Dreist: EU-Abgeordnete machen Urlaub auf Kosten der Steuerzahler Einmal von Brüssel nach Paris und ab nach Mallorca

Von Kai Rebmann

Nico Semsrott wurde 2019 als Kandidat von „Die Partei“ ins EU-Parlament gewählt. Im Jahr 2021 kehrte der Kabarettist dem Satire-Projekt den Rücken und ist seither als parteiloser Abgeordneter in Brüssel und Straßburg tätig. Mit seinem Markenzeichen, einem schwarzen Kapuzenpullover, tritt Semsrott immer wieder in den sozialen Medien auf und berichtet aus der Herzkammer der EU.

In seinem jüngsten Video geht der Politiker einem Gerücht nach, von dem er unlängst gehört haben will. CDU-Abgeordnete würden „sich regelmäßig ihre Urlaubsreisen auf Steuerzahlerkosten erstatten lassen“, so Semsrott. Die Frage sei dann gewesen, wie er so etwas würde beweisen können. Derartige Abrechnungen sind datenschutzrechtlich geschützt und daher für Dritte praktisch nicht einsehbar.

Also kam der 38-Jährige auf eine naheliegende Idee und reichte einfach selbst einen Antrag auf Reisekostenerstattung ein. Er sei mit dem Zug privat von Brüssel nach Paris und wieder zurückgefahren, Kostenpunkt: 92 Euro. Die Zugtickets hat Semsrott eigenen Angaben zufolge ebenfalls eingereicht.

Dann das große Staunen: Das Europäische Parlament erstattete seinem Abgeordneten insgesamt 597,20 Euro. Der vermeintliche Beleg ist dem Video zwar kurz zu sehen, ob es sich dabei aber tatsächlich um die Erstattungsbestätigung für besagte Fahrt nach Frankreich handelt, lässt sich in der Sequenz nicht erkennen.

Sodann gibt Semsrott an, dass er zunächst noch die Möglichkeit eines Zufalls in Betracht gezogen habe. Paris sei ja schließlich eine Hauptstadt, noch dazu die eines sehr wichtigen EU-Mitgliedsstaates. Vielleicht gebe es da „irgendeine Regelung“, sie ihm bloß nicht geläufig sei, so der gebürtige Hamburger.

Also hat er die Probe aufs Exempel gemacht. Um jeden Zweifel ausschließen zu können, will Semsrott dann einen Flug nach Palma de Mallorca eingereicht haben. Dabei sei er „auch ganz transparent“ vorgegangen und habe in den Antrag sinngemäß geschrieben: „Ich bin privat nach Palma de Mallorca geflogen, war aber vorher beruflich in Brüssel, so dass die Strecke aus meiner Sicht als berufliche Reise gilt. Falls ich das missverstanden habe, bitte ich um Entschuldigung und eine kurze Erklärung.“

Und tatsächlich: „Ich habe den Flug erstattet bekommen und noch 100 Euro Trinkgeld obendrauf“, so Semsrott.

Bereits Ende März 2024 sorgte der Satiriker mit einem ähnlichen Video für Empörung – sowohl über die EU als auch sich selbst. Als EU-Abgeordneter sei er im Besitz einer „Bahncard 100“ der 1. Klasse, die bundesweit gelte, aber auch für sämtliche Fahrten innerhalb Belgiens, so Semsrott: „Trotzdem kann ich jetzt noch Reisekosten erstatten lassen.“

Dazu müsse er lediglich einen entsprechenden Antrag stellen. Die bloße Behauptung, eine Fahrt auch wirklich unternommen zu haben, reiche dafür vollkommen aus, so der parteilose Parlamentarier. Reguläre Zugtickets oder vergleichbare Belege müssen demnach nicht vorgelegt werden – und sind bei Inhabern der „Bahncard 100“ in der Regel auch gar nicht vorhanden.

Für eine Bahnfahrt von Berlin nach Brüssel – einfache Strecke – habe er von der EU Reisekosten in Höhe von 539 Euro erstattet bekommen, wie Semsrott sagt. Für Kosten also, die ihm tatsächlich nie entstanden sind.

Aber es kommt noch dicker: Noch lukrativer sind den Ausführungen zufolge eigene Fahrten mit dem Pkw. In einem weiteren Fall will Semsrott mit einem Mietwagen von Brüssel nach Berlin und zurückgefahren sein. Auch hier habe er keinerlei Belege einreichen müssen und dafür 1.300 Euro und „sogar noch etwas mehr“ erstattet bekommen.

Im Netz stößt der Politiker mit solchen Videos aber nicht nur auf Sympathie. Schuld daran ist vor allem der selbst gewählte Status als parteiloser Abgeordneter. „Du wärst nur glaubwürdig, wenn Du mit dem Austritt aus ‚Die Partei‘ auch Dein Mandat für das Europaparlament aufgegeben hättest. So schmarotzt Du die fetten Diäten. Für nix“, kommentiert ein Nutzer. „Genau wegen Ihnen werde ich ‚Die Partei‘ nicht wieder wählen“, kündigt ein anderer an.

Im April 2024 erschien Semsrotts Buch „Brüssel sehen und sterben“ über seine Zeit im Europaparlament.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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