Von Kai Rebmann
„Erst das Land, dann die Partei, dann die Person!“ Dieses Zitat stammt von Baden-Württembergs Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU), vor allem aber stammt es aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der Politiker noch persönliche Verantwortung sowohl für ihr Handeln als auch – und vielleicht sogar noch viel öfter – für ihr Nichthandeln übernehmen mussten. Erwin Teufel regierte das Ländle von 1991 bis 2005, inzwischen schreiben wir das Jahr 2022. Es hat eine Zeitenwende stattgefunden, und das in vielerlei Hinsicht. Deutschland wird von grün-roten Ideologen regiert, für die die FDP nicht mehr als den vorgeblich liberalen Steigbügelhalter gibt und dafür wenigstens bis zur nächsten Bundestagswahl mit auf der Regierungsbank sitzen darf.
Jetzt hat sich auch Robert Habeck dazu entschlossen, die Interessen seiner Partei, und wohl auch die eigenen, über das Wohl des Landes zu stellen, für das er in der Regierungsverantwortung steht. Die fragwürdige Entscheidung in der AKW-Frage, vor allem aber das definitive Aus für das modernste noch am Netz befindliche deutsche Kernkraftwerk (Emsland) wird von nicht wenigen Beobachtern als Wahlkampfgeschenk für die grüne Basis in Niedersachsen gewertet. Dessen ist sich natürlich auch Robert Habeck bewusst, anders sind die verstörenden Auftritte am Montag auf der Bundespressekonferenz sowie am Dienstag bei Sandra Maischberger nicht zu erklären. In der ARD-Talkshow versuchte der Wirtschaftsminister der sichtlich verdutzten Moderatorin und den Gebührenzahlern dann auch noch zu erklären, warum ein Konkurs nichts mit einer Insolvenz zu tun hat.
AKW-Betreiber hält Reservebetrieb für „technisch nicht machbar“
Mit dem sogenannten „Reservebetrieb“ der AKWs Isar 2 (Bayern) und Neckarwestheim (Baden-Württemberg) sowie den fast schon zynischen Aussagen in Richtung der deutschen Unternehmer schoss Robert Habeck gleich zwei Eigentore. PreussenElektra, der Betreiber des AKW Isar 2, teilte dem Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag nicht nur mit, dass der von Habeck angedachte Reservebetrieb in dieser Form „technisch nicht machbar“ sei, sondern betonte darin auch, dass zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland im kommenden Winter alle drei AKWs benötigt werden, also auch das AKW Emsland. Die Geschäftsführung von PreussenElektra stützt sich dabei ausdrücklich auf die Erkenntnisse der jüngst absolvierten Stresstests. Wie der Betreiber weiter mitteilt, habe er dem Bundeswirtschaftsministerium schon im August mitgeteilt, dass die Anlage nicht nach Belieben hoch- und wieder heruntergefahren werden könne.
Bereits vor vier Wochen hat Preussen-Elektra-CEO Guido Knott in einem BR-Interview erklärt, dass im AKW Isar 2 sowohl das Szenario eines befristeten Weiterbetriebs als auch jenes eines Streckbetriebs durchgespielt worden sei. Mit einem AKW-Betrieb im On-Off-Modus, wie er Habeck vorschwebt, hat man sich dagegen weder in Bayern noch sonstwo auf der Welt jemals auseinandergesetzt. Aufgrund dieser fehlenden Erfahrungswerte warnt PreussenElektra davor, dieses noch nie praktizierte Anfahren eines zuvor heruntergefahrenen AKW ausgerechnet dann testen zu wollen, wenn ein „kritischer Zustand“ eintritt. Ein solches Vorgehen sei mit der Sicherheitskultur des Unternehmens nicht vereinbar, wie die Betreibergesellschaft klarstellt.
Deutliche Kritik an den Habeck-Plänen kommt auch aus München. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) warf seinem Kollegen in Berlin eine „grünideologische Politik“ vor und wertete die Stellungnahme von PreussenElektra als „Super-GAU für die Bundesregierung“. In einer Pressemitteilung seiner Partei wird Aiwanger wie folgt zitiert: „Die Laufzeitverlängerung der bestehenden drei Kernkraftwerke wird von den Netzbetreibern als dringend nötig angesehen, um Schlimmeres zu verhindern. Die Bundesregierung nimmt dies schulterzuckend nicht mal zur Kenntnis und macht fachlich desaströse Vorschläge.“ Weiter heißt es: „Wenn die Bundesregierung diese Pippi-Langstrumpf-Politik nicht unverzüglich beendet, muss sie den Weg frei machen für Kräfte, die handlungsfähig sind.“
Habeck nicht mal mit dem Einmaleins der Betriebswirtschaft vertraut
Und auch Habecks wirre Aussagen über Betriebe, die „vielleicht aufhören zu verkaufen“, dabei aber nicht automatisch Insolvenz anmeldet müssen, sorgten für ein lautes Echo. Die Handwerkskammer zu Leipzig (HWK) schrieb dem in letzter Zeit sichtlich überforderten Wirtschaftsminister einen als Pressemitteilung verkleideten Brandbrief. Präsident Matthias Forßbohm bescheinigt Habeck darin fehlende Kompetenz für sein Amt und mangelnde Empathie für die Existenzängste von Unternehmern und Arbeitnehmern. „Im Handwerk gibt es im Gegensatz zur Politik ein Qualifikationserfordernis für Führungspositionen – den Meisterbrief“, beschreibt Forßbohm ein wohl sehr grundsätzliches Problem des Kabinetts um Bundeskanzler Olaf Scholz. Habeck sei „nicht einmal mit dem kleinen Einmaleins der Betriebswirtschaftslehre vertraut“ und wisse offenbar nicht, dass Betriebe vom Verkauf ihrer Erzeugnisse leben, nicht von deren Produktion.
Hauptgeschäftsführer Volker Lux wundert sich über die „Gleichgültigkeit und Ignoranz“ des Ministers, der sich offensichtlich weigert, die Folgen seiner verfehlten Wirtschaftspolitik zur Kenntnis zu nehmen. „Die Energiekosten müssen runter, sonst fallen uns die Betriebe reihenweise um“, warnt Lux. Viele Mitglieder der HWK Leipzig fühlten sich nach Habecks Auftritt bei Sandra Maischberger „verhöhnt“ und seien „voller Zorn“, wie es in der Pressemitteilung weiter heißt. Forßbohm und Lux fordern, dass die Spitze unseres Landes mit den Besten besetzt werden müsse, um den drohenden Kollaps noch abwenden zu können. „Herr Habeck gehört offensichtlich nicht dazu“, wie die beiden HWK-Chefs unisono feststellen müssen. Der Brandbrief endet dann aber doch noch mit versöhnlichen Tönen: „Die Handwerkskammer zu Leipzig ist gern bereit, dem Wirtschaftsminister ein individuelles Fortbildungsangebot zum Insolvenzrecht zusammenzustellen.“
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
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