Lasst die Sanna doch tanzen und flirten! Doppelmoral und heiße Luft

Ein Gastbeitrag von Klaus Kelle

Finnlands Regierungschefin Sanna Marin (36) steht seit Tagen im Zentrum massiver Kritik, weil sie auf der Tanzfläche Hüftschwung kann und möglicherweise sogar flirtet. Hey? Ist das nicht großartig?

Auf einem Video ist Marin zu sehen, wie sie auf einer Party in einem Club ausgelassen, eng mit einem Sänger, tanzt, durchaus ein bisschen verführerisch.

Darf eine Regierungschefin sich so präsentieren, untergräbt sie die Glaubwürdigkeit ihrer sozialdemokratischen Partei?

Sari Essayah, Chef der kleinen christdemokratischen Partei, äußerte, es gebe Grund zur Sorge, dass das Verhalten der Ministerpräsidentin möglicherweise eine Bedrohung für die Sicherheit des Landes oder ihrer Person dargestellt habe.

Marins Koalitionspartnerin und Vorsitzende der finnischen Zentrumspartei, Finanzministerin Annika Saarikko, zeigte sich entspannter, bezeichnete die Videos – es gibt zwei von der Party – als «ein bisschen peinlich». Sie seien wohl nicht dafür bestimmt gewesen, von allen Finnen gesehen zu werden, sagte sie dem öffentlichen Rundfunksender Yle am Samstag. Sie wolle sich aber nicht als Hüterin der Moral aufspielen.

Wirklich wichtig sind doch wohl folgende Punkte:

1) In Veröffentlichungen gibt es Spekulationen, Marin habe bei der Party möglicherweise illegale Drogen zu sich genommen. Dafür gibt es bis jetzt nicht den geringsten Beleg. Die Regierungschefin hat sich inzwischen einem Drogentest unterzogen und öffentlich versichert, in ihrem ganzen Leben keine Drogen zu sich genommen zu haben. Allerdings habe sie bei diesem Fest Alkohol getrunken. Das ist aber nicht verboten.

2) Die Party fand nicht in der Urlaubszeit der Politikerin statt, das heißt, sie muss rund um die Uhr erreichbar sein. Auch da wüsste ich nicht, warum Marin nicht hätte erreichbar sein oder nicht handlungsfähig sein können.

3) Auf dem zweiten Video von der Party ist Marin zu sehen, wie sie in diesem Club eng mit dem finnischen Sänger Olavi Uusivirta (39) tanzt. Sie berühren sich mehrfach an Schultern und Hüfte, was beim Tanzen ja schonmal vorkommt, oder? In einem Moment beugt sich der Musiker nach vorne, als wolle er ihr etwas ins Ohr flüstern. Manche wollten darin einen Kuss auf den Hals erkennen – auch wenn das nicht eindeutig zu sehen ist.

Bei einer Pressekonferenz am Freitag wies Marin alle Spekulationen zurück und versicherte, sie könne sich nicht erinnern, auf den Hals geküsst worden zu sein. Sie glaube, der Sänger habe ihr etwas sagen wollen. Und Uusivirta schrieb auf Instagram: «Ich kann nur sagen, wie es ist: Wir sind Freunde, und es ist nichts Unangebrachtes zwischen uns geschehen.»

Für mich alles heiße Luft, und daran ändert auch nichts, dass die Regierungschefin verheiratet ist. Sowohl Politiker als auch verheiratete Politiker dürfen tanzen, sie dürfen feiern, sie dürfen ein Bier trinken mit Freunden. Was ist denn das für eine Debatte? Sie müssen nur ständig bereit sein, zu handeln, wenn sie gefragt sind.

Wenn im Ahrtal bei Starkregen Menschen sterben und die für den Schutz der Bürger zuständigen Minister auf Malle eine Party feiern, dann ist das ein Skandal. Aber wenn die finnische Regierungschefin im Club abtanzt und meinetwegen auch einen kleinen Flirt zulässt, dann ist mir das viel lieber als farblose Langweiler in höchsten Regierungsämtern…

David gegen Goliath
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für viel gelesene Zeitungen und Internet-Blogs. Dieser Beitrag ist zuerst auf the-germanz.de erschienen.

Bild: askarim/Shutterstock
Text: Gast

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