Ein Gastbeitrag von Thomas Paulwitz
Verbreitet reitschuster.de Verschwörungstheorien? Nach Ansicht des Direktors des steuerfinanzierten Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (IDS) ist das wohl so. In seinem soeben erschienenen Buch „Sprachkampf – Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert“ gibt sich Henning Lobin als Leser dieser Seite zu erkennen, freilich als ein sehr oberflächlicher, mit Schwächen in der Texterfassung, die bei einem Wissenschaftler in seiner Position eigentlich nicht vorkommen sollten. Von geheimen Mächten schreibt er sogar.
Allein der Titel des Buches klingt schon etwas kauzig, vor allem angesichts der Tatsache, daß es sich vornehmlich einer (vermeintlich) „geschlechtergerechten Sprache“ widmet. Wer „instrumentalisiert“ hier? Bei diesem Thema fällt einem zur Zeit als erstes der Dudenverlag ein. Dieser schafft gerade in seinem Wörterbuch das generische Maskulinum ab. Gemäß www.duden.de ist ein Mieter nicht mehr „jemand, der etwas mietet“, sondern nur noch eine „männliche Person, die etwas mietet“. Tritt also ein Verein als Mieter auf, ist er für den Duden eine „männliche Person“ – nur die Genderei macht solchen Unsinn möglich. „Wie der Duden die deutsche Sprache instrumentalisiert“, so könnte also ein Buch heißen.
Geheime Regierungsvorgabe an den Duden?
Doch der Dudenverlag wird in dem Buch ausdrücklich in Schutz genommen. Das erstaunt nicht, denn die Leiterin der Dudenredaktion, Kathrin Kunkel-Razum, hat das Buch höchstpersönlich redigiert und verlegt. Wohlwollend dürfte sie gelesen haben, wie Lobin den Duden gegen die Kritik an der 28. Auflage des Rechtschreibdudens, der im August erschienen ist, verteidigt. In dem orthographischen Standardwerk finden sich, auf den Seiten 112 bis 114, erstmals Empfehlungen zum „geschlechtergerechten Sprachgebrauch“ mit dem zweifelhaften Satz: „Es ist zu beobachten, dass sich die Variante mit Genderstern in der Schreibpraxis immer mehr durchsetzt.“
Gegen die Genderpolitik des Dudens empören sich bis heute zahlreiche Bürger (jederlei Geschlechts). Dazu schreibt nun IDS-Direktor Henning Lobin auf Seite 36 seines neuen Buches: „Manche meinen sogar, dass der Dudenverlag damit einer geheimen Direktive der Regierung folge.“ Zum Beleg verweist Lobin in einer Fußnote auf reitschuster.de. Folgt man dieser Adresse, ist dort aber gar nicht von einer geheimen Direktive die Rede. Sie ist offenbar so geheim, daß sie nur im Kopf Lobins existiert. Oder steht es in Geheimschrift auf reitschuster.de?
Ist der IDS-Direktor schlampig oder unredlich?
Daß ein Wissenschaftler eine solche Unwahrheit verbreitet, ist erstaunlich. Ist es Schlampigkeit oder Unredlichkeit? Beides wäre kein Gütesiegel für den Leiter eines Instituts, das den Steuerzahler Millionen kostet. Denn weder gab es eine Direktive aus der Bundesregierung, sondern die Forderung einer Ministerin, noch wurde diese geheim erhoben, sondern ganz öffentlich in einer Tageszeitung. So steht das alles auch völlig richtig bei reitschuster.de.
Am 6. September 2020 erschien auf reitschuster.de der – deutlich mit Fragezeichen versehene – Beitrag „Drückt die Regierung den Genderstern durch?“. Darin wird beschrieben, wie sich der Duden als Mitglied der Regierungsorganisation „Rat für deutsche Rechtschreibung“ in diesem Rat für den Genderstern starkmacht. Auffällig ist dabei, daß der Duden damit einer Forderung aus der Bundesregierung nachkommt.
Gender-Gegner sind 'neurechts'
Bereits im Mai 2018 hatte nämlich die seinerzeitige Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) im Berliner „Tagesspiegel“ gefordert, den Genderstern in den Duden aufzunehmen. Rechtschreibrätin Kathrin Kunkel-Razum, zugleich Leiterin der Duden-Redaktion, hatte danach in der Arbeitsgruppe „Geschlechtergerechte Schreibung“ des Rats für deutsche Rechtschreibung für den Genderstern geworben. Im Jahr 2020 wurde dann tatsächlich das Wort „Genderstern“ in den Duden aufgenommen, zusammen mit den erwähnten drei Seiten zum „geschlechtergerechten Sprachgebrauch“.
Von einer „geheimen Direktive der Regierung“ kann also gar keine Rede sein. Über den Beweggrund Lobins, Unwahrheiten zu verbreiten, kann man nur rätseln. Ganz offensichtlich kommt es ihm jedoch in seinem neuen Buch darauf an, Gegner des Genderns als „neurechts“ und Anhänger von Verschwörungstheorien anzuprangern. Wenn sachliche Argumente fehlen, diskreditieren eben manche leider gern ihre Gegner als Rechtsradikale und Spinner. Henning Lobin unterstellt dem Gespenst „Neue Rechte“ „Verschwörungstheorien reinsten Wassers“, da es doch keine Gruppe gebe, die anderen „eine neue Sprache aufzwingen will“ (Seite 158): „Der nationalidentitäre Sprachkampf funktioniert nur im Verbund mit dieser sprachpolitischen Verschwörungstheorie.“
Mit Fug und Recht könnte man hingegen Lobins Behauptung, eine „Neue Rechte“ instrumentalisiere die deutsche Sprache, als Verschwörungstheorie kennzeichnen. Indem er in seinem Buch unbequeme Kritiker vom konservativen Theologen Peter Hahne bis zum linken Kabarettisten Uwe Steimle politisch verdächtigt, „neurechts“ zu sein, baut er in seinem „Sprachkampf“ ein Feindbild auf und betreibt Agitation und Propaganda „reinsten Wassers“.
Steuergelder für Genderpropaganda?
Ein solches Machwerk wie Lobins „Sprachkampf“ rückt das steuerfinanzierte Institut für Deutsche Sprache (IDS) ins Zwielicht. Zwar beeilt sich Lobin zu betonen, daß das Buch keine Veröffentlichung des IDS sei. Auch habe er das Buch außerhalb seiner Dienstzeiten „ausschließlich an Wochenenden und Urlaubstagen“ geschrieben. So könne niemand behaupten, „dass dafür Steuergelder aufgewendet wurden“, baut er etwaigen Vorwürfen vor (Seite 163).
Das ist allerdings wenig glaubhaft. Denn schon eine Seite weiter dankt er Annette Trabold in ihrer Funktion als „Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des IDS“, daß sie „das fertige Manuskript gelesen und einige wichtige Hinweise gegeben habe“. Ohne das IDS wäre das Buch nicht entstanden. Am Rande einer Jahrestagung des IDS hatte 2020 Lobin mit Kunkel-Razum das Buchprojekt verabredet. Auf seinem Netzauftritt weist das IDS darauf hin, wo man Lobins Buch bestellen kann. Als Anzeige ist es nicht gekennzeichnet.
Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache mit Sitz in Mannheim hat laut eigenem Bericht im Jahr 2020 rund 15,5 Millionen Euro institutionell und durch Projektmittel eingenommen. Da das IDS vom Bund und dem Land Baden-Württemberg getragen wird, sind das fast ausschließlich Gelder des Steuerzahlers. Etwa zwei Drittel der Einnahmen werden allein für Personalkosten aufgewendet, rund 10,6 Millionen Euro. Sicher will der Steuerzahler nicht, daß dieses Geld für die Verbreitung von Verschwörungstheorien und Gender-Propaganda verwendet wird.
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Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender der in Düsseldorf ansässigen Theo-Münch-Stiftung für die Deutsche Sprache sowie Vorstandsmitglied und Mitbegründer der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen/Anhalt. 2006 erhielt er den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten „in Anerkennung seiner herausragenden Verdienste für einen engagierten unabhängigen Journalismus“. Die Sprachpflegezeitschrift DEUTSCHE SPRACHWELT erscheint vierteljährlich in gedruckter Form und dient den Bürgern, die sich um die deutsche Sprache sorgen, als Sprachrohr. Der Bezug der spendenfinanzierten Zeitschrift ist kostenlos: Postfach 1449, 91004 Erlangen, [email protected]
Text: Gast