“Keine Anweisung zum Retten“ Geschichten zum Schmunzeln – Mein Krisen-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Ich möchte Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà:

Verzweifelt fleht die dicke alte Frau den Wachmann neben der Eingangstür an: „Meine Wohnung steht unter Wasser, tun Sie doch was!“ Der Vorschlaghammer von einem Mann in seiner blauen Uniform schaut verlegen zur Seite: „Ich habe keine Anweisung von oben.“

Moskau um Mitternacht. Die Nachbarn in der Wohung neben uns haben vor dem Weggehen vergessen, das Wasser im Bad abzustellen – in der 16. Etage. Jetzt rauscht das kostbare Nass unerbittlich von Stockwerk zu Stockwerk. Der Wachmann hat zwar einen Schlüssel zum Speicher und könnte problemlos den Haupthahn abdrehen. Aber wir wohnen in einem Ausländer-Haus: Unser Vermieter ist die „Diplomaten-Wohnungsverwaltung“ des Außenministeriums, kurz UPDK. Deshalb traut sich der Wachmann nicht an den Wasserhahn: Dazu bräuchte er die Genehmigung von seinem Chef – und der geht nicht ans Telefon. Das Wasser rinnt und rinnt…

Ein Nachbar nach dem anderen kommt verzweifelt herunter: Das Wasser ist jetzt schon im 14. Stock. Ich fasse mir ein Herz und rufe via Handy den Städtischen Notdienst an. Jetzt endlich wird die Diensthabende, die „Consierge“, die neben dem Wachmann sitzt, aktiv – und ruft ihrerseits beim Notdienst an: „Es handelt sich um ein Haus der UPDK, Sie haben kein Recht, zu kommen, wir haben hier eigene Notdienste!“

Offenbar sollen die Abhörwanzen des Geheimdienstes im Haus nicht fremdem Personal in die Hände fallen, witzelt ein afrikanischer Diplomat mit Galgenhumor. Inzwischen kommen auch schon die Nachbarn aus dem 10. Stock.

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Die nächtliche Szene ist kein Einzelfall in Russland: So artete etwa der Brand im Moskauer Fernsehturm im August 2000 vor allem deshalb zur Katastrophe aus, weil sich niemand befugt fühlte, den Strom abzuschalten. Weder der Feuerwehrkommandeur vor Ort noch sein Chef, weder Turm-Verwalter noch Bürgermeister oder Minister trauten sich, den Strom abzustellen: Weil das nicht nur den Brand eingegrenzt hätte, sondern auch das TV-Programm von den Bildschirmen verschwunden wäre, wollte niemand die Verantwortung übernehmen – und sich den möglichen Zorn des Präsidenten zuziehen. Erst als mit großer Verspätung aus dem Kreml das Okay kam, ließ die Feuerwehr endlich den Strom abschalten – doch da stand der Fernseh-Turm schon in Flammen.

Bei uns im Haus ist inzwischen schon der achte Stock überflutet. Ich frage mich, wozu die Wachleute da sind. Sollen sie uns bewachen – oder nur überwachen? Was würden sie bei einem Brand machen? Wäre ihre Aufgabe, darauf zu bestehen, dass keine Feuerwehr kommt?

500 Dollar für drei Zimmer

Wäre es nicht doch sinnvoller gewesen, wenn ich mich in einem ganz normalen Moskauer Haus einquartiert hätte – ohne Bewachung? Aber auf dem freien Markt sind die Mieten horrend. Eine schöne Drei-Zimmer-Wohung im Zentrum kostet schon mal fünftausend – nein, nicht Rubel, sondern Dollar.

Zigtausende Moskowiter leben heute davon, dass sie ihre Wohnung vermieten; sie selbst quartieren sich bei Verwandten oder auf der Datscha ein. Weil meist bar und schwarz gezahlt wird, haben die Mieter nicht viel zu sagen – und werden schon mal um kräftige Mieterhöhungen gebeten oder vor die Tür gesetzt.

Bei der UPDK ist eine Drei-Zimmer-Wohnung „schon“ für 1000 Dollar zu haben. Dafür kostet jede Kleinigkeit extra. Selbst für die Satellitenschüssel: ist eine „Miete für einen Befestigungs-Platz“ an der Außenwand der Wohnung zu zahlen; ein Wunder, dass man im Wohnzimmer Bilder an die Wand hängen darf, ohne für den Nagel eine Extra-Miete zu zahlen.

Die Gesetzlosigkeit auf dem freien Wohnungsmarkt will die UPDK offenbar auf ihre Art ausgleichen. Pünktlich zum Jahresbeginn bekamen wir eine riesige Liste der Unterlagen, die zur Verlängerung des Mietvertrages vorzulegen sind. Allein das Durchlesen ist eine Qual: Vom Gründungsdokument des Arbeitgebers mitsamt Handelsregisterauszug aus dem Heimatland und dem Beschluss über die Eröffnung einer Vertretung in Moskau über die Genehmigung des Außenministeriums und der russischen Handelskammer sowie dem Beschluss über die Ernennung des Leiters der Vertretung und die Vollmacht zum Unterschreiben des Mietvertrages inklusive Belaubigung im Heimatland und deren notariell beglaubigter Übersetzung bis zin zu einer Bankauskunft, dem Steuer-Nachweis, dem Eintrag ins staatliche Zentralregister und der anschließenden Registrierung des Vertrages beim Justizministerium.

All das ist notwendig für einen einfachen Mietvertrag, für den in Deutschland eine Unterschrift reicht. Das einzige Glück: Die Strenge der russischen Gesetze wird dadurch kompensiert, dass man sie nicht unbedingt einhalten muss, wie der russische Satiriker Michail Samtykow-Schtschedrin schon im 19. Jahrhundert bemerkte. So habe ich bis heute kein einziges Dokument vorgelegt – und wohne weiter in meiner Wohnung.

Überhaupt nimmt es die UPDK nicht so genau mit Vorschriften, solange der Rubel rollt: So stehen auf unserem bewachten Parkplatz offenbar die Luxuswagen der Mafia-Bosse der gesamten Nachbarschaft – weswegen selbst die Besucherplätze ständig belegt sind und unsere Gäste laufen müssen.

Doch das ist nicht die einzige Misslichkeit: In alter Sowjet-Tradition fordern die Wachleute zuweilen von unseren Besuchern, dass sie ihren Ausweis vorzeigen, bevor sie zu uns zum Kaffee vorbeisehen dürfen. Penibel wird jeder Gast im „Journal“ registriert. Selbst über die Radioaktivitäts-Werte müssen die Diensthabenden Buch führen.

Im Notfall hilft die Überwachung wenig. Das Wasser kämpft sich immer weiter Richtung Erdgeschoss durch. Ein Einsatz-Trupp sei inzwischen unterwegs, versichert der Wachmann. Die Nachbarn raufen sich die Haare. Dabei hat es manchmal auch seine guten Seiten, dass der Bürokratie-Wahnsinn alles ausbremst. So bekamen wir vergangenes Frühjahr die Nachricht, dass wir im Sommer ausziehen müssen, weil das ganze Haus renoviert wird. Mehr als ein Jahr ist vergangen – und wir sind immer noch an Ort und Stelle.

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