Hunderttausende Deutsche mussten seit Beginn der Corona-Krise nach positiven PCR-Tests faktisch in Hausarrest (neudeutsch: häusliche Absonderung). Und dann das: Eine Informationsnotiz der Weltgesundheitsorganisation vom 13. Januar warnt vor Unzuverlässigkeit der gängigen PCR-Tests. Explizit heißt es da: Wenn ein Test-Resultat nicht mit dem klinischen Befund übereinstimmt, also auf gut Deutsch, wenn jemand positiv getestet ist, aber keine Anzeichen einer Erkrankung bei ihm wie Erkältungserscheinungen vorliegen, dann sollte neu getestet werden. Genau das ist aber bei den Normalsterblichen bisher kaum der Fall gewesen. Prominente wie etwa Fußball-Profis konnten sich zwar wiederholt durch Zweit-Tests sozusagen „frei-testen“. Aber eben nicht Otto Normalverbraucher. Ich fragte die Bundesregierung heute, welche Schlüsse sie daraus ziehe und was sie unternehmen wird, um künftig sicherzustellen, dass nicht Menschen unnötig in Quarantäne müssen. Hier mein Wortwechsel mit Sebastian Gülde, dem Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (mein Video aus der BPK ist hier online anzusehen):
PCR-Tests
FRAGE REITSCHUSTER: Herr Gülde, die Weltgesundheitsorganisation hat am 13. Januar eine Informationsnotiz veröffentlicht. Darin hat sie sich relativ kritisch mit dem PCR-Test auseinandergesetzt und gesagt, dass es dabei eine Fehlerwahrscheinlichkeit gebe. Die offizielle Position der Bundesregierung war bisher ja: Die gibt es nicht. Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass darin gesagt wird: Wenn jemand mit dem PCR-Test positiv getestet sei und keine klinischen Symptome aufweise, dann solle man noch einmal testen. Das ist in Deutschland bisher nicht passiert. Einige Fußballer konnten sich das leisten. Es wurde auch darüber geschrieben, dass sie sich dann ein zweites Mal testen ließen und sich frei-testeten.
Nun kamen viele hunderttausend Menschen in häusliche Absonderung, wie sich das nennt. Sie alle hatten nur einen Test.
Meine Frage: Wollen Sie das aufgrund dieser Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation ändern? Bekommt jetzt jeder, der keine klinischen Symptome aufweist, die Möglichkeit zu einem Zweittest? Wird das auch mit den Kassen gemacht?
Wie schätzen Sie es ein, dass bisher möglicherweise viele in häuslicher Absonderung waren, obwohl sie es nach diesen Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation gar nicht hätten sein müssen?
GÜLDE: Herr Reitschuster, diese Fragen haben Sie an dieser Stelle bereits in der vergangenen Woche gestellt.
ZUSATZ REITSCHUSTER: Nein!
GÜLDE: Herr Professor Drosten hat Ihnen auch Auskunft dazu gegeben. Dem hätte ich jetzt, im Grunde genommen, nichts weiter hinzuzufügen.
Auch das RKI gibt Empfehlungen zum Umgang mit der PCR-Diagnostik. Diese sehen tatsächlich auch qualitätssichernde Maßnahmen im Falle unsicherer Testergebnisse vor. Es gibt die Möglichkeit der erneuten Testung beispielsweise mit einem anderen Testverfahren. Es gibt auch die Möglichkeit der Validierung durch einen in der PCR-Diagnostik erfahrenen Arzt und weitere Möglichkeiten unter Hinzuziehung eines Antikörpertests.
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Herr Gülde, die Frage wurde von Herrn Drosten nicht beantwortet und sie war auch nicht so spezifisch. Daher wiederhole ich es. Sie haben auf die spezifische Frage nicht geantwortet.
In der Information der WHO heißt es explizit: Zweittest erforderlich, wenn keine klinischen Symptome. Noch einmal die Frage: Wird sich die Bundesregierung an diese Empfehlung der WHO halten oder entsprechenden Einfluss nehmen, oder hält sich die Bundesregierung nicht an diese Empfehlung der WHO?
GÜLDE: Es bleibt bei meinen Ausführungen dazu.
ZUSATZ REITSCHUSTER: Also keine Antwort.
GÜLDE: Ich habe Ihnen gerade eine Antwort gegeben.
Meine weiteren Fragen betrafen die Impfstrategie. Genauer gesagt Warnungen, dass die Impfung keine „sterile Immunität“ hervorbringe. Auf gut Deutsch: Wer geimpft ist, kann weiter das Virus in sich tragen und verbreiten. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Geimpfte, ohne das zu merken, „Superspreader“ werden, also viele andere Menschen anstecken. Sie finden unten die Antwort auf diese Frage im Wortprotokoll der Bundespressekonferenz. Dort lesen Sie auch meine Frage zu Nawalny. Meine Fragen an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in der zweiten Bundespressekonferenz heute werden Sie in meinem oben erwähnten Video sehen, Link hier.
Impfungen
FRAGE REITSCHUSTER: Herr Gülde, eine Frage zu den Impfungen: Nach den bisherigen Erkenntnissen ist ja nicht erwiesen, dass sie vor einer Übertragung schützen, und es ist auch nicht wahrscheinlich, dass sie zu einer sterilen Immunität führen, also dazu, dass der Geimpfte nicht mehr krank werden kann; sie schützen nur vor einem schweren Verlauf. Bei einigen Fachleuten gibt es nun eine Befürchtung, sie sagen: Dadurch, dass Menschen geimpft sind, werden sie, gerade Jüngere, nach dieser Impfung keine Symptome zeigen und könnten dadurch zu Superspreadern werden, könnten das Virus also noch mehr verbreiten.
Wie sieht die Bundesregierung diese Gefahr? Die bisherige Impfstrategie ist ja, dass man Junge und Gesunde impft, um Schwache und Alte zu schützen. Wie funktioniert das, wenn die Impfung nicht vor einer Übertragung schützt und wenn die Gefahr besteht, dass keine sterile Immunität vorhanden ist?
GÜLDE: Die Impfstrategie der Bundesregierung sieht vor, dass wir jetzt in erster Linie erst einmal die Alten, Kranken und Schwachen impfen und nicht die Gesunden.
Zurzeit gibt es noch keine Hinweise darauf, dass mit einer Impfung nicht auch eine sterile Immunität einhergeht. Diese Forschungen laufen derzeit noch und deren Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Grundsätzlich gilt aber nach wie vor natürlich auch die Einhaltung der weiteren Maßnahmen, sprich, Kontaktbeschränkungen, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. All das sind Maßnahmen, die natürlich auch dazu führen, dass eine Übertragung verhindert werden kann.
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Sie sagten, es gebe keine Hinweise darauf, dass sie nicht eintritt. Ich schließe daraus, dass es umgekehrt auch noch keine belegten Hinweise darauf gibt, dass sie eintritt. Wenn man das nicht belegt, wäre das ja ziemlich negativ in der Hinsicht, dass dann die Impfung nicht insoweit helfen könnte, als dass man auf die Kontaktbeschränkungen und dergleichen verzichten könnte.
Ist also im Moment wirklich noch unklar, inwieweit die Impfung diesbezüglich zu einer Erleichterung führen wird?
GÜLDE: Eine Impfung sorgt in erster Linie dafür, dass eine schwere Erkrankung verhindert wird. Die vorliegenden Studien deuten genau darauf hin, dass dies wirklich so funktioniert.
Was die sterile Immunität anbelangt, so gilt es, die Forschungen dazu abzuwarten.
Grundsätzlich ist es so, darauf haben wir auch immer wieder hingewiesen: Je mehr Menschen bereit sind, sich impfen zu lassen, desto schneller können wir dazu kommen, nach und nach auch kontaktbeschränkende Maßnahmen zu lockern.
Altmaier
Zu den Fragen an Altmaier und seinen Antworten gibt es kein Protokoll. Sie können sie sich hier ansehen.
Bild: Screenshot/Youtube/Phoenix
Text: br