Von Kai Rebmann
„Unsere Demokratie ist stark, aber wir müssen sie uns jetzt auch zurückerobern!“ Nein, hier handelt es sich nicht um ein nicht ganz korrekt wiedergegebenes Zitat von Hubert Aiwanger. So kommentierte Emily Büning den Ausgang der Landtagswahlen in Bayern und Hessen am vergangenen Wochenende. Es ist wohl nicht zu viel in diese Worte hineininterpretiert, wenn man davon ausgeht, dass die Bundesgeschäftsführerin der Grünen mit „Wir“ in erster Linie sich und ihre Partei meint.
Zur Erinnerung: Im Juni 2023 hatte der Freie-Wähler-Chef auf einer Kundgebung in Erding gefordert, dass sich „die schweigende Mehrheit die Demokratie zurückholen“ müsse. Bezogen war dieser Satz auf die Feststellung, dass die Ampel-Koalition in Berlin offenkundig und ganz bewusst am Willen der Mehrheit vorbei regiert. Diese Interpretation hat Aiwanger immer wieder bekräftigt, unter anderem auch bei Markus Lanz im ZDF.
„Unsere Demokratie ist stark, aber wir müssen sie uns jetzt auch zurückerobern“
Emily Büning, Bundesgeschäftsführerin, Grüne pic.twitter.com/S6ggbX7spa
— Argo Nerd (@argonerd) October 10, 2023
Obwohl sich die Aussagen der Grünen-Funktionärin und des stellvertretenden Ministerpräsidenten Bayerns im Kern fast aufs Wort gleichen, gab und gibt es darauf Reaktionen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Während Hubert Aiwanger sich bis heute immer wieder dafür rechtfertigen muss und sich – schon Wochen vor der „Flugblatt-Affäre“ – sogar Rücktrittsforderungen gegenübersah, kramen die Medien bei Emily Büning den berühmten Mantel des Schweigens hervor.
Über die Aussage wird nicht einmal in nennenswertem Umfang berichtet, geschweige denn ein Skandal daraus konstruiert. Offenbar gehen die Medien stillschweigend konform mit der von Büning zum Ausdruck gebrachten Annahme, dass mit der „starken Demokratie“ etwas nicht stimmen kann, wenn die „Falschen“ an Zustimmung gewinnen.
Dabei hatte Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Parteifreund von Emily Büning, unlängst noch erklärt: „Wenn ein stellvertretender Ministerpräsident sagt, man muss sich die Demokratie zurückholen, die ihn selber an die Macht gebracht hat, dann stimmt was nicht. Dann ist was gefährlich.“
Söder fordert Demokratie-Bekenntnis
Selbst in den anstehenden Koalitionsverhandlungen in München sollen die Aiwanger-Aussagen zur Demokratie wieder – oder immer noch – eine Rolle spielen, jedenfalls wenn es nach CSU-Chef Markus Söder geht. Der formale Wahlsieger (37,0 Prozent) versucht, seinen Widersacher vor Beginn der Gespräche öffentlich unter Druck zu setzen und fordert von Aiwanger ein „Demokratie-Bekenntnis“ ein.
Damit soll ganz offensichtlich suggeriert werden, bei den Freien Wählern handele es sich um Demokraten zweiter Klasse – ähnlich wie man es auch schon vom Umgang mit der AfD kennt. Bei den Bürgern verfangen solche Spielchen aber immer weniger, wie nicht zuletzt das Ergebnis der zurückliegenden Landtagswahl zeigt. Die Freien Wähler und die AfD konnten als einzige Parteien deutlich zulegen.
Es sei „viel passiert“ im Wahlkampf, so Söder, der damit neben der „Flugblatt-Affäre“ auch auf Aiwangers Auftritt in Erding anspielt. Daher sei zu klären, ob die Freien Wähler „fest im demokratischen Spektrum verankert“ sind, da dies andernfalls „ein Problem“ sei. Von Aiwanger wird dem Vernehmen nach ein unmissverständliches „Bekenntnis zur Demokratie“ gefordert, das dann in der Präambel des noch zu verhandelnden Koalitionsvertrags verewigt werden soll.
FW-Fraktionschef Florian Streibl nimmt diese Forderung achselzuckend zur Kenntnis, bezeichnet sie als „verstörend“ – und setzt eine erste Spitze gegen die Söder-CSU. Wie es um das Demokratieverständnis der Freien Wähler bestellt ist, sollte die CSU wissen, so Streibl gegenüber der dpa: „Schließlich regieren wir seit fünf Jahren gemeinsam.“
CSU hat nur eine Option – die Freien Wähler
Worum es den Christsozialen in Bayern geht, wird spätestens beim Blick auf die Ausgangslage schnell klar. Eine Koalition mit den Grünen hat Markus Söder vor der Wahl ohne Not mehrfach ausgeschlossen, ein Bündnis mit der AfD sowieso. Rein rechnerisch wäre in München zwar auch Schwarz-Rot möglich, jedoch nur mit der knappsten aller möglichen Mehrheiten (102 von 203 Sitzen).
Zudem dürfte es für die CSU und Markus Söder ein Ding der Unmöglichkeit darstellen, ihren Stammwählern eine Koalition mit der SPD schmackhaft – oder auch nur akzeptabel – zu machen. Bleiben also nur die Freien Wähler und deren mächtiger Chef als wirklich realistische Verbündete. Und die wissen das nicht nur, sondern kokettieren ganz offen mit vier (statt wie bisher drei) Ministerposten.
Argumente dafür gibt es durchaus, schließlich ist der Abstand zwischen den Parteien in der Wählergunst im Vergleich zu 2018 geringer geworden. Im Wissen um das deutlich bessere Blatt auf der Hand schickt Aiwanger eine Kampfansage an den bisherigen und (zu 99,9 Prozent) auch künftigen Koalitionspartner: „Jede Abgrenzung von uns bedeutet eine Abkehr vom gesunden Menschenverstand […] Ich würde der CSU empfehlen, jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten.“
Letzteres ist auch als Seitenhieb auf CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek zu verstehen, der Aiwanger und den Freien Wählern vorwarf – nachdem die am Montag ihre Forderung nach einem vierten Ministerposten ins Spiel gebracht hatten – auch nach der Wahl noch im „Bierzelt-Modus“ zu agieren, anstatt jetzt „versöhnlichere Töne“ anzuschlagen.
Am wahrscheinlichsten gilt, dass die Freien Wähler das Justizministerium für sich heraushandeln können. Einerseits gilt der bisherige Amtsinhaber Georg Eisenreich in den Kreisen der bayrischen Justiz schon länger als nicht mehr unumstritten. Andererseits haben die Freien Wähler mit dem ehemaligen TV-Star Alexander Hold einen ebenso prominenten wie prädestinierten potenziellen Nachfolger in ihren Reihen.
Denn eines ist klar: Markus Söder und die CSU sitzen in der selbst gestellten Aiwanger-Falle und haben nur diese eine realistische und auch tragfähige Regierungsoption!
Unter Beschuss – aber umso wichtiger ist Ihre Unterstützung!
„Verschwörungsideologe“, „Nazi“ oder „rechter Hetzer“: Als kritischer Journalist muss man sich heute ständig mit Schmutz bewerfen lassen. Besonders aktive dabei: die öffentlich-rechtlichen Sender. Der ARD-Chef-Faktenfinder Gensing verklagte mich schon 2019, der Böhmermann-Sender ZDF verleumdete mich erst kürzlich als „Verbreiter von Verschwörungserzählungen“ – ohne einen einzigen Beleg zu benennen, und in einem Beitrag voller Lügen. Springer-Journalist Gabor Steingardt verleumdete mich im „Focus“, für den ich 16 Jahre lang arbeitete, als „Mitglied einer Armee von Zinnsoldaten“ und einer „medialen Kampfmaschine“ der AfD. Auf Initiative des „Westdeutschen Rundfunks“ wurde ich sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Wehrt man sich juristisch, bleibt man auf den Kosten in der Regel selbst sitzen. Umso wichtiger ist Ihre Unterstützung. Auch moralisch. Sie spornt an, weiter zu machen, und nicht aufzugeben. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie mir mit Ihrem Beitrag meine Arbeit ermöglichen – ohne Zwangsgebühren und Steuergelder.
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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