Long Covid: Fast alle Patienten waren vorher krank Neue Untersuchung stellt den Mythos „Volkskrankheit“ infrage

Von Daniel Weinmann

„Long Covid entwickelt sich zu einer Geißel für Millionen Coronapatienten. Es ist eine schwere Krankheit, die aus einer scheinbar harmlos verlaufenden Infektion entsteht.“ So lautet die Erkenntnis von Jördis Frommhold, die hierzulande als führende Expertin auf diesem Gebiet gilt. „Long Covid: Die neue Volkskrankheit“, überschreibt sie denn auch ihr im März erschienenes Buch.

Karl Lauterbach weiß dies als willkommene Steilvorlage für die Forcierung seiner Impfkampagne zu nutzen. „Die Gefahr von #LongCovid wird mega unterschätzt“, twitterte der Gesundheitsminister. „Wir haben nicht im Ansatz die Therapieplätze dafür. Menschen sollten sich nicht leichtfertig einer Infektion aussetzen, die ihr Leben verändern kann. Impfungen senken das Risiko bei Infektion deutlich.“

In einem Interview mit „Zeit Online“ legte er nach: „Wir haben nicht im Ansatz die Kapazität, die vielen Fälle zu versorgen.“ Es gebe nicht genügend spezialisierte Ärzte, nicht genügend Behandlungsplätze. Die mit Long Covid verbundenen Probleme würden allgemein unterschätzt. „Wir haben noch keine Medikamente. Hier kommt wirklich etwas auf uns zu.“

Zwei Drittel der Patienten waren nach spätestens einem Quartal beschwerdefrei

Was Lauterbach wahlweise verschweigt oder nicht weiß: Das Krankheitsbild ist bislang kaum erforscht, was je nach Definition von ‚langfristig‘ nach zwei Jahren Coronakrise per se auch gar nicht möglich ist. Nun bringt das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) Licht ins Dunkel – und widerlegt Lauterbachs These. „Knapp 96 Prozent der Post-Covid-Patienten waren im Vorjahr 2020 in vertragsärztlicher Behandlung“, schreibt das Institut in seiner Untersuchung mit dem sperrigen Namen „Deskription von Post-Covid-Patienten (Q4 2021) – 4. Sitzung Arbeitsgruppe ‘Indikation Post-Covid-Syndrom‘“.

Auffällig häufige Behandlungsanlässe waren Rückenschmerzen, Erkrankungen des Metabolischen Syndroms, somatoforme Störungen, Depression oder Asthma. „Long-Covid-Patienten weisen häufiger als die Allgemeinbevölkerung Vorerkrankungen wie Atemwegserkrankungen, Bluthochdruck, Übergewicht und psychische Erkrankungen auf“, so das Ergebnis.

Das ZI hat im vergangenen Jahr im kassenärztlichen Bereich rund 880.000 Fälle von Long Covid registriert. Zwei Drittel der Patienten waren nach spätestens einem Quartal beschwerdefrei – ein Prozent der Fälle entwickelte sich komplex und langwierig.

Was sich nach Long Covid anfühlt, kann seine Ursache auch in einer Schwangerschaft haben

„Den Fall der jungen Frau, die noch nie etwas hatte und dann nach Infektion unter massiven Long-Covid-Komplikationen leidet, gibt es – aber eben nur sehr, sehr selten“, sagte der ZI-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried gegenüber „Bild“. Man müsse dem Eindruck entgegentreten, dass jeder nach Covid mit Post-Covid und schweren Auswirkungen rechnen müsse. „Das zeigen die Daten nicht“, unterstreicht von Stillfried.

Das Untersuchungsergebnis des ZI bestätigt die Erfahrungen von Christoph Kleinschnitz, Direktor der Neurologie am Uniklinikum Essen. „Die Allermeisten werden keine Langzeitfolgen haben.“ Nach aktuellem Kenntnisstand könne man davon ausgehen, dass bis zu 95 Prozent der Patienten die Infektion ohne langfristige Beschwerden überstehen“, so der Mediziner.

Kurios: „Was sich nach Long Covid anfühlt, kann seine Ursache auch in einer Schwangerschaft haben“, schreibt die „Neue Osnabrücker Zeitung„. In der Notaufnahme des Klinikums Osnabrück hätten sich Verwechselungen zuletzt gehäuft. Das Schüren der Panik durch Lauterbach & Co. scheint zu fruchten. Dies legt zumindest die Vermutung des leitenden Arztes des Notaufnahmezentrums, Mathias Denter, nahe: „Nach mehr als zwei Jahren Pandemie scheint der Fokus bei manchen Patientinnen derart auf Corona und auf Covid-Folgen zu liegen, dass sie andere, ganz natürliche Gründe schlicht vergessen haben.“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Shutterstock
Text: dw

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