„Habe keinen Zweifel, dass die Ukraine ein Teil der EU sein wird“ Machte Baerbock den Genscher?

Von Kai Rebmann

Zu den Sätzen, die Geschichte machten und untrennbar mit der Deutschen Wiedervereinigung verbunden sind, gehört auch eine von Hans-Dietrich Genscher (FDP) im Februar 1990 getroffene Aussage: „Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR, die wir nicht einverleiben wollen, sondern das gilt ganz generell.“

Mit „Wir“ meinte der damalige Bundesaußenminister offenbar sich selbst bzw. die Bundesregierung sowie seinen US-Amtskollegen James Baker, den er zuvor in Washington besucht hatte. Bis heute ist unklar, ob Genscher damit nur seine persönliche Meinung geäußert oder sich – seine Kompetenzen bei weitem überschreitend – erlaubt hat, im Namen der NATO zu sprechen.

Gut 30 Jahre später hat sich die aktuelle Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) jetzt offenbar einen ganz ähnlichen Fauxpas geleistet. Unter Berufung auf die „Welt“ berichten mehrere Medien über den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba: „Ich habe keinen Zweifel, dass die Ukraine ein Teil der Europäischen Union sein wird. Heute habe ich diese Zusicherung von Annalena Baerbock erhalten.“

Auswärtiges Amt verzichtet auf klares Dementi

Gibt es eine solche Zusicherung durch Genschers Erbin tatsächlich? Und wenn ja, wie kommt Baerbock dazu, der Ukraine quasi im Namen der Bundesregierung und vor allem über die Köpfe der übrigen 26 EU-Mitgliedsstaaten hinweg einen EU-Beitritt zu versprechen? Oder handelt es sich – wieder einmal – bloß um ein sprachliches Missverständnis?

Auf entsprechende Anfrage von reitschuster.de lässt das Auswärtige Amt durch einen Sprecher unter anderem erklären: „Außenminister Kuleba hat am vergangenen Donnerstag an der Europakonferenz ‚A larger, stronger Union‘ im Auswärtigen Amt teilgenommen. Am Rande dieses Treffens gab es ein bilaterales Gespräch mit Außenministerin Baerbock. Wie üblich äußern wir uns nicht zu einzelnen Gesprächsinhalten solcher vertraulichen Unterredungen.“

Ein klares Dementi klingt auf jeden Fall anders. Zumal Baerbock immer wieder auch öffentlich betont habe, so das Auswärtige Amt weiter, „dass die Perspektive der Ukraine europäisch“ sei und das Land „bereits erhebliche Fortschritte bei den Reformen“ gemacht habe. Die EU-Mitgliedsstaaten wollen sich am morgigen Mittwoch mit dem Stand der Reformen in den Kandidatenländern, also auch in der Ukraine, befassen.

EU-Beitritt schon im Jahr 2030?

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußert sich seit Kriegsbeginn verdächtig oft und auffällig positiv über einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine. Mehr noch: Folgt man insbesondere den deutschen Spitzenpolitikern, so kann dieser Prozess gar nicht schnell genug über die Bühne gehen.

Was im Normalfall Jahrzehnte dauert, soll im Fall der Ukraine im Schweinsgalopp durchgepeitscht und nach den Vorstellungen einiger bis spätestens 2030 abgeschlossen werden. Dabei wäre insbesondere mit Blick auf den Justiz-Apparat und die allgegenwärtige Korruption in der Ukraine bis vor nicht einmal zwei Jahren wohl noch jeder für bekloppt erklärt worden, der über einen EU-Beitritt der ehemaligen Sowjet-Republik auch nur laut nachgedacht hätte.

Wasser auf die Mühlen der Gegner eines (schnellen) EU-Beitritts der Ukraine dürfte auch die am Montag von Präsident Wolodymyr Selenskyj verkündete Absage der eigentlich für März 2024 geplanten Wahlen sein. Kritik an dieser Entscheidung kommt auch von den westlichen Verbündeten, allen voran aus den USA. In der Ukraine sollten „möglichst bald demokratische Wahlen abgehalten werden“, so die Forderung.

Selenskyj hingegen hält Wahlen derzeit für „nicht angebracht“ und begründet das unter anderem damit, dass die Ukrainer ihre Ressourcen auf den Krieg und „unseren Sieg“ konzentrieren müssten. Auf seine Absichten, für eine mögliche Wiederwahl zu kandidieren, angesprochen, hat Selenskyj Anfang Oktober gegenüber dem rumänischen Portal „digi24“ erklärt: „Wenn der Krieg fortgesetzt wird: Ja. Wenn der Krieg beendet ist: Nein.“

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: DexonDee/Shutterstock

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