Meinungsfreiheit ist relativ. Das belegt ein Zitat, das dem afrikanischen Diktator Idi Amin zugeschrieben wird. „You have freedom of speech. It is freedom after speech that I cannot guarantee.” Frei übersetzt: „Sie haben die Freiheit, Ihre Meinung zu sagen, aber ich kann Ihnen nicht garantieren, dass Sie danach noch Ihre Freiheit haben werden“. Genau um dieses Dilemma bzw. seine Verkennung dreht sich auch die Debatte um die Meinungsfreiheit in Deutschland. Man könne doch alles sagen, aber man müsse halt zu den Konsequenzen stehen, führen diejenigen an, die keine Probleme bei der Meinungsfreiheit sehen. Eine Aussage, die so auch in den meisten autoritären Staaten gilt. Nein, in Deutschland droht keine Festnahme für abweichende Meinungen. Aber auch in vielen autoritären Staaten ist das heute so. Dort wird viel mit sozialer Ausgrenzung gearbeitet, wenn es um Meinungsdruck geht. Oder mit beruflichen Nachteilen. Und das ist leider auch in Deutschland kein Fremdwort.
Wie steht es also um die Meinungsfreiheit in unserem Land? Ich wollte das genauer wissen und habe eine Umfrage bei dem Meinungsforschungsinstitut INSA in Auftrag gegeben. Mehr als 2.000 repräsentativ ausgewählte Menschen in Deutschland sollten dabei via Telefon und online ihre Meinung zu folgender These kundtun: „Ich befürchte negative Konsequenzen, wenn ich meine Meinung zu bestimmten Themen frei äußere.“
35 Prozent aller Befragten befürchtet solche negativen Konsequenzen. 50 Prozent der Gesamtbefragten befürchten hingegen keine negativen Konsequenzen.
Während bei westdeutschen Befragten die Differenz zwischen denen, die keine negative Konsequenzen aufgrund einer Meinungsäußerung befürchten und denen, die dies tun, 20 Prozentpunkte beträgt (60 zu 40 Prozent), fällt diese Differenz bei ostdeutschen Befragten mit vier Prozentpunkten deutlich geringer aus (52 zu 48 Prozent). Im Osten befürchten deutlich mehr Menschen negative Konsequenzen für Meinungsäußerungen.
Befragte mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.000 Euro befürchten deutlich öfter als Befragte der übrigen Einkommensgruppen negative Konsequenzen, wenn sie ihre Meinung zu bestimmten Themen frei äußern (52 zu 37 bis 41 Prozent). Sie sind zudem die einzige Gruppe, die mehrheitlich der Aussage zustimmen.
AfD-Wähler stimmen als einzige absolut-mehrheitlich (77 Prozent) der Aussage zu, dass sie negative Konsequenzen aufgrund ihrer Meinungsäußerung befürchten. FDP-Wähler sind geteilter Meinung (je 50 Prozent). Alle übrigen Wählergruppen lehnen die Aussage mehrheitlich ab (63 bis 85 Prozent).
In einer demokratischen Gesellschaft sollte eigentlich außer Extremisten niemand negative Konsequenzen fürchten, wenn er seine Meinung frei äußert. Genau das macht Demokratie aus und unterscheidet sie von nicht-freiheitlichen Systemen. Denn im Gegensatz zu der gerade bei den Ideologen, die heute das Meinungsklima bestimmen, vorherrschenden Interpretation sei hier erneut auf Idi Amin verwiesen: Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, dass man nur seine Meinung sagen kann, sondern dass auch ein Klima herrscht, in dem dies bei nichtextremistischen Meinungen ohne Angst möglich ist. So habe ich das auch noch in der alten Bundesrepublik erlebt.
Wenn heute mehr als jeder Dritte bei bestimmten Themen seine Meinung nicht mehr ohne Angst vor Konsequenzen äußern kann, ist das ein Armutszeugnis für eine freiheitliche Demokratie und ein Alarmzeichen. Umso mehr, wenn diese Zahlen bei bestimmten politischen Gruppierungen besonders hoch sind. Denn Meinungsfreiheit muss man immer daran messen, wie groß sie bei denjenigen ist, deren Meinung von der vorherrschenden bzw. der von den Regierenden gewollten Meinung abweicht. Diese Binsenweisheit haben heute leider viele vergessen. Sie seien daran erinnert, dass man auch in unfreien Systemen jede Freiheit hat, die jeweils vorherrschende Meinung frei, lautstark und überall zu äußern.
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Text: br