Von Kai Rebmann
Deutschland galt über Jahrzehnte hinweg als Bier-Weltmeister, sowohl beim Konsum als auch der Anzahl der Brauereien. Allenfalls die Nachbarn aus Österreich und Tschechien konnten uns dabei das Pils reichen. Nicht zuletzt dank der sogenannten „Mikro-Brauereien“ brachte es die Bundesrepublik zu einer weltweit einzigartigen Biervielfalt, seit der Jahrtausendwende hat die Zahl der Brauereien hierzulande beständig zugenommen. Die Trendwende begann – man ahnt es – im Jahr 2020 und setzt sich bis heute ungebremst fort.
Mit den willkürlichen Zwangsschließungen in der Gastronomie und dem monatelangen Verbot von Veranstaltungen wurden insbesondere der Brauwirtschaft wesentliche Teile ihrer Existenzgrundlage entzogen. Die vollmundig propagierten „Corona-Soforthilfen“ entpuppten sich, sofern sie überhaupt ausgezahlt wurden, vielerorts als nicht viel mehr wie eine lebensverlängernde Maßnahme.
Da eine Krise selten allein kommt, machen den Brauereien, die es über die Corona-Jahre geschafft haben, jetzt horrende Energiekosten und immer weiter steigende Rohstoffpreise zu schaffen. Jetzt schlägt Holger Eichele, Chef des Deutschen Brauer-Bundes, Alarm: „Im Moment bekommen wir nahezu jede Woche eine neue Meldung von einer Brauerei, die schließen muss.“
Vor allem mittelgroße Betriebe betroffen
In Deutschland sei das Wort „Brauereisterben“ bereits ausgestorben gewesen, erklärt Eichele im MDR-Interview mit Blick auf eine noch gar nicht so lange zurückliegende Zeit. Das stetige Wachstum in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass es in Deutschland mehr als 1.500 Brauereien mit insgesamt rund 7.500 Biermarken gibt. Doch inzwischen wackelt diese neuralgische Schallmauer bedenklich und könnte demnächst nach unten durchbrochen werden – wenn es nicht sogar schon geschehen ist.
Laut dem Statistischen Bundesamt gab es zum Jahresende 2022 in Deutschland nur noch 1.507 Brauereien und damit 45 weniger als vor der Corona-Krise. Zwei Jahre, in denen praktisch kein einziges Fass Bier über die Theke gegangen ist, haben also Spuren hinterlassen und drohen, eine deutliche sichtbare Schneise in das Sortiment zu schlagen. „Wir machen uns in der Tat Sorgen um die Biervielfalt“, gibt Eichele zu bedenken.
Deutschlands oberster Braumeister sieht dabei entgegen der landläufigen Annahme nicht die kleinen Betriebe als besonders gefährdet, sondern eher die mittelgroßen Brauereien. Die Erklärung liegt für den Experten auf der Hand: „Kleine Brauereien finden oftmals leichter eine Nische, um dort erfolgreich zu wirtschaften. Große Konzerne haben dafür vielleicht die Möglichkeit, Kostensteigerungen besser aufzufangen oder auch finanzielle Einbußen auszugleichen.“ Von der Kostenlawine seien grundsätzlich aber alle Brauereien gleichermaßen betroffen.
Keine Hoffnung auf 'Bierpreisebremse'
Das Ergebnis sind die in den vergangenen Monaten deutlich gestiegenen Preise. Die rekordverdächtige Inflation macht auch vor dem beliebtesten Kaltgetränk der Deutschen nicht Halt. Eichele bezeichnet die Situation in seiner Branche als „sehr angespannt“ und wirbt um Verständnis für die Preispolitik der Brauereien. Die Produktion sei sehr kostenintensiv, da große Mengen Flüssigkeit erst erhitzt und dann wieder heruntergekühlt werden müssten. Hinzu kämen neben den finanziellen Belastungen durch die Corona- und die sich direkt anschließende Energiekrise sowie steigende Kosten bei Roh- und Hilfsstoffen, die über kurz oder lang weitergegeben werden müssten.
Eine wie auch immer geartete „Bierpreisbremse“ ist damit also erstmal nicht in Sicht. Helfen kann der Dachverband dabei weder den Brauereien noch den Verbrauchern. Eichele bezeichnet die aktuellen Preissteigerungen als „fair und moderat“ und verweist auf die im europäischen Vergleich immer noch eher niedrigen Preise für deutsches Bier. Immer mehr Betriebe stehen nach den Kostenexplosionen in praktisch allen Bereichen mit dem Rücken zur Wand, so dass diesen nichts anderes übrigbleibe, als die Preiserhöhungen gegenüber der Gastronomie und dem Handel durchzusetzen.
Im Jahr 2021 ist der Pro-Kopf-Verbrauch beim Bier in Deutschland erstmals wieder unter 90 Liter gesunken, Tendenz weiter sinkend. Die Konsolidierung des Marktes scheint gerade erst begonnen zu haben, so dass das vor drei Jahren einsetzende Brauereisterben wohl noch einige Zeit lang weitergehen wird.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog. Bild: ShutterstockMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de