Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen
Es drängt sich nicht auf. Wer die Sonntagsfrage verfolgt, sieht meistens auf die Werte der Union und der Grünen und manche schauen, ob es so für Schwarz-Grün reichen würde, bei der nächsten Bundestagswahl. Die Erkenntnis kommt immer öfter, dass es wohl nicht reichen wird.
Leicht zu übersehen ist dabei der Aufstieg der Freien Demokraten, die heute bei 13,5% der Wähler, laut INSA, liegen. Klar, viele mögen diese „Wendehälse“ nicht. Aber man kann diese kleine Karriere einer Partei, die schon abgeschrieben war, auch anders deuten.
Der Aufstieg der FDP gelang vor allem mit den Hinweisen ihres Führungspersonals auf die eminente Bürgerrechtskrise, die wir in den letzten 14 Monaten erlebt haben. Eine Bürgerrechtskrise, wie wir sie, seit dem Ende des Dritten Reiches, überhaupt noch nicht hatten!
Sie kam nicht ganz unerwartet. Denn in den letzten zwei Dekaden gab es viele Angriffe auf die bürgerlichen Freiheiten und auf deren Selbstbestimmung. Seit der Agenda 2010 gab es ohnehin zwei Klassen von Bürgern. Diejenigen, welche als Leistungsträger galten und denen man noch alle ihre Freiheitsrechte zumaß, und diejenigen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen waren und denen man zumindest den Urlaub auf Mallorca nicht mehr erlauben wollte, aber auch vieles andere nicht.
Genau genommen waren es „Bürger auf Bewährung“, die sich regelmäßig beim Amt zu melden hatten. Für die, welche unverschuldet in diese Situation gekommen waren, war es ein bitteres Lehrstück, wie unsere Gesellschaft funktioniert, nämlich von oben nach unten.
Inzwischen haben wir zwei neue Klassen von Bürgern mit unterschiedlichen Freiheitsrechten, die Geimpften und die nicht Geimpften, die jetzt in die Rolle der Hartz-Empfänger unter Schröder und Merkel gedrängt werden. Man will ihnen ihre Grundfreiheiten nicht erlauben. Mallorca? Fehlanzeige, und auch vieles andere nicht!
Nun hat sich die FDP nie als Verteidigerin des unteren Drittels der Gesellschaft hervorgetan, ganz im Gegenteil! Bis auf „Die Linke“ und die „AfD“ gab es hier auch keine Verteidiger der augenscheinlich Abgehängten. Die Sozialdemokraten haben diesen Wählern in den Hintern getreten und Merkel nahm das Erbe Schröders gerne an, sie lobte ihn sogar dafür.
Welchen Grund gibt es also, die FDP dafür zu loben, dass sie während der Pandemie immer wieder auf die Verletzung der Bürgerrechte hingewiesen hat, wenn sie ganz offensichtlich nur auf die Bürgerrechte der „Leistungsträger“ oder derjenigen, die sie für Leistungsträger hält, orientiert ist?
Die Moral lebt nun mal von Beispielen und Vorbildern, und wenn die Moral so tief gesunken ist, wie derzeit in unserem Land, sind auch schlechte Beispiele besser als gar keine.
Die Öffentlichkeit hat jedenfalls Politiker wie Wolfgang Kubicki und Christian Lindner als distanziert vom „Berliner Stechschritt“ in der Pandemie wahrgenommen, und sie hat die Verfassungsklage der FDP gegen Merkels Bundesnotbremse honoriert. So sehr man auch die andere rechtsliberale Partei, die AfD, suchte, wenn es um Kritik an der abgeschnittenen Souveränität der Bürger ging, sie drangen zumindest nicht durch, ob absichtlich oder verhindert.
Schließlich kann man den Grünen, als selbsterklärter Bürgerrechtspartei, eine geradezu unterirdische Glaubwürdigkeit attestieren. Was sie in den letzten zwölf Monaten geäußert haben, war das ständige Klagelied, dass die Freiheiten der Menschen noch viel zu groß seien. Diese Partei hat sich in Wirklichkeit als freiheitlich-demokratische Partei komplett diskreditiert.
Sicher, wir leben in einer Gesellschaft der Missgünstigen, die sich gegenseitig nichts gönnen und die Einfühlung füreinander verweigern, wenn sie nicht den eigenen Stallgeruch haben. Das musste man auch in der Pandemie bitter erkennen, wenn Menschen, die keine Masken tragen konnten, beschimpft und genötigt wurden. Als schließlich sogar die Kinder als allgemeines Infektionsrisiko galten, die man möglichst zuhause wegsperrte, was auch tatsächlich geschah, und denen man jetzt das Gesundheitsrisiko einer recht heftigen Impfung aufnötigen will.
Das ist natürlich keine gute Gesellschaft, sondern eine bösartige und in Egoismen und Feindschaft zerfallene Gesellschaft.
Man muss dann die Politiker würdigen, die die Freiheitsrechte der Einzelnen hochhalten, und nicht diejenigen, die allen Prügel androhen, welche ihre Einschätzung nicht teilen.
Söder hatte eine geradezu frenetische Zustimmung bekommen, als er immer schärfere und repressivere Maßnahmen forderte und galt den Medien als Lieblingskandidat der Deutschen. Das sagt ja schon sehr viel über die Bösartigkeit aus, die in unserem Land herrscht.
Glücklicherweise hat sich, mit Merkels Hilfe, ein anderer gegen ihn durchgesetzt.
Aber wer wird einer zukünftigen schwarz-grünen Regierung auf die Finger klopfen, wenn sie weiterhin hartnäckig Freiheitsrechte abbaut und ganze Cluster von Bürgern cancelt?
Vielleicht die FDP?
Vielleicht.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“
Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: photocosmos1/ShutterstockText: Gast
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