Mehrheit will, dass Regierung bei Corona mehr auf Kritiker hört Exklusive INSA-Umfrage

Die Antwort war keine. Auf meine Frage, ob sich Angela Merkel wie der Sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) einen runden Tisch mit Corona-Maßnahmen-Kritikern vorstellen könne, antwortete mir ihre Sprecherin Marina Fietz, eine frühere Focus-Kollegin von mir, in der Bundespressekonferenz wortkarg, die Termine der Kanzlerin könne man dem Internet entnehmen. Mir ließ das Thema keine Ruhe. Warum verweigert die Bundesregierung den Dialog mit kritischen Experten? Selbst Abgeordnete der Regierungsfraktionen beklagen sich darüber – allerdings nur hinter vorgehaltener Hand: „Für Entscheidungen von solch einer Tragweite muss man aber immer Sichtweisen von unterschiedlichen Wissenschaftlern anhören. Ich sage nicht, dass die heftigen Kritiker der Maßnahmen recht haben, aber als Abgeordneter kann ich sagen: Ich will, dass auch sie zu Wort kommen und man sich mit ihren Argumenten auseinandersetzt. Das müsste eigentlich zur Selbstverständlichkeit in einer Demokratie gehören“, sagte mir erst kürzlich ein Volksvertreter (m/w/d) aus dem Regierungslager im Bundestag (siehe hier). 

Ich wollte deshalb wissen: Wie sehen das die Menschen in unserem Land? Und ich gab bei INSA eine repräsentative Umfrage in Auftrag, online- und telefonbasiert, durchgeführt an diesem Wochenende, mit 2.063 Befragten, und mit folgender These: „Ich finde es falsch, dass die Bundesregierung in der Corona-Pandemie zu wenig auf die Experten hört, welche die Maßnahmen der Bundesregierung kritisieren.“ Hier sehen Sie die Ergebnisse:

Damit ist klar: Eine deutliche relative Mehrheit von 47 Prozent findet den derzeitigen Kurs falsch, dass die Bundesregierung in der Corona-Pandemie kaum einen Dialog eingeht mit Experten, die ihre Maßnahmen kritisieren. Nur 29 Prozent teilen diese Ansicht nicht und 19 Prozent wissen nicht, wie sie dazu stehen. Es besteht also das Bedürfnis in einem großen Teil der Bevölkerung nach mehr Dialog, mehr Kontroverse und einer Einbindung statt Ausgrenzung von Kritikern der Corona-Maßnahmen in den öffentlichen Diskurs und damit auch in die Entscheidungsfindung. Das Ergebnis kann man durchaus als Ohrfeige für die Mono-Kultur der Regierung in Sachen Experten auffassen.

Interessant ist auch, wie sich diese kritische Ansicht nach Parteipräferenzen aufteilt:

Vor allem befragte AfD-Wähler wollen auch kritische Experten eingebunden sehen. Aber nicht nur diese: Bei den Wählern von SPD und „Linken“ ist eine absolute Mehrheit für mehr Dialog mit den Kritikern. Selbst bei den Grünen-Wählern sind es immerhin noch 49 Prozent. Die geringste Zustimmung kommt von Wählern der Union (36 %). Dies ist auch die einzige Gruppe, die häufiger ablehnt als zustimmt. Hier scheinen also die üblichen politischen Fronten etwas aufgeweicht.

Der Unterschied zwischen Ost und West ist kaum bemerkbar: In den alten Bundesländern sind 46,5 Prozent für das Hören auf Kritiker, in den neuen 48 Prozent.

Mir selbst macht diese Umfrage Hoffnung. Denn auf der Oberfläche erleben wir eine massive Polarisierung der Gesellschaft. Der Hass, der am Sonntag auf dem Schweigemarsch in Berlin den Corona-Maßnahmen-Kritikern von vorwiegend jungen linken und teilweise sehr aggressiven Gegendemonstranten entgegenschlug, hat mich schockiert (siehe hier). Die Umfrage legt nahe, dass sich diese Polarisierung und die massive Abneigung gegenüber Kritikern nicht auf die gesamte Gesellschaft erstreckt. Wenn sich fast jeder Zweite einen Dialog mit den Kritikern und deren Einbindung wünscht und nicht einmal jeder Dritte dagegen ist, zeigt dies: Die Politik der massiven Spaltung und Ausgrenzung, die große Teile von Politik und Medien betreiben, verfängt wenigstens nur teilweise. Vielleicht ist die Lage in Sachen Spaltung der Gesellschaft doch nicht ganz so dramatisch, wie diese beim Verfolgen von Politik und Medien erscheint. Die Umfrage lässt auch die Weigerung von öffentlich-rechtlichen Sendern, Corona-Kritiker zu Wort kommen zu lassen (siehe hier), in einem neuen Licht erscheinen.

Aber wie immer ist das Ergebnis sehr relativ. Ich habe eine russische und einen deutschen Bekannten befragt, welches Ergebnis sie erwartetet hätten, bevor ich ihnen das Resultat mitteilte. Die Russin erwartete, dass achtzig Prozent dafür sind, auf Kritiker zu hören. Sie war sehr enttäuscht, dass es nur 47 sind. Der Deutsche erwartete, dass 97 Prozent dagegen sind, auf Kritiker zu hören – und war hocherfreut, dass es immerhin 47 sind. Wie alle Umfragen ist auch diese subjektiv und auch bei ihr hat die Art der Fragestellung Einfluss auf das Ergebnis. Aber weil in den großen Medien heute vorwiegend in eine Richtung „geframed“ wird, halte ich es für sehr wichtig, mündigen Bürgern auch andere Perspektiven zu bieten. So können sie sich umfassend und unterschiedlich informieren und sich dann selbst ein Bild machen.

Diese Umfrage haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit Ihrer Unterstützung ermöglicht. Sie haben damit beigetragen, das Framing vieler Medien zu hinterfragen. Ich werde auch weiter Umfragen exklusiv für Sie in Auftrag geben. Möglich ist dieses Gegenhalten gegen die Meinungs-Monokultur und das betreute Informieren in den großen Medien nur mit Ihrer Unterstützung! Helfen Sie mit, setzen Sie einen Akzent gegen das Framing: direkt hier via Paypal oder Überweisung (IBAN DE92 1001 1001 2629 8468 32, N26 Berlin). Verwendungszweck: Meinung ohne Framing.

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Bild:  lunopark/Shutterstock
Text: br


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