Von Sönke Paulsen
Zu spät, zu unentschlossen, zu kopflos und panisch, zu kenntnisarm, verantwortungsscheu, nach Zustimmung heischend, bürokratisch und formalistisch, persönlich unbeteiligt, faul, aus dem Bauch heraus entscheidend, redend, zeternd und nicht handelnd.
Es fallen einem noch viele weitere, typische Charakterprobleme bei unseren Politikern ein, die man wohl nicht nur in der Politik unterstellen muss, sondern in der Bevölkerung schlechthin.
Über sechs Millionen Menschen sind allein in Deutschland tätowiert, fünfzehn Prozent der Europäer leiden unter Angststörungen, Identitätsschwäche ist nicht nur ein Problem der Nation, sondern vor allem ihrer Bewohner, Persönlichkeitsstörungen sind auf dem Vormarsch. Narzisstisch, psychopathisch und vor allem emotional instabil. Ein großer Teil der Deutschen beherrscht die deutsche Sprache nicht mehr richtig, im Internet werfen sich sogar angeblich intelligente Persönlichkeiten absurde Sprachfetzen ohne jede grammatische Qualität und versetzt mit Reizworten ohne jede definitorische Schärfe, ohne Sinn und ohne Verstand, um die Ohren.
Über Twitter wird jeder Intellekt eingeäschert, ein permanentes Urnen-Begräbnis, das täglich in unseren sozialen Netzwerken stattfindet. Auf diesen modernen Grabmalen der Vernunft stehen aber keine Sprüche wie „Ruhe in Frieden“, sondern Beschimpfungen, Diffamierungen, ideologische Anmaßungen und verstümmelte Botschaften der Empörung, der Wut und vor allem der Dummheit.
Betrieben wird all das maßgeblich von Volksvertretern, die eigentlich professionell handeln, statt pöbeln, hetzen und verunglimpfen sollten, und von einer sogenannten kritischen Öffentlichkeit, die eigentlich die geistigen Maßstäbe für unsere Gesellschaft liefern müsste, tatsächlich aber nur zusammenhangslose, ideologische Fetzen in den Äther bläst.
Wo sind wir gelandet?
Seit der Eurokrise vor zehn Jahren ist keine einzige Krise auch nur annähernd politisch gelöst worden. Dafür gab es jedes Mal, wenn in unserem Land etwas massiv schiefgelaufen ist, eine Kampagne ideologischer Rechtfertigungen, die auf den Bauch der Bürger und nicht auf ihren Verstand zielten.
So geschehen während und nach der Flüchtlingskrise, während der Pandemie, in der nicht einmal versucht wurde, eigene intelligente Lösungen zu finden, sondern dumpf hinter den Ländern hermarschiert wurde, die zuvor von der Pandemie betroffen waren und nach den erstbesten Notlösungen griffen. So geschehen auch in der Flutkatastrophe mit Ansage, welche von unseren Politikern lediglich retrospektiv und verbal abgearbeitet wurde. Die Einsortierung in den Klimawandel erschien als opportune Lösung.
Als wäre Politik inzwischen ein Job in der Kanzel, in der gepredigt und nicht gehandelt werden muss. Mit Kanzler ist aber nicht ein Sonntagsprediger in einer Kanzel gemeint. Die Opfer der Flutkatastrophe fühlen sich vollkommen verschaukelt und alleingelassen. Ein paar Worte der Anteilnahme und schon sind sie vergessen.
Warum dieses chronische Versagen der Politik, wenn sie handeln soll, wie wir es jetzt auch in Afghanistan sehen? Die anteilnehmenden Worte scheinen wichtiger zu sein als die Rettung der Betroffenen. Die Bundeswehr ist überfordert. Mit dem ersten Großraumflugzeug wurden tatsächlich sieben Passagiere außer Landes gebracht. In Worten: Sieben! Wortreiche Rechtfertigungen für diese „Nichtleistung“ gehen seitdem durch die Medien. Es ist eben nicht so einfach. Wirklich?
Die Amerikaner haben mit einer gleichwertigen Maschine sechshundertvierzig Passagiere ausgeflogen, also fast einhundert Mal so viele verzweifelte Flüchtlinge!
Zu komplex? Zu schwierig?
Nein! Es fehlen die Akteure, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Diese Akteure müssten eigentlich aus der Politik kommen, denn für diese Verantwortung wurden sie gewählt.
Stattdessen „Kampf gegen Rechts“, um einen angeblich aufflammenden Nationalsozialismus in Deutschland zu bekämpfen, „Kampf gegen Rassismus“, wenn es zu Spannungen zwischen Deutschen und Zugewanderten kommt, und „Kampf um die europäischen Werte“, wenn der Brüsseler Superstaat infrage gestellt wird und sich manche Staaten auf ihre nationale Identität besinnen. Außerdem große Worte gegen islamistischen Terror und schwache Taten.
Eine Propagandamaschine, die ohne die Fähigkeit auszukommen scheint, sinnvoll und pragmatisch zu handeln. Ein verantwortungsloser Gesinnungsapparat, der permanent nur Symbole produziert.
Ein Beispiel ist auch der schwere Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt im Herzen Berlins vor einigen Jahren. Politische Worte des Bedauerns und jetzt kommen die Taten: Der Berliner Breitscheidplatz, auf dem das Attentat verübt wurde, ist nun mit einem ausgeklügelten System versenkbarer Sperren versehen worden, die jeden unbefugten LKW abbremsen können.
Der Berliner Breitscheidplatz wohlgemerkt und nur dieser! Ein Zeichen an die Islamisten, dass sie diesen Platz nie wieder mit einem LKW angreifen können, andere Plätze aber schon und den neuen Berliner Flughafen erst recht, denn der ist ungesichert.
Was sind das für Taten? Es sind keine Taten – es sind symbolische Handlungen der Hilflosigkeit. Auch Abschiebungen, die durch die Medien gehen, sind lediglich Symbole, die so wirken sollen, als würde hier effektiv gehandelt.
Nichts gegen die europäischen Werte. Aber Werte vertritt man durch Handlungen und nicht durch Worte.
Weitere Beispiele gefällig? Was sagt die Kanzlerin zu China? „Wir müssen reden.“ Keine Handlungen, keine nennenswerten Sanktionen. Was zu Russland? „Wir dürfen nicht aufhören zu reden.“ Keine politischen Konsequenzen. Was zu Afghanistan? „Das ist nicht gelungen!“ Drei große Transportmaschinen fliegen nach Kabul und fliegen bis heute sieben Personen aus.
Bei aller kritischen Rückschau: Kohl und Schmidt würden sich im Grab umdrehen! Die konnten noch handeln. Keiner von denen war sich zu schade, Schuld auf sich zu laden, um eine Situation in den Griff zu bekommen. Sogar der alles aussitzende Kohl ergriff die riskante Chance zur deutschen Einheit.
Wo sind wir gelandet?
In einer Welt der politischen Handlungsunfähigkeit, die vor allem auf eines zielt: Vermeidung! Vermieden werden sollen hässliche Bilder, schlechte Umfragewerte, Machtverlust und vor allem die Widerlegbarkeit der eigenen politischen Anschauung durch die Realität. Eine Flucht, eine panische Flucht vor der Realität, ein sozialer Rückzug der Politik, ganz besonders ein sozialer Rückzug vom Volk. Das wirkt langsam wie ein psychiatrisches Problem!
Es soll gar nicht gehandelt werden, weil Handeln Verlust bedeuten könnte, ein Risiko wäre. Ganz gleich, ob es um den eigenen Weg durch die Pandemie oder eine selbstbewusste Position zu Afghanistan geht. Die Selbstermächtigung unseres Landes wird von der Politik konsequent boykottiert.
Damit dies nicht zu einem psychologischen Desaster wird, braucht es vor allem eines. Charakter! Aber nichts ist heute so schwer zu finden wie Charakter in der Politik und den Medien, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft.
Charakter ist absolut out. Die Gesellschaft bestraft jede Form von Eigenständigkeit, Willensstärke, Unabhängigkeit in der Meinungsbildung und Bereitschaft, unbequem zu handeln.
'Alles gut', ist das Motto, 'alles gut'!
Wir sind zu einem Volk von Weicheiern geworden, die sich nicht trauen, den Mund aufzumachen, die Angst haben, Überzeugungen zu entwickeln, die nicht von vornherein in der Zeitung stehen, und die nichts mehr fürchten, als in einem Shitstorm an den Pranger gestellt zu werden.
Unsere Politiker machen uns tatsächlich unsere eigene Charakterlosigkeit vor, sie sind wie Schauspieler auf einer Bühne, auf der die Tragödie einer, einst hoffnungsvollen, Zivilisation gespielt wird.
Allein die Katharsis bleibt aus. Egal ob Pandemie oder Afghanistan. Die Katharsis wird einfach weggetwittert. Sie geht unter in der allgemeinen Kakophonie der Gesinnungsakteure.
All can go viral, but nothing is real!
[themoneytizer id=“57085-3″]
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: oxinoxi/Shutterstock
Text: Gast
mehr von Sönke Paulsen auf reitschuster.de
[themoneytizer id=“57085-1″]