Mit Neuromarketing ins New Normal?
 Eine Analyse von Psychologin Iris Zukowski

Ein Gastbeitrag von Iris Zukowski

Wir glauben, uns vernünftig und bewusst zu entscheiden, doch ist das wirklich so?

Bis in die Neunzigerjahre bestimmte das auf Platon zurückgehende Modell des menschlichen Geistes unsere Vorstellung: Das Gehirn werde von Vernunft gesteuert, während Triebe oder Gefühle in ihrer Bedeutung und Wirkung weit unter dem Verstand anzusiedeln seien. Die vermeintliche Rationalität des Gehirns und der vernünftig entscheidende und handelnde Mensch sind heute widerlegt. António Damásio, ein Neurowissenschaftler, untersuchte hirnverletzte Patienten und fand heraus, dass ohne Emotionen keine Entscheidungsprozesse möglich sind (Ich fühle, also bin ich, 2000, List Verlag). Patienten, deren Emotionszentrum geschädigt war, zeigten sich unfähig, rationale Entscheidungen zu treffen. „Vernünftige“ Entscheidungen sind im Grunde emotionale Entscheidungen mit positiven Konsequenzen.

Emotionen haben die Vormachtstellung in unserem Kopf und gehen Kognition und dem Begreifen von Zusammenhängen voraus.
 Für das Gehirn haben nur jene Reize eine Bedeutung, die Emotionen ansprechen. Die Rationalität des Gehirns besteht darin, möglichst viele positive Emotionen mit möglichst geringem Aufwand zu erhalten. Diese Erkenntnisse macht sich das Neuromarketing zunutze. Unser (Kauf-)Verhalten wird neben den Bedürfnissen vor allem von unseren Motiv- und Emotionssystemen gesteuert.
 Aus neurobiologischer Perspektive gibt es drei Hauptmotiv- und Emotionssysteme, die unsere Persönlichkeit in unterschiedlicher Gewichtung prägen: 1.) Das Dominanzsystem: Der Wunsch nach Macht, Status, Überlegenheit und Autonomie. 2.) Das Stimulanzsystem: Der Wunsch nach Erlebnis, nach Neuem und nach Individualität, Abenteuer und Spaß. Dieses System steuert vor allem Kinder und junge Erwachsene. 3.) Das Balancesystem: Die stärkste Kraft im Gehirn, die uns nach Sicherheit, Ruhe, Harmonie und Zusammenhalt streben lässt und bemüht ist, Gefahren oder Unsicherheiten zu vermeiden. Die Erfüllung dieses Systems erzeugt Geborgenheit und Sicherheit.

Emotionen haben im menschlichen Gehirn eine steuernde und ordnende Funktion und somit eine „vernünftige“ Aufgabe. 
Unser Wille kann nur einen kleinen Teil dessen beeinflussen, was wir im Bewusstsein als freie Entscheidung erleben. Im Gehirn entscheiden blitzartig und unbewusst aktivierte Emotionen darüber, was wir als richtig oder vernünftig bewerten. Wir glauben zwar, dass wir Entscheidungen bewusst und rational treffen, doch die Hirnforschung zeigt, dass 70–80 % unserer Entscheidungen unbewusst fallen. Der Gehirnforscher Gerhard Roth vergleicht unser bewusstes „Ich“ mit einem Regierungssprecher, der Entscheidungen interpretiert und legitimiert, deren Hintergründe er nicht kennt und an deren Zustandekommen er nicht beteiligt war (Aus Sicht des Gehirns, 2003, Suhrkamp).

Alle wesentlichen menschlichen Entscheidungen und Einstellungen sind im Grunde emotional.
 Die Nervenbotenstoffe, die unsere Emotionen maßgeblich mitgestalten, fließen durch das gesamte Großhirn und beeinflussen die Art und Weise unseres Denkens. Ihre höchste Konzentration findet sich im Stammhirn und im Zwischenhirn, im limbischen System. Das limbische System fungiert von Geburt an als ein emotionales Bewertungszentrum. Es entscheidet blitzartig, ob ein Reiz oder eine Erfahrung in uns Lust oder Unlust auslöst und bestimmt auf dieser Grundlage, wie wir den Input bewerten und reagieren. Im Verlauf unseres Lebens erweitern sich unsere Datenbank und das 
kognitive Leistungsvermögen, sodass wir differenzierter erklären können, warum wir uns für oder
 gegen etwas entscheiden. Die Grundlage der erwachsenen Entscheidung ist aber noch die gleiche wie beim Säugling – entweder empfinden wir Lust oder Unlust.

Neuromarketing nutzt die Erkenntnisse der Hirnforschung und Tiefenpsychologie

Das limbische System: der Ursprung unserer Einstellungen und Entscheidungen.
 Unser Gehirn führt ständig hochintelligente Wahrscheinlichkeitsrechnungen aus mit dem Ziel, ein Maximum an Belohnung (Lust) und ein Minimum an Unlust zu erhalten. Diese Entscheidung trifft nicht der ursprünglich als „vernünftig“ definierte Gehirnbereich, sondern die Entscheidung fällt im limbischen System, in dem alle Motiv- und Emotionssysteme und damit auch unsere Wünsche ihren Ursprung haben, wie das Streben nach Anerkennung, Zugehörigkeit, Macht oder Sicherheit. Durch die (blitzartige) Bewertung des limbischen Systems werden wir im Grunde in einem unbewussten Autopilot-Modus durchs Leben gesteuert. Wie wir handeln und was wir denken, ist untrennbar mit unseren Emotionen und Motivsystemen verbunden. Das limbische System ermittelt die Bedeutung des „Produkts“ für uns. Nicht Fakten, sondern Emotionen, die ausgelöst werden, sind die Grundlage unserer Einstellungen oder (Kauf-)Entscheidungen.

Neuromarketing nutzt die Erkenntnisse der Hirnforschung und Tiefenpsychologie, um die richtigen Knöpfe im Gehirn des Kunden zu drücken.
 Mit Neuromarketing lässt sich im Grunde alles an den Mann, die Frau oder das Kind bringen. Das Produkt oder sein Nutzen sind irrelevant. Wichtig ist, jene Emotionen anzusprechen, die die Lust-Reaktion im limbischen Gehirn auslösen. Um besonders fragwürdige Angebote oder Ziele unters Volk zu bringen, reicht es meist schon, die Unlust und Abwehr (gegen die Ideologie) auszuschalten und das „Produkt“ positiv zu belegen. Wortneuschöpfungen, Symbole, Prominente, Sport und auch Kinder können als positive Botschafter für die anvisierte Zielgruppe eingesetzt werden – wie bei der Neuromarketing-Kampagne zum Klimaschutz: Greta erreicht alle Zielgruppen, vom Kind bis zum Greis, Frauen wie Männer. Wer sollte bei einem kleinen Mädchen mit Zöpfen und einem Handicap an etwas Böses denken oder gar „Unlust“, also Abwehr erleben? Im Verbund mit den zielgruppengerecht ausgewählten Weltstars und einer sensationellen Promotiontour konnte die weltweite Reichweite der Werbebotschaft garantiert werden.

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Die Wortschöpfung „klimaneutral leben“ erweckt im Gehirn des medienprogrammierten Bürgers ein positives und moralisch wertvolles Gefühl, und das bedeutet für das limbische System: Lust! Da das Gehirn von unseren Gefühlen regiert wird, greift die Ratio bei den Empfängern dieser Botschaft nicht überprüfend ein, sondern bestätigt das „limbische Ja“ mit den vom System vorgegebenen Erklärungen: Man könne etwas zur Klimarettung beitragen. Eine kritische Überprüfung findet nicht statt, und so bemerken die Meisten nicht, dass der Inhalt des Produktes „klimaneutrales Leben“ eigentlich keine positiven Gefühle erzeugt, die das limbische System als lustvoll empfinden könnte. Die angestrebten Entbehrungen, die Einschränkungen und die höheren Lebenskosten werden einfach in wohlklingende Wortneuschöpfungen verpackt, die darüber hinwegtäuschen, dass „klimaneutral“ für den normalen Bürger ein Leben im Mangel bedeutet.

Mit Neuromarketing kann etwas Widernatürliches, Unmenschliches, Sinnloses oder Schädliches in den Köpfen der Menschen „als gut oder normal“ verankert werden.
 Die Genialität unseres Gehirns besteht nicht in der Bewusstmachung von Informationen, sondern in ihrer unbewussten Verarbeitung und Speicherung und ihrer Umsetzung in Handlungen oder in „New Normal“-Einstellungen. Das toxische System sendet täglich unterschwellige Botschaften, die wir nicht bewusst wahrnehmen, die wir aber dennoch in Verhalten und Überzeugungen umsetzen. Auch sublime Botschaften werden eingesetzt, wie Details am Bildrand oder im Hintergrund, die kaum auffallen. Filmbeiträge können unterschwellig dargebotene Bilder und Worte enthalten, die so kurz präsentiert werden, dass sie unser Bewusstsein nicht registrieren kann.

Verstörende Kampagne von Balenciaga

Zum New Normal des Systems gehört auch die Sexualisierung von Kindern, die im Kindergarten mit den sexuellen Orientierungen Erwachsener vertraut gemacht werden und denen im Internet Zugang zu Hardcore-Pornografie gewährt wird, legitimiert als „Verzicht auf Zensur“, was im Gehirn des Bürgers eine positive emotionale Bewertung, also Lust auslöst.

 
Als Beispiel für eine verstörende Kampagne des Fashion-Labels Balenciaga mit Kindermodellen, die für Aufsehen gesorgt hat: Einige Leser werden sich an die düstere Haute-Couture-Modenschau von Balenciaga erinnern. Die mittlerweile vom Markt genommene Kampagne schließt daran an, wenn auch in anderer Form. In der Printwerbung posieren Kleinkinder mit Teddybären im Bondage Look. Ein anderes Foto zeigt ein Kind, das bäuchlings auf einem Sofa liegt, vor dem ein Tisch steht, der mit halbgefüllten Weingläsern, einer großen Pillendose und diversem SM-Zubehör dekoriert ist. Noch Fragen? Sexuelle Gewalt an Kindern findet in den meisten Fällen unter Drogen-, Alkohol- oder Psychopharmaka-Einfluss statt, um die Wahrnehmung des Kindes zu vernebeln, es zu betäuben und seine Gegenwehr auszuschalten. Besonders bizarr ist das „Gift Shop“-Werbefoto: Unter einer Tasche liegt ein Dokument, das mit dem bloßen Auge nicht lesbar ist, aber in der Vergrößerung: Es ist ein Gerichtsdokument zu virtueller Kinderpornografie.

In der Werbung gibt es keine Zufälle, schon gar nicht auf diesem Level. Jedes noch so kleine Detail wird bewusst ausgewählt und arrangiert, um das limbische System der anvisierten Zielgruppe zu triggern. Reize, die unter der Wahrnehmungschwelle präsentiert werden – oder wie in diesem Fall kaum lesbar sind, lösen dennoch im limbisches System einen Impuls aus. Wer ist die Zielgruppe einer Kampagne, die Kindesmissbrauch-„Fashion“ macht? Ist es die Geld-Elite, die dem normalen Bürger Verzicht und höhere Kosten diktiert und die (höheren) Sinne der arglosen Menschen zum Ausgleich mit vielen sexuellen Orientierungen und der freien Wahl ihres Geschlechts vernebelt? Oder geht es um die trendy Normalisierung der „Lust am Kind“ als eine sexuelle Orientierung? Auch wenn diese kinderverachtende Werbekampagne vom Markt verschwunden ist, ein Zeichen wurde gesetzt und die Zielgruppe erreicht.

 Mit Neuromarketing lässt sich unsere Weltsicht formen.
 Zunächst impfen uns die Massenmedien-Darstellungen Schuldgefühle (Unlust) ein. Im nächsten Schritt werden wir mit positiv klingenden Wortneuschöpfungen („Mobilitätswende“) und Social-Media-Kampagnen verführt, ein lustvolles Gefühl im limbischen System zu erleben, wenn wir die propagierte Idee übernehmen, was die sofortige Erlösung verspricht, „inmitten des Weltuntergangs, ein ‚guter Mensch‘ zu sein“. Wer sich den „Lösungen“ verweigert, wird mit negativen Gefühlen bestraft, denn die „Verweigerer“ sind schuldig.

Wir erleben vermutlich die größte Werbekampagne aller Zeiten. Sie zielt darauf ab, positive Gefühle in unserem limbischen System zu erzeugen, wenn wir der Systemorder folgen und der Schein-Moral, der Schein-Menschlichkeit und dem falschen Menschenbild zustimmen. In dieser geschickten Realitäts-Konstruktion können der gesunde Menschenverstand und die Vernunft zum Erliegen kommen. Nur wer beständig die Werbeshow und ihre Inhalte hinterfragt, bewahrt sich die Fähigkeit, mit gesunder Unlust auf das „New Normal“ des toxischen Systems zu reagieren.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Iris Zukowski – Diplom-Psychologin, Hypnotherapeutin und Sachbuchautorin: „Was uns heute unterhält, kann uns morgen töten.“ Ruhland Verlag 2017. Sie war einige Jahre Dozentin für Neuromarketing und ist seit 2018 SOS-Initiatorin zur Aufklärung über die weitreichenden Effekte von frei verfügbarer Pornografie.

Bild: Screenshot Youtube Video

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