Bundesregierung angehört hat, mehr wie ein Terrorist denn als verantwortungsvoller Politiker. Ausgerechnet aus den Reihen derjenigen, die, wie Mayers Chef, Ministerpräsident Markus Söder, ständig denen mit anderer Meinung eben eine solche Verrohung vorwerfen.
Der Skandal ist mit der Aussage des CSU-Generalsekretärs noch nicht zu Ende. Aber erst einmal ein Rückblick. Zum Auslöser des Wutausbruches. Laut seiner Bundestags-Homepage ist Mayer ledig, und Wikipedia zufolge auch kinderlos. Gut, den Angaben des Ideologie-Portals Wikipedia sollte man zwar nie trauen, aber in diesem Fall beruft sich das Portal auf die Selbstauskunft des Abgeordneten. Ende April hatte die „Bunte“ berichtet, dass Mayer gar nicht kinderlos sei, sondern einen achtjährigen Sohn hat. Und nicht nur das: Der hoch dotierte Abgeordnete, bis Dezember als Staatssekretär mit Doppelsalär, soll für den Nachwuchs auch keinen Unterhalt gezahlt haben (ein Vorwurf, der auch gegenüber Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Feld steht). Den Unterhalt soll stattdessen Mayers Vater übernommen haben.
Bunte-Reporter Otzelberger hatte Mayer vor der Veröffentlichung die Möglichkeit gegeben, sich zu dem Bericht zu äußern. Das tat dieser nicht. Man mag nun diskutieren, ob man solch ein Eindringen der Medien in die Privatsphäre für gut oder falsch hält. Ich finde – bei jemandem, der in so hervorgehobener Stellung tätig ist und der Regierung angehörte, sind Lügen über das Privatleben von öffentlichem Interesse.
Wie reagiert Mayer nun auf seinen Ausfall? Mit folgender Erklärung – die an Scheinheiligkeit und Heuchelei nicht mehr zu überbieten ist: „Aus gesundheitlichen Gründen habe ich heute den Parteivorsitzenden der CSU gebeten, mich von meiner Aufgabe als Generalsekretär zu entbinden. Das ist meine persönliche Entscheidung. Ich habe das Amt des Generalsekretärs gerne und mit großer Freude ausgeführt. Ich bedanke mich bei der gesamten Partei und vor allem bei unserem Parteivorsitzenden Markus Söder für die sehr gute und freundschaftliche Zusammenarbeit.“
Nur in einem Nebensatz geht Mayer in seiner Rücktrittserklärung nach drei Monaten im Amt auf seinen Ausfall ein: „In einem aufgrund einer eklatant rechtswidrigen Berichterstattung geführten Gespräch mit einem Journalisten der Bunten habe ich möglicherweise eine Wortwahl verwendet, die ich rückblickend nicht für angemessen betrachten würde. Dies bedaure ich sehr.“
„Möglicherweise“? Eine Entschuldigung klingt anders.
Mayer ist schon früher negativ aufgefallen. So täuschte er eine Anwesenheit im Bundestag vor: Am 27. April 2018 trug er sich in die Anwesenheitsliste ab 9 Uhr ein, während er nachweislich im von Berlin ca. 600 km entfernten Waldkraiburg an einer Veranstaltung teilnahm. Der Sportfunktionär Mayer musste im Rahmen der „Maskenaffäre“ einräumen, Kontaktdaten der schweizerischen Firma Emix, welche er von seiner Schwester erhalten hatte, im Innenministerium weitergegeben zu haben. Mayer behauptet, erst durch eine Medien-Anfrage davon erfahren zu haben, dass seine Schwester eine Provision für die Vermittlung der Kontakte gefordert haben soll.
Mayer ist das Musterbeispiel eines Politikertyps, der völlig abgehoben ist von der Lebenswirklichkeit der einfachen Menschen und sich offenbar für etwas Besseres hält – für den normale Regeln nicht gelten und der anderen mit Vernichtung drohen kann. Ob es ein Zufall ist, dass ausgerechnet Söder ihn in die absolute Vertrauensposition des Generalsekretärs hievte? Auch der CSU-Chef ist für seine Rambo-Manieren bekannt.
Was ebenso schlimm ist wie der Ausfall Mayers: Wer derartiges Verhalten nicht als Einzelfall abtut, sondern hier eine Tendenz sieht, wird sofort mit der Populismus-Keule angegriffen und diffamiert. Muss sich da noch jemand darüber wundern, dass die Politikverdrossenheit bei uns ungekannte Ausmaße erreicht hat und das Vertrauen gegen die Verantwortlichen so gering ist wie kaum jemals zuvor?
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Bild: Shutterstock/Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
Text: br
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