EU will Schokohasen das Glöckchen wegnehmen Regulierungswut bei Verpackungen

Von Kai Rebmann

Die EU-Parlamentarier in Brüssel debattieren mal wieder über unser Essen bzw. den Umgang damit. Dass dabei nicht zwingend etwas Appetitliches herauskommen muss, hat bereits die Einstufung von bestimmten Insekten als Lebensmittel zu Beginn dieses Jahres gezeigt. Jetzt geht es um die Frage, wie Obst, Gemüse, Süßigkeiten oder Fleisch verpackt werden dürfen – und was des Guten vermeintlich zu viel ist.

Ginge es allein nach der EU-Kommission, so müssten sich vor allem die Gastronomen auf eine bürokratische Zeitenwende bisher ungeahnten Ausmaßes einstellen. Vom Schnell-Imbiss über die Betriebskantine bis hin zum 5-Sterne-Restaurant müssten sich deren Betreiber einem aberwitzig anmutenden Regulierungsdiktat aus Brüssel beugen.

Nicht zuletzt auch aus hygienischen Gründen portionsweise verpackte Lebensmittel wie Senf, Mayonnaise, Ketchup, Zucker oder Kaffeesahne sollten von den Tischen verschwinden. Dasselbe Schicksal wollte die EU-Kommission auch dem insbesondere im To-Go-Bereich verbreiteten Einweggeschirr angedeihen lassen.

In den Supermärkten sollen die dünnen Plastikbeutel aus den Obst- und Gemüseabteilungen ebenso verschwinden wie vermeintlich überflüssige, weil „nur“ dekorative Verpackungen von Feinkost-Lebensmitteln oder Süßigkeiten. Letzteres beträfe dann unter anderem auch die aus der Werbung bekannten Schokohasen mit rotem Halsband und goldenem Glöckchen eines Schweizer Herstellers.

Widerstand kommt aus unerwarteter Richtung

Nachdem Hersteller und Gastronomen nach Bekanntwerden der Pläne den EU-Fraktionen regelrecht die Türen eingerannt haben, zeigte sich in der vergangenen Woche eine Mehrheit der Abgeordneten zum Einlenken bereit. Der Sinneswandel kommt einerseits überraschend, da das Parlament die Vorgaben der Kommission allzu oft nur noch abnickt. Andererseits stehen im Juni 2024 Wahlen an und in Brüssel bzw. Straßburg wird beim Wähler gerade jetzt niemand unangenehm auffallen wollen, etwa durch absurde (Über-)Regulierungen.

Die Gegner der Kommissionsvorlage konnten mit durchaus stichhaltigen Argumenten punkten. So dienten die kritisierten Verpackungen in vielen Fällen auch oder vor allem der Lebensmittelsicherheit und könnten deren Hygiene bzw. Haltbarkeit überhaupt erst garantieren. In Bezug auf Einweggeschirr wurde eingeräumt, dass dieses zwar mehr Müll produziere, andererseits aber auch Energie einspare, da es nicht gespült werden müsse.

Bei der Frage, durch was unter dem Strich eine bessere Umwelt- bzw. Klimabilanz erzielt werde, gingen die Meinungen dann wieder auseinander. Sowohl die EU-Kommission als auch die Verpackungsindustrie verwiesen auf unterschiedliche Studien, die die jeweils eigene Sichtweise untermauern sollen. Eine klassische Patt-Situation also.

Schokohasen künftig wohl ‚oben ohne‘

Am Ende des Tages rang sich das EU-Parlament zu einem Kompromiss durch. Klein-Portionen in Restaurants und Imbissen sollen – zumindest vorerst – ebenso erlaubt bleiben wie Einweggeschirr oder produktspezifische Verpackungen. Zu letzterem zählen beispielsweise die traditionellen Holzkisten für Weichkäse, auf deren Fortbestand vor allem die Abgeordneten aus Frankreich gepocht hatten.

Ohne Halsband und Glöckchen muss künftig aber wohl der goldene Schokohase auskommen. Ob dies nur an einer womöglich fehlenden Lobby des Naschwerks aus der Schweiz lag, muss freilich dahingestellt bleiben. Offiziell erfolgte die dekorative Kastration aus eben diesem Grund – die Verpackung soll nicht „funktional“ genug sein.

Eine Funktion erfüllt eine Verpackung in den Augen der EU nämlich nur, wenn diese dem unmittelbaren Schutz des Produkts und/oder des Verbrauchers dient. Werbliche Accessoires, im Falle des Schokohasen eben Halsband und Glöckchen, werden hingegen als „überflüssig“ angesehen und sollen daher Opfer des Brüsseler Bannstrahls werden.

Trotz seines teilweisen Entgegenkommens hat das Parlament aber auch klargestellt, dass es an den vereinbarten Zielen grundsätzlich festhalten will. Bis zum Jahr 2030 soll der durch Verpackungen aller Art verursachte Müllberg um mindestens 5 Prozent reduziert werden, bis zum Jahr 2040 um 15 Prozent.

Erreicht werden soll dies insbesondere durch eine Verpflichtung aller Mitgliedsstaaten zu einer konsequenten Mülltrennung. So sollen Verpackungen schon beim Wegwerfen nach Papier, Aluminium, Glas, Holz und Plastik getrennt werden, um diese leichter wiederverwendbar zu machen.

Zur Wahrheit gehört natürlich aber auch: Rechnet man beispielsweise die in den vergangenen drei Jahren nicht zuletzt durch die EU zu verantwortende Entsorgung von Abermillionen FFP2-Masken, Schutzanzügen und „Impfstoffen“ dagegen, so könnten wohl noch Generationen von Schokohasen ein rotes Halsband mit goldenem Glöckchen tragen – und das ganz ohne schlechtes Umwelt-Gewissen.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Mike Mareen/Shutterstock

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